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«Polenta 7000» – das entspanntere Festival

Es ist Festival-Season. Die grossen Outdoor-Veranstaltungen kennt man alle. Dort, wo man um Plätze kämpfen muss, wo die Preise hoch und die Luft zum Atmen gering ist. Viele Menschen, viel Stress, viel Freude trotzdem, wenn die grossen Acts aufgeboten werden. Manchmal aber entdecke ich kleine Perlen in der kommerziellen Festivallandschaft. Das «Polenta 7000» in Chur ist eine davon.

Von Lino Kalt

Das «Polenta 7000» ist wie geschaffen für nicht-suchende Menschen. Für Menschen, die keinen bestimmten Acts hinterher schnellen und für welche das Gemeinschaftsgefühl das Lineup übertreffen muss. Das Sommerfestival findet dieses Jahr zum dritten Mal statt. Vom 2. Juni bis zum 26. August wird das Walserbühl Areal in Chur bei gutem Wetter jeweils Donnerstag bis Samstag bespielt. Das Motto ist klar; gefordert und geschaffen wird ein kultureller Raum für alle. Eintrittspreise zu den angebotenen Dayraves, Konzerten, Tauschbörsen, Lottoabenden (kein, Witz!) und Zirkusvorstellungen gibt es nicht. Soli-Eintritte und Spenden sind willkommen, diese decken neben den Material- und Organisationskosten die Gagen für die Auftritte. Die Bareinnahmen finanzieren das Areal. So deckt das Publikum im Kollektiv das kulturelle Angebot. Denn die Organisation birgt einige knifflige Aufgaben. Strom und Wasser werden jedes Jahr auf das Areal verlegt. Handarbeit. Von vielen freiwilligen Helfer:innen und Vereinsmitgliedern (davon zählt der Verein «Polenta 7000» etwa 30).

Ich bin beruflich in Chur und beschliesse, dem Festival einen Besuch abzustatten. An einem sonnigen Freitagabend sammle ich Impressionen.

Was mir sofort auffällt; die Liebe zum Detail. Und die Arbeit, die hinter dem Aufbau des Festivalgeländes steckt. Ganze Pavillons wurden eigens aus Holz und Gerüststangen aufgezogen. Verziert mit Fähnchen und Lichterketten ergänzen die Holzkonstruktionen die vier grossen farbigen Schiffscontainer in, auf und herum sich Kiosk, Bar, Foodcourt und Mainstage befinden. Grosse Laternen sorgen für genügend Licht in den Sofa- und Kissenecken gebaut aus Europaletten. 

Und: Da hat wirklich jemand eine do-it-yourself Kegelbahn, die auch noch funktioniert, aufgestellt. 

Die Stimmung ist surreal, das Publikum sehr divers. Kinder krabbeln neben Hunden her und Jugendliche spielen Rundlauf-Pingpong mit alten Punks. Mir wird Platz für mich selbst gelassen, die Mitmenschen scheuen jedoch nicht vor Interaktion. Im Gegenteil; durch die Platzierung der divers verteilten Sitzmöglichkeiten und den belebten Stationen wie Pingpong-Tischen und Grillfeuerstellen, grosse metallene Feuerkörbe, auf denen man seine Wurst selbst grillieren kann, wird der Austausch untereinander angeregt. Am Kiosk führen die angebotenen Krämereien mit Nostalgieeffekt zu lustigen Gesprächen über Alter und Erinnerung. Neben Ausgaben der «Gelbe Seiten» und den farbigen Leck Muscheln finden sich auch die zusammensteckbaren Kriegsflieger aus bemaltem Styropor im Sortiment. Es fühlt sich an, als wäre ich auf einer gesunden grossen Familienfeier.

Über der Main-Stage thront ein etwa vier Meter grosser aufgeblasener Mond, der von innen heraus beleuchtet wird. Und an der Bar der «Buvetta» werden neben verschiedensten Bieren auch Cocktail-Kreationen wie der «Horse-Neck» angeboten. Ohne Probleme bekomme ich zudem meinen Extrawunsch, einen frischen «Vodka-sport» mit Limettensaft und Minze. Auftritte werden mit Spotlights und viel Rauch aus dem Stage Container begleitet. Volles Programm.

Mein Highlight: der Hügel neben dem Festivalgelände. Findet man den richtigen Weg nach oben, wird man mit einem wunderschönen Panoramablick auf die scheinenden Lichter der Containerlandschaft des Festivals belohnt. Besonders schön ist dieser Anblick bei Nacht. Im Rücken braust der Verkehr der Autobahn vorbei und richtet man den Blick nach Westen, überblickt man grosse Parkflächen eines Industrieareals. Das Gipfelbuch befindet sich an der höchsten Stelle und lädt zur Verewigung ein. Spannend all die unterschiedlichen Gefühle und Gedankengänge durchzublättern.

Bei den Programmpunkten findet sich sicherlich für jede Person etwas. Genre-Mix vom Feinsten! National und international. Teil des Charmes ist eben auch das Ausprobieren und das Entdecken. Von neuen Musikstilen, Talenten, Künstler:innen und Atmosphären. An manchen Tagen kommt man ans «Polenta 7000», um zu trinken und zu essen, vielleicht Freunde zu treffen, bleibt dann aber für die Auftritte und die Musik. Oder andersrum. Man besucht gezielt ein Konzert und bleibt für das Umfeld. Und plötzlich steht man am nächsten Tag schon wieder auf dem Festivalgelände. Hört und schaut sich Neues an. Ein Kreislauf. Eine Wundertüte. Das Programm findet man auf der Homepage und auf Instagram. Begleitet von bunten Visuals. «Birdman Jäggi», «Jule X», «Damiana Malie», «Gianni Tschenett», «Cali», «Lea Wildhaber», um nur einige musikalischen Highlights zu nennen. 

Ich empfehle allen, sich selbst ein Bild zu machen von dieser kleinen Oase. Die Reise nach Chur lohnt sich ungemein, bis zum 26. August lassen sich am «Polenta 7000» Live-Musik, Drinks und eine einzigartig familiäre Atmosphäre geniessen.

16. Juli 2023

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