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Die Renaissance des Gedruckten: Ein Gespräch mit Michael Kainga über die Bedeutung unabhängiger Printmedien

Mit persönlichem Engagement, einer digitalen Präsenz und Pop-up-Standorten trägt die kenianische Initiative «Paper Café» nicht nur zum Erhalt von gedruckter Materie bei, sondern wird auch zu einem kulturellen Treffpunkt, der die Printkultur in Nairobi bereichert und über eine Vielzahl an Grenzen hinauswächst.

Von Joshua Amissah

Mit vollster Überzeugung meint Michael Kainga: «Man sagt oft, dass Print tot ist, aber das ist nicht unbedingt wahr.» Damit äussert er sich als Verfechter der Meinung, dass Druckerzeugnisse auch in der fernen Zukunft ihren verdienten Platz wahren werden. In einer Ära, die von digitalen Medien dominiert wird, hat Michael Kainga mit «Paper Café» eine interkontinentale Brücke geschaffen, die sich der Bedeutung unabhängiger Printmedien widmet. Seine Reise begann mit einer starken visuellen Leidenschaft, die während seines Grafikdesign-Hintergrunds und insbesondere in der Universitätsklasse für Druckproduktion und Layoutgestaltung entstand. Die Frage, warum er Paper Café gegründet hat, führt uns zu einem tieferen Verständnis für die Relevanz von gedruckten Medien inmitten der digitalen Überflutung.

Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung unserer Welt betont Kainga die einzigartige und wertvolle Erfahrung, etwas Physisches in den Händen zu halten. In einer Zeit, in der Pop-Up-Benachrichtigungen unsere digitale Existenz durchdringen, hebt er die Faszination und Unverwechselbarkeit von gedruckten Medien hervor. Diese bieten nicht nur eine Flucht aus der Ablenkung, sondern auch eine intime Verbindung zu kunstvoll gestalteten Werken, die Zeit, Sorgfalt und gemeinsame Anstrengungen verkörpern. Die physische Präsenz ermöglicht es, in eine Welt ohne digitale Störungen einzutauchen und so eine tiefere, sinnliche Bindung zu den verschiedensten Inhalten herzustellen. 

Wir haben uns mit dem Verfechter der gedruckten Kultur ausgetauscht.

Michael Kainga, deine Initiative in der Welt der unabhängigen Printmedien schafft eine interkontinentale Brücke, die verschiedenste Kreativschaffende zusammenbringt. Was hat dich dazu bewogen, Paper Café zu gründen?

Michael: Mein Hintergrund liegt im Grafikdesign, daher hat mich schon immer alles Visuelle angezogen. In der Universität war eine meiner Lieblingsklassen die Druckproduktion und Layoutgestaltung, daher denke ich, dass dort meine Liebe zu gedruckten Medien begann. Ich bin auch auf viele fantastische unabhängige Magazine durch Freunde oder auf Reisen gestossen, und das Auffinden der nächsten Ausgabe dieses oder jenes Titels in Nairobi war schwierig. Über Jahre hinweg habe ich darüber nachgedacht, einen Magazin-Laden zu eröffnen, und 2022 habe ich es endlich getan. 

Ich dachte immer, dass es Liebhaber:innen von gedruckten Medien in Nairobi geben muss, und das hat sich bestätigt, als ich den Laden eröffnete. Es ist eine kleine, aber mächtige Gemeinschaft von leidenschaftlichen Kreativen, darunter Journalist:innen, Fotograf:innen, Modedesigner:innen, Architekt:innen, Musiker:innen und so weiter. 

In einer Welt, die zunehmend von digitalen Medien dominiert wird, wird physischen Magazinen und Druckerzeugnissen als Medium teilweise eine immer wichtigere Rolle zugeschrieben. Was hältst du von dieser Auffassung?

Ich glaube, es gibt etwas Besonderes daran, etwas Physisches in den Händen zu halten. Etwas zu halten, das viel Liebe, Pflege und Zeit in der Schaffung erforderte, kann atemberaubend sein und ganz zu schweigen von der gemeinsamen Anstrengung, die erforderlich ist, um diese Objekte zu schaffen. Es ist eine Erfahrung, die einen vollständig aus dem gegenwärtigen Moment herausnehmen und in eine Fantasiewelt ohne Ablenkungen transportieren kann – ohne Pop-Up-Benachrichtigungen!

Ganz fernab von Pop-Up-Benachrichtigungen steht bei dir ein manuelles Auswahlverfahren an oberster Stelle. Nach welchen Auswahlkriterien und Faktoren suchst du dir die verschiedenen Titel aus? 

Es gibt mehrere Dinge, die ich bei meiner Auswahl berücksichtige. Zwei dieser Kernkriterien sind Vielfalt und Repräsentation. In einer zunehmend globalen Welt sollte es nirgendwo eine Entschuldigung für einen Mangel an Vielfalt geben, und das schliesst das, was wir in unabhängigen gedruckten Magazinen sehen und lesen, mit ein. Andere Faktoren, die ich berücksichtige, sind die visuelle Attraktivität des Titels, die Qualität des Inhalts und der Erzählung sowie die Druckqualität. 

Ich versuche sicherzustellen, dass die Auswahl der Titel vielfältig ist und eine globale Perspektive bietet, weil ich denke, man sollte Inspiration aus überall bekommen; nicht nur afrikanische Titel oder nur westliche Titel, sondern eine Mischung aus beiden.

Dein Engagement für die Erstellung eines Archivs für Printmedien zeigt eine Leidenschaft für die Erhaltung und Konservierung gewisser Diskurse. Was denkst du, wie deine Initiative der Gemeinschaft langfristig zugute kommt? 

Ich hoffe, dass Paper Café ein Teil des Funkens sein kann, der weiterhin eine Gemeinschaft von Creatives und Printliebhaber:innen aufbaut, die sich treffen, Ideen austauschen und schöne Dinge schaffen oder ihre eigenen Titel veröffentlichen können. Man sagt oft, dass Print tot ist, aber das ist nicht unbedingt wahr. Ich denke, es ist lebendig und wohlauf, nur in einem anderen Format, und ich hoffe, dass Paper Café dazu beitragen kann, dies denen zu zeigen, die diese wunderbare Welt des Drucks noch entdecken müssen, um die Gemeinschaft zu vergrößern. 

Paper Café führt auch Titel junger Erstverleger:innen aus Kenia und aus dem ganzen afrikanischen Kontinent, und wir sind glücklich, in jeder Hinsicht zu helfen, sei es durch das Vorrätighalten ihres Titels oder durch die Verbindung mit globalen Käufer:innen. 

In der Ära des Online-Handels und der sozialen Medien engagierst du dich auch persönlich mit Kund:innen und wirkst eigentlich wie ein menschlicher Algorithmus. Wie hat dieser personalisierte Ansatz zum Erfolg von Paper Café beigetragen, und welche Erkenntnisse hast du aus diesen Interaktionen gewonnen? 

Ich liebe es, mit unseren Kund:innen zu interagieren. Es ist immer ein erfreulicher und aufregender Austausch von Ideen. Ich erfahre, wie sie die Welt der unabhängigen Magazine entdeckt haben, und oft empfehlen sie uns Titel, die wir führen sollten, was unsere Auswahl breit und interessant hält. Unsere Kund:innen kennenzulernen bedeutet auch, dass ich einen Titel empfehlen kann, von dem ich weiss, dass er ihnen gefallen wird. In einer digitalen Welt voller algorithmischer Empfehlungen ist eine freundliche menschliche Interaktion immer von Vorteil.

Entsprechend hast du  kürzlich auch angefangen, mit physischen Geschäften zusammenzuarbeiten und Pop-up-Standorte zu eröffnen. Wie stellst du dir vor, dass diese Expansion zum kulturellen Gefüge von Nairobi beiträgt, und wie war diese Erfahrung bisher

Die Einrichtung von Pop-up-Standorten bringt Paper Café endlich in die physische Welt. Die Menschen können die Titel sehen, fühlen, anfassen und durchblättern, was ein wesentlicher Bestandteil des Kaufs eines Magazins sein kann. Es ist auch eine grossartige Möglichkeit, unsere Kund:innen persönlich zu treffen. Es ermöglicht eine gute Entdeckung für jeden, der uns online möglicherweise noch nicht gefunden hat oder mit unabhängigen Magazinen nicht vertraut ist. Langfristig können einige dieser Räume hoffentlich Orte werden, an denen Menschen sich treffen, Zeit verbringen, Ideen austauschen, zusammenarbeiten oder sogar Magazine tauschen können. 

Somit fungiert Paper Café nicht nur als ein Geschäft, sondern auch als eine Vision für einen kulturellen Treffpunkt. Was für ein langfristiges Ziel verfolgst du? 

Das langfristige Ziel besteht darin, irgendwann Titel vom Kontinent in Zusammenarbeit mit anderen Creatives und Printliebhaber:innen zu veröffentlichen. Auf diese Weise können wir uns alle bei unseren kreativen Bestrebungen unterstützen. Die Menschen müssen in der Lage sein, ihre eigenen Geschichten zu erzählen, und ich hoffe, dass wir dabei eine Rolle spielen können. Die Brücke, die bisher zwischen den Distributoren, mit denen ich arbeite, und dem Kontinent geschaffen wurde, wird eine entscheidende Rolle im fortgesetzten und wichtigen kulturellen Austausch spielen, der stattfinden wird, sobald wir anfangen, die Titel zu veröffentlichen und zu verteilen.

02. Februar 2024

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