Wut – ein Gefühl, das wir alle kennen. Zumindest in der Theorie. Die eigene Wut zu spüren, einzuordnen und sie zum Ausdruck zu bringen, ist nämlich gar nicht so einfach. Die Regisseurin Suna Gürler untersucht in «Ich chan es Zundhölzli azünde» gemeinsam mit einigen Ensemblemitgliedern und jungen, teilweise nicht professionellen Darsteller:innen das starke Gefühl. Im Zentrum steht dabei die Kritik an der schweizerischen Ausschaffungspraxis.
Der Abend für «Menschen ab 14» referenziert zwar auf einen Song von Mani Matter, hat mit ihm aber nur wenig zu tun – dafür ganz viel mit der Botschaft seines Liedes «I han es Zündhölzli azündt». Das Stück wird mit einem klassischen Talk-Show-Szenario eröffnet. Eines, das man, wenn man denn könnte, nach den ersten Worten des Moderators gleich wegzappen möchte. Unter den drei geladenen Gäst:innen sitzt Yalaz Çavuşoğlu. Eine junge Frau, die sich unter anderem auf Social Media gegen die Ungerechtigkeit der politischen Ordnung wehrt. Dafür interessiert sich der Moderator jedoch wenig bis gar nicht. Viel mehr schmeisst er mit Suggestivfragen, Rassismus und Sexismus um sich. So lange, bis zwar nicht wegezappet, aber gepaused wird. Die Gesprächspartner um Yalaz frieren ein und vier Gestalten, die zuerst ihre innere Stimme verkörpern, ehe sie sich in Freund:innen, Schwester und Ex-Freund verwandeln, tauchen auf.
Gemeinsam wird heftig über Wut diskutiert. Wann darf sie raus? Wie darf sie raus? Was rechtfertigt sie? Darf man in der Schweiz überhaupt wütend sein? Und wenn ja, wer? Laut, schnell, hitzig, anstrengend – Zeit zu atmen bleibt kaum. Das Publikum wird mit Yalaz auf eine turbulente Fahrt quer durch die eigene Gefühlswelt geschickt. Bis am Ende die grosse Erlösung kommt: Es ist die explosivste aber zugleich auch die ruhigste Szene des Stücks. Ein Traumszenario für jeden Menschen, der sich traut, wütend zu sein.
«Ich chan es Zundhölzli azünde» läuft noch bis am 4. April im Schauspielhaus Zürich. Tickets gibt’s hier.
01. März 2023