Logo Akutmag
Icon Suche

Die Zürcher Rave-Szene im Bild

Mit einer analogen Kamera gewappnet, stürzt sich Vasil Shterev in das Zürcher Nachtleben und hält dieses für die Ewigkeit fest. Was als kleines Projekt gestartet hat, begeistert mittlerweile viele und könnte auch bald in einem Buch veröffentlicht werden.

Von Maurice Müller

Rave Zürich

Vielleicht hast du ihn schon mal beim Feiern angetroffen. Wenn du oft in Zürich unterwegs bist, und dich hin und wieder abseits des Mainstreams herumtreibst, wäre das durchaus möglich. Nicht selten schnappt sich Vasil seine analoge Kamera und zieht damit durch die Clubs und illegalen Raves der Stadt. So entstand in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Sammlung an Fotos, welche eine Seite von Zürich zeigen, die vielen verborgen bleibt. Eine selektierte Auswahl postet der 32-Jährige regelmässig auf Instagram @thepowershit und gewährt so einen Einblick in eine bisher kaum fotografierte Welt voller Euphorie, Tanzfieber und nackter Haut.

Schaut man sich die Bilder an, kommt den wenigsten als erstes die Stadt Zürich in den Sinn. Was Vasil von seinen Bekannten im Ausland immer wieder hört, ist, dass Zürich doch eine langweilige Stadt sei, in gar nicht so viel los ist – ein Vorurteil, welcher Vasil nicht unterschreiben kann und mit seiner Arbeit gekonnt widerlegt. Nicht selten wird er gefragt, in welcher Stadt die Fotos geschossen werden. Dass es sich dabei tatsächlich um das aufgeräumte Zürich handelt, überrascht dann doch die meisten.

Angefangen hat alles vor drei Jahren, als Vasil in seinem Heimatland Bulgarien die Koffer packte, um für einen Job nach Zürich zu ziehen und dabei beim Ausmisten auf eine alte Analogkamera stiess. Den ersten Film liess er gleich bei seinem Abschiedsfest durch. Seitdem weicht ihm die Kamera nicht mehr von der Seite. Die Stimmungen, welche die Bilder einfangen und die Ästhetik der abgelichteten Menschen, lassen sich laut Vasil nicht mit denen einer digitalen Kamera vergleichen. Fast genauso toll ist es, warten zu müssen, bis die Bilder entwickelt wurden. Nicht alles immer sofort sehen zu können, hat eben seinen ganz eigenen Reiz und macht jedes Bild noch etwas wertvoller. 

I see it as a documentation of people who are free spirited and open-minded. If you are not, you will probably not find any content you can relate to on my feed.

Vasil

Drei Jahre lebt Vasil nun in Zürich und während dieser Zeit hat sich die Party Szene in Vasils Augen stark verändert. Immer mehr Queere- und Sex Positive-Partys scheinen förmlich aus dem Boden zu spriessen. Eine Entwicklung, die Vasil nicht nur gutheisst, sondern ihm auch gelegen kommt, da er die Events selbst mag, und sie ihm einen guten Nährboden für seine Arbeit liefern. Die Leute mögen es, Extremitäten zu sehen. Bilder mit nackten Körpern, Menschen zwischen den Geschlechtern und mit ausgefallenen Kleidern lösen in vielen eine Faszination aus, was sich in den Likes und Kommentaren widerspiegelt. Sein Ziel ist es nicht zu provozieren, sondern viel mehr die Entwicklung der Szene zu dokumentieren und eine Normalität aufzuzeigen, welche als solche angesehen werden sollte. 

Let’s face it – we all are different individuals, and this is the normality we live in. We must celebrate our differences, have fun and just enjoy living. There is so much to learn from one another. Imagine we were all the same – it would be such a fucking boring life to live. And I certainly don’t want to have a boring life – that’s lame and it’s a waste of a lifetime.

Vasil

Gerade in der Schweiz ist ein solches Projekt kein einfaches Unterfangen, denn ungefragt Menschen zu fotografieren ist nicht gerne gesehen – speziell in Clubs. Der Überraschungsmoment ist aber zwingend notwendig, um die Stimmung richtig festhalten zu können. Wie spricht man Menschen richtig an, um um Erlaubnis zu fragen und gleichzeitig zu verhindern, dass sie sich für das Bild in Szene setzen? Ein kurzer Augenkontakt vor dem Abdrücken reicht Vasil, um abzuschätzen, ob das Gegenüber mit dem Foto einverstanden ist. Just genug Zeit um sich dagegen zu wehren, aber nicht genug um zu posieren. Seine Einschätzung hat ihn bis jetzt fast nie im Stich gelassen. Lediglich zwei ernsthafte Diskussionen musste er in den letzten drei Jahren wegen unerlaubten Fotografierens führen. Schlussendlich sollen Schnappschüsse entstehen von Menschen, die Spass haben und sich unbeobachtet fühlen. Jemanden zu entblössen oder zur Schau zu stellen war und ist nie Vasils Absicht.

I don’t see myself as a photographer or an artist. But it is not about that. It is simply a project with which I want to show a different side of the city.

Vasil

Wer zum Motiv wird, bestimmt Vasil immer aus dem Moment heraus, egal ob es eine wild tanzende Person auf der Tanzfläche oder zwei ineinander umschlungene und sich küssende Menschen auf der Toilette sind. Was der Abend bringt und welche Fotos entstehen werden, ist immer wieder aufs Neue eine Überraschung.

Instagram spielt für sein Projekt eine wichtige Rolle. Die Plattform bildet für ihn eine Art Portfolio und einen Ausstellungsraum zugleich. Die besten Schnappschüsse landen früher oder später auf seinem Kanal. Wie viele Fotos er bis jetzt bereits geschossen hat, kann er nicht genau sagen, aber eines ist klar: Dieses Projekt geht ins Geld. Um Geld zu sparen, lässt er seine Bilder fast nie drucken, sondern lässt die Filme lediglich entwickeln und scannen. Nur wenige seiner Bilder haben es bisher in den Druck geschafft – etwa für die «Photo Schweiz», an welcher er 2020 eine Auswahl präsentieren durfte und 2021 in der Publikation «Homebody» von «zürich moves!». Die besten Fotos sollen es nun aber in ein gedrucktes, erwerbliches Buch schaffen. Auf der Suche nach dem passenden Verlag ist Vasil bereits. Bis es soweit ist, verfolgt ihr seine Arbeit am besten auf Instagram.

03. Juni 2022

Support us!

Damit wir noch besser werden