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Die Performance «T-Boy on Grindr» – eine Selbstoffenbarung zwischen Stärke und Verletzlichkeit

Ein Bühnenauftritt, der Liebe, Sichtbarkeit und Identität erforscht. Eine Review zur bewegenden Reise eines jungen Transmanns in «T-Boy on Grindr».

Von Joshua Amissah

Die Performance «T-Boy on Grindr» von Darsteller João d’Orey und Regisseurin Malaya Stern Takeda, uraufgeführt im zeitgenössischen Berliner Sprechtheater «Theater unterm Dach», wird durch eine zentrale Passage geprägt:

«Or when we sit in a bar,
and you say I’m the most gorgeous boy in the room
but five minutes later you leave me
because
you have to go on a Grindr date
because
you really
need to have sex right now
and I find myself
in the Uber crying.»

Diese hybride Performance vereint Textcollagen, Musik und Bewegung und erzählt die turbulente Reise eines homosexuellen jugendlichen Transjungen auf der Suche nach Liebe, Sichtbarkeit und «Bromance». T-Boy, ein junger Transmann, lebt im pulsierenden Berlin und wird als neugierig, vermeintlich stark und zugleich naiv dargestellt, was seine Reise der Selbstfindung und Liebe umso bewegender macht. Das Gefühl, immer zu wenig oder zu viel zu sein, durchzieht die gesamte Performance.

Die Suche nach Liebe und Akzeptanz in einer digitalen Welt

Die Anfangsszene gewährt einen tiefen Einblick in die Abgründe der Gay-Community, indem sie Online-Konversationen mit schwulen Männern über den Lautsprecher präsentiert. Diese Gespräche, die zwischen Faszination, Anziehung und Abstossung schwanken, vermitteln das Gefühl, dass etwas fehlt und bestimmten Erwartungshaltungen nicht entsprochen wird. Das Publikum wird Zeuge eines verletzten Geistes, der sich nach einfacher Sichtbarkeit sehnt.

Verschiedene Stilmittel, darunter ein wiederholter Song über die Besessenheit von Liebe, werden geschickt eingesetzt, um Emotionen zu vertiefen. Musikalische Intermezzi, in Zusammenarbeit mit Ralph Heidel, spiegeln die emotionalen Achterbahnen wider, die in T-Boy’s Innerem toben. Die Performance jongliert geschickt mit Elementen von Komödie, Ernsthaftigkeit, Drama und Selbstironie und bricht regelmäßig die vierte Wand, um eine unmittelbare emotionale Verbindung zum Publikum herzustellen.

Doppelmoral und gesellschaftliche Erwartungen

Mitten in der Performance steht plötzlich ein Beamter mit Brille vor dem Publikum und erklärt, dass es aus amtlicher Sicht keine Gründe gibt, die Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation zu genehmigen. Dabei verstrickt er sich in widersprüchlichen Floskeln und zeigt eine gewisse Doppelmoral. 

«T-BOY on Grindr» regt auch dazu an, über die Natur des Begehrens nachzudenken und ermutigt das Publikum, über physische Merkmale, Sexualität und Geschlecht hinauszudenken. Es erinnert gleichsam an das US-amerikanische Off-Broadway-Rock-Musical «Hedwig and the Angry Inch» aus dem Jahr 1998, das die Ansichten über Sex und Gender infrage stellte und darüber hinaus vor allem eine introspektive Reise zur Liebe präsentierte.

Eine transformative Darstellung von Selbstoffenbarung und Identität

Die Performance zeugt von einer beeindruckenden Fluidität; spätestens im Moment als sich T-Boy vom Vorstadtjungen im weissen Tank-Top und polierten Sneakers in ein erotisiertes Alter-Ego in High Heels verwandelt. Diese Transformation markiert den hinausgezögerten Höhepunkt der Aufführung und sorgt für ein spektakuläres Finale. Insgesamt verbindet «T-Boy on Grindr» auf eindrucksvolle Weise Gesang, Sprechtheater, Tanz, Poesie und subkulturelle Referenzen. Es verknüpft gekonnt die sexualisierten Erfahrungen des ersehnten Darkrooms im digitalen Raum mit romantischen Sehnsüchten nach Zuneigung und Liebe. Eine eindrucksvolle Darstellung von Selbstoffenbarung und dem feinen Grat zwischen Stärke und Verletzlichkeit, gewürzt mit einer Prise Selbstironie.

Mit: João d’Orey
Regie: Malaya Stern Takeda
Musik: Ralph Heidel, Clara Pazzini and João d‘Orey
Text: von João d’Orey and Malaya Stern Takeda
Eine Produktion in Englischer Sprache ohne Übertitel. 

Mehr Informationen: https://theateruntermdach-berlin.de 

04. September 2023

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