Logo Akutmag
Icon Suche

To watch or not to watch – die Fussball Weltmeisterschaft 2022

Gemeinsames Mitfiebern, wenn die Besten der Welt zu einem der wichtigsten Turniere antreten. Verbündung von Gleichgesinnten, Bier und ausgelassene Stimmung. All das verspricht die Fussballweltmeisterschaft normalerweise. Doch dieses Jahr scheint alles anders zu sein. Dürfen wir die Weltmeisterschaft überhaupt noch schauen?

Von Sina Schmid

Noa Dibbasey beschrieb die Frage in ihrer neuen Kolumne als «die Gretchen Frage der letzten Tage»: To watch or not to watch? Der Wirbel um die WM ist immer gross, jüngst schlagen jedoch andere Themen im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft Wellen. Menschenrechtsverletzungen während Stadionbauarbeiten, Homophobie im Gastgeberland, fragwürdige Machenschaften der FIFA.

Wie soll Fussball im Angesicht all dieser Tatsachen im Vordergrund stehen? Und darf er das? 

Der FIFA-Präsident Gianni Infantino findet dafür klare Worte; er wirft der westlichen Welt Heuchlerei vor. 

In einem PR-Stunt richtete sich Infantino, der seit 2016 als Nachfolger von Sepp Blatter im Amt ist, an die Kritiker:innen: «Was wir Europäer in den letzten 3000 Jahren auf der ganzen Welt gemacht haben, dafür sollten wir uns die nächsten 3000 Jahre lang entschuldigen, bevor wir irgendwelche Moral-Lektionen geben sollten. Das heisst nicht, dass wir keine Kritik äussern dürfen, auch in Qatar. Natürlich gibt es Dinge, die nicht funktionieren, und die angesprochen werden müssen. Aber diese einseitigen Moral-Lektionen sind Heuchlerei.»

Seine Aussage hat natürlich etwas Wahres: Europäer:innen, die sich seit jeher anmassen zu kritisieren, wo sie sich genauso an der eigenen Nase nehmen sollten. Leider tut dies nichts zur aktuellen Sache. Nur weil wir überall etwas zu verbessern haben, sollten wir die aktuelle Situation nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Nicht nur der Menschen in Qatar wegen, sondern auch weil sie aufzeigt, wie ignorant wir alle doch eigentlich sind. Denn der eigene Spass darf ja nicht leiden, egal wo. Und das betrifft natürlich nicht nur die WM, sie ist einfach (wortwörtlich) sehr anschaulich. Beispielsweise haben nicht die oben genannten Vorwürfe das Fass zum Überlaufen gebracht, nein, es war das kurzfristig angekündigte Alkoholverbot in den Stadien, welches die Massen zur wohl grössten Kritik am Gastgeberland getrieben hat.

Gunter Gebauer, Sportphilosoph, thematisierte die Frage letztens im «Echo der Zeit» vom SRF. Er selbst sagt, er würde kein moralisches Verbot über die Fussball WM hängen, das soll jeder für sich selbst entscheiden. Er kenne viele, die nicht mehr schauen mögen. Zudem ratet er zu anderen Massnahmen: Beispielsweise dem Boykott von Organisationen und Personen, die ihr Geld dort investiert haben, sowohl als auch finanziellen Unterstützenden der FIFA, dies wurde auch von Amnesty so geraten. 

Doch geht diese Rechnung auf? 

Die grösste Einnahmequelle der FIFA sind eben genau die Fernsehrechte, welche sie verkaufen. 264 Milliarden Dollar. Die Sponsoring Einnahmen belaufen sich auf «nur» 153 Milliarden Dollar. Das heisst, dass das Nicht-Schauen trotzdem einen riesigen Unterschied machen würde. Jedoch nur, wenn sich viele dafür entscheiden würden. 

Und hier kommen die Massen ins Spiel, denn nur wenn sich sehr viele Menschen dafür entscheiden, eben nicht zu schauen, nicht bei Sponsoren einzukaufen beziehungsweise diese zu meiden, wird ein Zeichen gesetzt. Denn Geld ist Macht und Kritik allein reicht nicht. Doch, wie immer soll, muss und darf jede:r selbst entscheiden, was man für richtig hält.

20. November 2022

Support us!

Damit wir noch besser werden