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Die Armee und Inklusion

Frauen in der Armee, ein Thema so oft besprochen. Es hängt mir als Frau in der Armee fast zu den Ohren raus. Aber eben nur fast: Denn in der Schweiz scheint einiges nicht zu funktionieren. Besonders im Vergleich zu anderen Nationen hinkt die Schweiz nicht nur hinterher: Sie wirkt, stehen geblieben zu sein. Doch was machen andere besser als wir, und noch viel wichtiger: Was machen wir falsch?

Von Sina Schmid

Erst seit knapp 31 Jahren, 1993, sind Frauen und Männer in der Schweizer Armee gemischt und dürfen gemeinsam die Rekrutenschule besuchen. Das heisst, dass ein Teil der alten Garde der Führungsebene entweder eine RS ohne Frauen erleben musste, oder vielleicht einige der ersten waren, die gemeinsam mit Frauen im TAZ gedient haben. So lange ist das nicht wirklich her. Zum Vergleich: Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) wurde zwei Jahre zuvor bereits aufgelöst.

Es zeigt sich: Frauen hatten lange keinen Platz in der Armee, und wenn doch, dann sollten sie sich in bestimmten Parametern bewegen. Das ist jetzt anders. Frauen dürfen alle Funktionen gleich wie ihre männlichen Pendants ausüben, sollte ihre physische Verfassung den Anforderungen entsprechen. Und trotzdem haben wir in der Schweiz nur knapp 2% Frauen in der Armee, wo es in Ungarn beispielsweise rund 20% sind.

In Schweden und Norwegen gilt die Wehrpflicht für Männer und Frauen gleichermassen. Das Schwedische Modell ist anders als bei uns: Es werden jährlich nur so viele Personen ausgebildet, wie es für den Kriegsfall auch nötig wäre. Auserwählt werden die Besten aller Dienstpflichtigen des jeweiligen Jahrgangs, Männer wie auch Frauen.

Auch in Norwegen gelten Frauen gleichermassen als dienstpflichtig. Und nicht nur das: Schlafzimmer sind gemischt. Auf Wunsch der Frauen könnten sie auch separate Zimmer haben, doch das wollen sie nicht: Der Fokus auf das Geschlecht verschwindet automatisch, wenn weniger unterschieden wird. Auch die sexuellen Übergriffe haben abgenommen, der Teamgeist wurde gestärkt und sexistische Äusserungen fielen weniger.

In Schweden werden dieselben Duschen genutzt. Auch dort wird nicht zwischen Männlein und Weiblein unterschieden. In der Schweiz wäre das unvorstellbar. Nur schon die Sanitätsausbildung in der allgemeinen Grundausbildung der Rekrutenschule wird hierzulande meistens nicht an Kameraden des anderen Geschlechts geübt, ausser es kann wirklich gar nicht verhindert werden. Das ist dann perfekt eingeübt für den Ernstfall, wo zuerst ein Kamerade oder eine Kameradin des gleichen Geschlechts gefunden werden muss, bevor Nothilfe geleistet werden kann. Oder so.

In vielen Kasernen der Schweiz wird schriftlich sowie verbal klar unter AdA (Angehöriger der Armee) und wAdA (weibliche Angehörige der Armee) unterschieden. Das ist nicht nur grammatisch absolut unnötig und gar blöd (AdA = AdA, es fällt ja nur das «r» weg), sondern bedient weiterhin die Vorstellung, dass Männer und Frauen in der Armee eben nicht gleich sind.

Beim Militärarzt werden Frauen in der Schweiz übrigens nur in Anwesenheit einer anderen Frau untersucht. Das heisst, sexuelle Übergriffe in der Schweizer Armee können nur dann verhindert werden, wenn Aufsicht da ist? Die Thematik der sexistischen Sprüche bezüglich Quotenfrauen und Co. lasse ich jetzt mal für diesen Artikel so sein. Die Schweizer Armee soll die Gesellschaft widerspiegeln. 

Aber was sagt es über die Schweiz aus, wenn das Zusammendienen und ferner Zusammenleben so kompliziert ist? Kleiner Hinweis: Nichts Gutes. Doch was machen andere Länder besser? Ein Faktor wird gewiss die Gleichstellung in der Gesellschaft sein. 

In Schweden und Norwegen wird Gleichstellung nicht nur besprochen, sondern gelebt. Das zeigt sich bereits bei der Familienplanung, bei der Flexibilität und der Gewilltheit, günstige Bedingungen für alle zu schaffen, und endet in der Armee, wo auf verschiedene Bedürfnisse verschieden eingegangen wird.

Ferner werden Frauen sowie Männer gleichermassen beigezogen, wenn es um Anpassungen und Lösungen bei Fragen der Gleichstellung geht. In der Schweiz wird das meistens von Männern (Führungsebene der Armee besteht zu 99% aus Männern) und oft falsch entschieden. Logische Fehlschlüsse führen zu weniger Inklusion und mehr Problemen.

Die UNO-Sicherheitsratsresolution 1325 bespricht Women, Peace and Security. Diese definiert vier Säulen ihrer Agenda. Zum einen Participation, Protection, Prevention sowie Relief and Recovery heissen übersetzt: Teilnahme, Schutz, Prävention sowie Hilfe und Erholung beziehungsweise Wiederaufbau.

Fokussieren wir uns auf die ersten drei, so hat die Schweiz potenziell en masse. Entscheidungen, welche Frauen in der Armee betreffen, werden selten bis nie von Frauen getroffen. Das wirkt sich automatisch auf die weiteren Säulen aus. Die meisten Frauen in der Armee wollen keine Sonderbehandlung, aber dennoch eine Gute.

Die Schweizer Armee hat bei der Inklusion das Wort missverstanden. Frauen in den eigenen Reihen gilt es nicht nur zu tolerieren. Bei der Inklusion geht es nicht darum, eine Quote zu erreichen. Es geht darum, die Chancengleichheit zu etablieren und Frauen bei der Entscheidungsfindung beizuziehen. Die Inklusion in der Schweizer Armee muss noch einmal überdacht werden. Was ist unser Ziel? Sind es die 10% bis 2030 oder ist es die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Verhinderung von Diskriminierung in Grün? Weiter muss weniger über die Inklusion gesprochen und diese muss mehr gelebt werden.

23. April 2024

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