Der US-amerikanische Komiker Jim Norton zum Beispiel meint, dass ein Thema für sich allein überhaupt nicht lustig sein muss, damit auf der Bühne darüber gesprochen und im Publikum darüber gelacht werden darf. Das ist eben Comedy. Und trotzdem kommen immer wieder Menschen auf ihn zu, die seine Suizid-Witze grenzüberschreitend finden. Als müsste er darüber belehrt werden, dass Suizid alles andere als lustig ist. Selbstverständlich weiss er das. Er weiss auch, dass seine Zuschauer die Show nicht verlassen werden mit der Einstellung: «Ah, ich wusste gar nicht, dass Suizid so unfassbar komisch ist. Ich kann gar nicht aufhören zu lachen beim Gedanken daran, wie viele Leben es bereits zerstört hat.» Deshalb reagiert er auf die Empörung mancher erst recht mit Witz. Denn eine Welt, in der Suizid existiert, aber kein Humor, wäre schliesslich noch sehr viel dunkler. Humor kennt keine Grenzen und deshalb schliesst Comedy auch keine Themen aus. Jede:r hat schliesslich noch die Wahl, ob er oder sie zuhört, sich aufregt oder eben lacht. Letzteres ist nicht nur die klügere Wahl, sondern auch in den meisten Fällen die beste Medizin.
So thematisierte der deutsche Komiker, Kabarettist und Schriftsteller Torsten Sträter bei seinem Auftritt im Ersten «Die 8 am wenigsten hilfreichen Phrasen bei einer Depression». Auch er antwortet mit Humor auf die nicht bösgemeinte Unbeholfenheit von Verwandten und Freund:innen, die er selbst während seiner Depression erlebte und spricht damit unzähligen Menschen aus der Seele. Sein persönlicher Favorit – Satz Nummer drei – lautet: «Das ist doch alles nur Kopfsache.» Sein Kommentar dazu: «Was, echt? Und ich hab mir jetzt zum vierten Mal die Füsse röntgen lassen», lässt das Publikum schmunzeln. Oder mein Favorit – Satz vier – mit seinem Kommentar: «Also ich kann das ja nicht, den ganzen Tag im Bett liegen. Die Antwort darauf kann nur lauten: Na, du musst dich schon bemühen! Fang erstmal mit einem Oberschenkelhalsbruch an, Depressionen sind etwas für Fortgeschrittene.» Diese wichtigen Botschaften der Ernsthaftigkeit sind ebenfalls in Witz und Ironie verpackt und führen die Menschen behutsam an den richtigen Umgang mit solchen Situationen.
Auch Taylor Tomlinson, eine junge Komikerin aus den USA, nimmt ihre persönlichen Mental Health Struggles mit auf die Bühne. Das ist schliesslich Material, womit sich viele Fans identifizieren können. In ihren zwei Netflix Specials nimmt sie kein Blatt vor den Mund, wenn es um ihre Bipolare Störung, Panikattacken oder Depressionen geht. Mit ihrer lebendigen Art zeigt sie in diesem Ausschnitt auf sehr bildhafte und lustige Weise, wie schambehaftet solche Diagnosen oft noch sind. Egal ob in der Gesellschaft oder innerhalb der eigenen Familie.
«The only mental health advice my dad ever gave me was when I was having panic attacks. I didn’t know what they were, and I was like «I don’t know what to do when I feel like this. I don’t know what to do. I don’t know what to do.» And he goes: «All right. All I can tell you is that when you feel like this, get as far away from the people you care about as possible. Until you feel different.» – Which is advice you give a werewolf, like: Just run into the woods ‘till you’re not a monster anymore. Don’t let them see you change! They won’t accept you for what you truly are.»
Comedy kann etwas, was andere Formen der Kommunikation nicht können; viele Menschen gleichzeitig aufklären, sie das Hier und Jetzt geniessen lassen und sie zum Lachen bringen. Dass das in gewisser Weise therapeutisch wirkt, ist ein willkommener Nebeneffekt. Dabei therapieren sich die Comedians häufig noch selbst, verarbeiten ihre eigenen Themen und zeigen, dass auch an den beschissensten Situationen etwas Lustiges zu finden ist. So wird der Negativität, Traurigkeit, Erschöpfung und Angst die Kraft genommen, zumindest für eine Weile. Diese ehrliche Form von Selbstdarstellung durch Comedians ist für die Mental Health Awareness wertvoll.
Auch mein Lieblingscomedian und Multitalent Teddy Teclebrhan ist der Meinung, dass Humor heilen kann. Im Interview mit André Bosse sagt er: «Man kann Probleme nicht weglachen, aber man kann sie mithilfe des Lachens verarbeiten. Humor bietet die Chance eines Perspektivwechsels: Schauen wir uns den Mist doch mal aus einem anderen Blickwinkel an, mit einer gewissen Leichtigkeit. Nach dem Motto, schweres Thema, leichter Zugang. […] Für mich hat das Lachen etwas mit Heilung zu tun. Es hilft dabei, bestimmte Phasen im Leben zu bestehen, Themen zu bewältigen: Man geht tief rein, empfindet Schmerz – und das Lachen hilft, das zu verarbeiten und da wieder rauszukommen. Um das Klischee umzudrehen: Es kann sogar krank machen, nicht zu lachen. Nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Klar, das hängt eh zusammen. Aber ich glaube, auch der Körper braucht das Lachen, als rein physischen Akt.»
Wer jedoch das Aufeinandertreffen von Comedy und Mental Health als unkomfortabel empfindet, sich aber dennoch verstanden fühlen oder Betroffene besser verstehen möchte, der oder die kann sich diese Folge Chez Krömer anschauen. Hier reden Kurt Krömer und Torsten Sträter – zwei gestandene Männer und Comedians – ganz offen über ihre schlimmsten Phasen. Das Gespräch der beiden ist unfassbar berührend!
Die Botschaften all dieser und vieler anderer Comedians sind auf jeden Fall klar: Es ist gut, Hilfe anzunehmen. Es ist wichtig darüber zu reden. Und ja, es darf auch darüber gelacht werden!
19. Oktober 2022