Goldschmuck ist zur Zeit angesagter denn je. Die zeitlosen Halsketten und Hoops sind bei vielen hoch im Kurs. Kein Wunder also, dass Schmucklabels regelrecht aus dem Boden spriessen. Wer sich behängen will, merkt allerdings schnell, dass schon wenige Stücke eine grosse finanzielle Investition mit sich bringen. Alternativ weicht man auf günstigen Modeschmuck aus, wo dann aber die Qualität merklich leidet.
Mit ihrem Label «les solides» will Anna diese Lücke füllen und Schmuck von hoher Qualität herstellen, der dennoch in einem erschwinglichen Rahmen liegt. Die Stücke sollen unabhängig von saisonalen Trends funktionieren, genderfluid sein und dank der hochwertigen Vergoldung lange schön bleiben. Seit 2017 produziert sie deshalb Schmuck auf der indonesischen Insel Bali, wobei sie das traditionelle Handwerk bewahrt und nachhaltige sowie persönliche Beziehungen zu ihren Produzent:innen pflegt. Wieso gerade Bali die Produktionsstätte beherbergt und wie sie schliesslich dazu kam, eigenen Schmuck herzustellen, hat sie uns bei einem Kaffee erzählt.
Erstmals nach Bali verschlug es die Bernerin nach ihrer Matura gemeinsam mit ihren Eltern. Der kurze Familienurlaub war ihr nicht genug, weshalb sie die Ferien ein wenig verlängerte, um alleine auf der Insel zu verweilen. In dieser ersten fruchtbaren Zeit knüpfte Anna viele Freundschaften mit Einheimischen und lernte erstmals die balinesische Kultur abseits der Touristenströme kennen, bevor auch sie zurück in die Schweiz flog.
Anstatt in Zürich zu arbeiten, um sich eine weitere Reise in das Paradies leisten zu können, stieg sie wenig später wieder in den Flieger und füllte ihre Reisekasse direkt vor Ort auf. Mit kleinen Grafik-Jobs und Interior Design-Aufträgen für Hotels und Kaffees hielt sie sich über Wasser und verbrachte erneut einige Monate auf der Insel. Diese Art von Work-Life Balance liess Anna nicht los, weshalb sie ab diesem Augenblick beschloss, jedes Jahr für wenigstens ein paar Monate nach Indonesien zu fliegen.
Nach zwei Jahren im Studium Trends&Identity an der Zürcher Hochschule der Künste wäre eigentlich ein Austauschsemester geplant gewesen. Doch statt nach Rio zu ziehen, entschloss sich Anna dazu, nach Bali zurückzukehren und eine Weile zu bleiben, bevor sie das letzte Jahr des Bachelors antrat. Zwei ganze Jahre verbrachte sie auf der Insel und startete vor Ort mehrere Projekte, um über die Runden zu kommen. So mietete sie etwa vor Ort eine Villa für ein ganzes Jahr und baute dafür eigens Möbel und Einrichtungsgegenstände mit lokalen Produzent:innen. Während durch die Untervermietung einiger Zimmer ein regelmässiges Einkommen in die Kasse floss, begann sie, die Möbel für lokale Hotels und Kaffees herzustellen. Da Möbel aber nicht einfach in die Schweiz zu bringen sind, beschloss Anna, ein etwas handlicheres Produkt zu kreieren und startete ihr eigenes Label «les solides» mit einer kleinen Kollektion hochwertiger Ledertaschen. Als ihre Mutter in Bern auf der Strasse immer wieder auf die Taschen angesprochen wurde, startete Anna die Produktion und verkaufte die ersten Taschen in der Schweiz.
Durch die vielen entstandenen Kontakte auf Bali lernte Anna unter anderem auch ein Familienunternehmen kennen, welches auf die Verarbeitung von Edelmetallen spezialisiert ist. Fasziniert von der handwerklichen Kunst der Handwerker:innen erarbeitete sie mithilfe von Wachsmodellen ihre ersten Entwürfe, um anschliessend einige wenige Stücke herzustellen. Die ersten zehn Designs testete sie wenig später an einem Weihnachtsmarkt in der Schweiz. Der Erfolg war weitaus grösser als sie es sich hätte vorstellen können, weshalb sie beschloss, ihr Schmucksortiment neben den Taschen und Accessoires weiter auszubauen. Mittlerweile arbeiten 22 Handwerker:innen in Bali für «les solides» und produzieren Monat für Monat neue und alt bewährte Designs.
So sehr Anna die Lebensweise und die Herzlichkeit der Menschen auf Bali auch schätzte, musste sie sich zuerst an die Arbeitsmoral der Arbeiter:innen gewöhnen. Man darf nicht vergessen, dass Bali ein Drittweltland ist und dass man sich auf Termine und Abmachungen nicht ganz so gut verlassen kann. Die Handwerker:innen arbeiten oft nur so lange, bis sie genug Geld zum Leben verdient haben, was oft bereits Mitte Monat der Fall ist. Ein durchaus spannendes Lebensmodell, aber für eine erfolgreiche Zusammenarbeit eher schwierig. Immer wieder sind ihre Arbeiter:innen nicht erreichbar und arbeiten teilweise zwei bis drei Wochen gar nicht, aufgrund von lokalen Zeremonien. Herausforderungen wie diese gibt es in der Schweiz kaum, doch Anna hat mit den Jahren gelernt, damit umzugehen. «les solides» steht schliesslich für zeitlose, qualitativ hochwertige Produkte, die Zeit brauchen. Anna versteht ihr Label als Gegenpol zum Massenkonsum und der Schnelllebigkeit. Wenn die Produktion dann etwas länger braucht als gedacht, dann ist es eben so.
Vor vier Jahren hat Anna die Vergoldung in die Schweiz verlegt, da das Gold hier das Fairtrade-Siegel hat und von besserer Qualität ist. Die Produktion komplett nach Europa zu holen, kommt für sie allerdings nicht in Frage. Der finanzielle Aspekt spielt dabei eine grössere Rolle: Der Schmuck von «les solides» soll weiterhin für eine breite Kundschaft erschwinglich bleiben. Viel wichtiger aber ist die gegenseitige Wertschätzung zwischen ihr und den lokalen Produzent:innen und das gute, über Generationen weiterentwickelte Handwerk. Das Label haben sie gemeinsam über die Jahre aufgebaut und das möchte sie auf keinen Fall aufgeben.
Trotz der vielen Herausforderungen und der weltweiten Schwierigkeiten der letzten Jahre wächst die Kollektion von «les solides» Jahr für Jahr. Wenn es um Ziele für die Zukunft geht, zeigt sich Anna aber durchaus bescheiden. Ihr Label soll keinesfalls ins unendliche wachsen. Viel wichtiger ist es für sie, genug Umsatz zu generieren, um sich und mindestens einer weiteren Person einen für die Schweiz angemessenen Lohn zahlen zu können. Gerade während der letzten beiden Jahre musste die in Zürich wohnhafte Kreativschaffende viel Zeit in Bürokratie und Buchhaltung investieren. Dass ihr diese Bereiche des Geschäfts nicht liegen, wusste sie schon lange, bevor sie sich damit auseinandersetzen musste. Das grosse Ziel für die Zukunft ist es, sich wieder vermehrt auf den kreativen Teil des Geschäfts fokussieren zu können und neue Events und Kollaborationen zu entwickeln. So sollen andere Künstler:inne und Designer:innen eine Plattform finden, wo neue Ideen entstehen können. Nächstes Jahr hat sie ebenfalls vor, ihr Geschäft auch in anderen Städten mithilfe von Pop-Up Stores bekannt zu machen und vielleicht sogar eine Swiss Made-Collection zu entwickeln. Eine Herzensangelegenheit von ihr ist es ausserdem in Bali eine Ausbildungsstätte gründen zu können und der Insel so etwas zurückzugeben. Bis es soweit ist, wird Anna bestimmt immer wieder aufs neue mit Herausforderungen konfrontiert werden und daraus vieles für die Zukunft lernen. Eines ist aber sicher; Bali wird für Anna immer eine zweite Heimat sein.
Anna und «les solides» findet ihr auf Instagram (@lessolides) und auf der Website. (lessolides.com/products)
20. Oktober 2022