Erzähl mir mehr über die Entstehung von «Pipaton» und die Idee dahinter.
Amelia: Mich hat Fashion schon immer sehr interessiert. Handtaschen aber nicht besonders, das Interesse dafür kam erst vor ein paar Jahren auf. Seit 2016 lebe ich vegan und war dementsprechend auf der Suche nach einer veganen Handtasche, doch der Markt dafür ist eher limitiert. Ich wünschte mir eine elegante High-End Tasche, in einer Qualität, die hält was sie verspricht. Das Design sollte bold und modern sein. Ich hatte enorm Mühe, anhand meiner Kriterien eine geeignete Handtasche zu finden und kam dann zum Entschluss, dass es auch anderen Menschen so ergehen muss. Ich ergriff die Chance und startete mein eigenes Label «Pipaton», das sich auf vegane Handtaschen spezialisiert, die von allen getragen werden können.
Wusstest du denn, wie man Handtaschen macht?
Nein, ich musste ganz von vorne anfangen, denn bisher hatte ich mit dem Designen, Produzieren und Verkaufen von Handtaschen so gar keine Erfahrung. Mir war wichtig, eine/n Produzent:in zu finden, die/der erfahren in der Handarbeit von Taschen ist und, dass unsere Bags in Italien gefertigt werden. Wir hatten Glück einen Familienbetrieb zu finden, der sich bereit erklärte mit uns zusammenzuarbeiten. Wir haben einige Wochen mit den Produzent:innen verbracht und zusammen entschieden, wohin sich alles entwickeln soll. Erst durch den ganzen Prozess habe ich erkannt, welche Designs ich wirklich realisieren will. Mein Interesse an Fashion, Kunst und Kultur hat mich bisher sehr geprägt und das versuche ich auch in meinen Taschendesigns widerzuspiegeln. Von der Idee bis zum ersten materiellen Kontakt hat es ungefähr ein Jahr gedauert.
Wieso war es wichtig für dich, «Pipaton» zu gründen?
Als wir das Branding und die Kampagnen-Ideen sammelten, habe ich gemerkt, wie viele Brands ihre Produkte noch nach Geschlechtern kategorisieren. Es steht mir nicht zu, zu entscheiden wer was tragen soll und wer nicht, sondern nur wie es produziert wird und wie das Endprodukt aussieht. Es liegt an den Menschen wie und wo sie unsere Produkte tragen. Diesen Ansatz wollte ich in unserem Brand und dann auch im Kampagnen-Shoot repräsentieren. Verschiedene Menschen und Geschlechter, die unsere Bags tragen. «Pipaton» ist genderfluid, das heisst ich werde nicht entscheiden wer das Endprodukt trägt.
Genderfluidität wird immer noch zu selten angesprochen, vor allem in der Fashionbranche. Verschiedene Brands versuchen es zwar zwischendurch einzubinden, aber setzen es dann nie vollständig und auf lange Sicht um. Wir als Brand wollen den Fokus genau darauf setzen und uns auch durch die Nachhaltigkeit auszeichnen.
Wie habt ihr euch für das passende Material entschieden?
Wir haben uns durch unzählige Materialien gearbeitet, um uns schlussendlich für Polyethylen zu entscheiden. Vegane Lederalternativen gibt es einige, doch nicht alle erfüllten den luxuriösen Standard, den wir uns wünschten. Apfel- und Traubenleder haben sich für unseren Geschmack zum Beispiel zu sehr nach Plastik angefühlt – wir waren auf der Suche nach einer weicheren Alternative. Polyethylen hat sich richtig für uns angefühlt, denn dieses verbraucht zur Produktion viel weniger Ressourcen und ist nachhaltiger. Wir waren und sind immer auf der Suche nach verfügbaren Materialien, die sich luxuriös anfühlen und dennoch eco-friendly sind. «Pipaton» soll Luxus und Nachhaltigkeit zusammenbringen.
Was steckt hinter der «N° 93»-Tasche und ihrem speziellen Design?
Unsere «N° 93»-Tasche ist von afrikanischen Masken inspiriert. Wir wollten grosse Ohren an den Bags, die rausstechen, aber dennoch funktional sind. Für diese Tasche haben wir uns durch drei Samples gearbeitet, um uns am Schluss für das finale Design zu entscheiden.
Die Stickereien waren auch sehr wichtig, denn durch sie bekam die Tasche eine Muschelform, die ihr eine gewisse Sanftheit verleiht. Wichtig war auch hier, die Stickereien bei einem Profi machen zu lassen. Wir haben eine super Stickerei gefunden, die auch die Details von Chanel Taschen sticken.
Die Metalldetails sind alle mit 18k Gold vergoldet, denn wir wollten auf keinen Fall, dass sich das Metall verfärbt oder oxidiert. Jedes einzelne Metallstück wurde zudem an die Tasche und ihre Bedürfnisse angepasst. Es braucht alles sehr viel Geduld – aber gut Ding will Weile haben.
Auf jeden Fall! Ihr verwendet dieselben Stickereien wie Chanel. Wie kam es dazu?
Wir haben uns durch etliche Produzenten gearbeitet und gemerkt, dass viele nicht gewillt sind, mit kleinen Brands zu arbeiten. Es war einer der längsten und anstrengendsten Prozesse des Aufbaus. Doch nur weil etwas nicht auf anhin funktionieren will, heisst das nicht, dass es das nie wird. Wir haben einfach immer weiter und weiter probiert, bis wir dann erfolgreich waren.
Auch das Team, das für unsere Taschengurte zuständig ist, hat sich als Glücksgriff entpuppt. Sie produzieren unter anderem Taschengurte für Balenciaga, Fendi und Gucci. Beim ersten Besuch war ich mega fasziniert: Maschine für Maschine, die nur Taschengurte produzieren. Wir wurden vom Besitzer einen Tag lang durch die ganze Fabrik geführt. Bei einer Maschine machten wir dann Halt und er erwähnte, dass sie hier eine Millionen von Meter Gurt für Gucci produzieren. Er war mega glücklich mit einem kleinen Brand zusammenzuarbeiten, was, wie wir gemerkt haben, nicht selbstverständlich ist. Seither haben wir sehr viel von ihm gelernt und erhalten auch immer wieder wertvolle Inputs.
Am Ende des Tages geht es um die Menschen. Die Menschen, die die Taschen produzieren. Das sollte es sein, worauf man bei der Auswahl von Produzent:innen achtet. Es ist wichtig, Zeit mit ihnen zu verbringen, die Energien von einander zu spüren und sich auszutauschen. Man sollte auf derselben Wellenlänge sein, sonst wird die Zusammenarbeit sehr anstrengend. «Wenn es jemand schaffen wird, dann ihr», hat uns der Produzent am ersten Tag gesagt. Das hat uns natürlich nur noch mehr gepusht und motiviert.
Worauf dürfen wir uns in der Zukunft freuen?
Wir werden bald kleinere Leder-Accessoires anbieten und unsere Farbpalette womöglich erweitern. Bisher bieten wir alles noch exklusiv online an, doch in in Zukunft möchten wir auch in Stores vertreten sein. Es ist wichtig auch im realen Leben auf einen aufmerksam zu machen.
Zudem plane ich, unser Team zu expandieren. Im Moment arbeite ich nur mit meinem Partner und den jeweiligen Spezialist:innen und Produzent:innen zusammen.
19. April 2022