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Nicht nur hören, sondern zuhören: «Black Stammtisch»-Gründerin Walesca Frank im Interview

Ein Tisch als geschützter Raum für Austausch und Empowerment. Hier greifen verschiedenste Themen ineinander: von der Frage «Woher kommst du?», bis hin zur Komplexität des Schwarzseins. Wir haben uns mit der Gründerin vom «Black Stammtisch» Walesca Frank unterhalten.

Von Joshua Amissah

Der Stammtisch. Im weiteren Sinne handelt es sich um ein Treffen von Gleichgesinnten – teils mit politischen oder philosophischen Bezugspunkten, teils auch ohne. Einst war der Stammtisch ein sozialer Treffpunkt für intellektuell orientierte Menschen in einer Gemeinschaft, hat im Laufe der Zeit jedoch einige Veränderungen durchgemacht und wird heutzutage im schweizerischen Kontext oft mit dem Klischee einer konservativen Haltung in Verbindung gebracht. Begriffe wie «Stammtischpolitik» und «Stammtischparolen» prägen immer noch die Sprache und stehen metaphorisch für undifferenzierte Argumentationsweisen.

Irgendwo zwischen politischen Stammtischen von Jungparteien, traditionellen Stammtischen in Agglomerationsgemeinden und städtischen Treffen von Vogelspinnenliebhaber:innen findet man den Schweizer «Black Stammtisch» von Walesca Frank. Frank versteht sich als aktivistische Kommunikationsdesignerin und hat mit diesem Gesprächsformat ein Projekt zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt zu fördern und die visuelle Repräsentation von Schwarzen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei geht es ihr nicht nur um die Darstellung in den Medien, sondern auch um die physische Realität. Während ihres Masterstudiums hat sie sich mit der Frage beschäftigt, wie über Rassismus gesprochen wird, und auf Grundlage dieser Fragestellung verschiedene Gesprächsformate entwickelt, darunter auch den «Black Stammtisch». In diesem geschützten Raum treffen Menschen zusammen, um nicht nur ihre Erfahrungen mit Rassismus zu teilen, sondern auch gemeinsam über Black Joy und mentale Gesundheit zu sprechen.

Wir haben mit Gründerin Walesca Frank darüber gesprochen, wie sie soziale Veränderung und die Reflexion darüber an einem Tisch zusammenführt.

Was hat euch dazu motiviert, den «Black Stammtisch» zu initiieren und zu organisieren?

Walesca: Es ist eins in Büchern und Studien darüber zu lesen, was Schwarzen Menschen passiert, wie Rassismus funktioniert und Lebensrealitäten formt. Ein Gespräch zu führen und die Verbundenheit zu fühlen, die dabei entsteht, das ist etwas Unvergleichbares. Der Antrieb war ursprünglich klar mein Masterstudium, doch mir wurde schnell bewusst, dass das etwas ganz Eigenes ist und sich gar nicht wirklich in einer Thesis festhalten lässt.

In welchem Rahmen wurde das Format ins Leben gerufen?

Im Rahmen meines Masterstudiums in Visueller Kommunikation an der ZHdK als ein Gesprächsformat.

Konnte dir dieser gegebene Rahmen die nötige Expertise und die Ressourcen für die Planung bereitstellen?

Nun ja, es ist immer die Frage, wie eine Institution einem dabei helfen kann. Ich fand viel Hilfe in meinen Kommiliton:innen wie Laura Rivas Kaufmann die gerade ihren Master in Trends&Identity an der ZHdK abgeschlossen hat und auch die Aktivistin Angela Addo zu meinem ersten «Black Stammtisch» eingeladen hat. Laura hat selbst durch ihre antirassistische Arbeit viele Kontakte zu Menschen, die durch das Teilen auf den Sozialen Medien auf den «Black Stammtisch» aufmerksam wurden.

Was sind allgegenwärtige Themen, die euch im Kollektiv jeweils beschäftigen?

Von der Frage «Woher kommst du?», bis über die Assimilation durch das Glätten der Haare. Von Themen wie Colorism, Sexualisierung und Exotisierung von Schwarzen Körpern bis hin zum Verteidigen oder Aussprechen von rassistischen Äusserungen ist alles mit dabei. Auch die Vielschichtigkeit von Schwarz sein und Schweizer:in sein, wie sich Heimat anfühlt und dass es mehrere Heimaten geben kann, sind Aspekte, die wir diskutieren und die uns beschäftigen.

Unterscheiden sich die zusammengetragenen Erlebnisse und Erfahrungen auf kantonaler Ebene, oder lässt es sich von einem universellen Austausch sprechen?

Es gibt nicht wirklich kantonale Unterschiede. Das einzig Auffällige, das ich beobachten durfte: Zürich hat einfach mehr Menschen. Der «Black Stammtisch» ist auch nicht nur explizit dafür da, um über Rassismus zu sprechen, es ist einfach der kleinste gemeinsame Nenner, der uns leider verbindet. Ausserdem gibt es auch Menschen, die in einer anderen Schweizer Stadt aufgewachsen sind, als sie heute leben oder die extra für den «Black Stammtisch» in eine andere Stadt fahren, um teilnehmen zu können.

Stammtische haben in der Regel einen gewissen Safer-Space Charakter für allerlei politische Gesinnungen. Welche Rollen spielen Safe-Spaces für euch?

Ja das haben wir. Und hier benutze ich wir, weil mir dabei unser neuer Verein half, der mir ebenfalls die Plattform gab, den «Black Stammtisch» nach Zürich zu bringen. Der Verein, S.P.A.C.E – mit Armelle Ako, Cevinica Singleton, Laura Rivas Kaufmann und mir. Armelle Ako kam mit dem Input des Konzepts «Accoutable Space», welcher die eigene Verantwortung der Teilnehmer:innen nochmals mehr unterstreicht. Es ist wichtig zu verstehen, dass man am «Black Stammtisch» eine Verantwortung trägt, um diesen Ort zu einem angenehmen Erlebnis für alle zu machen. Wir können unterschiedlicher Meinung sein, ich lasse mein Gegenüber jedoch aussprechen und bedenke, dass jemensch mit eigenen Erfahrungen kommt, welche dessen Leben geprägt haben. Diese muss ich nicht verstehen, aber akzeptieren können. Wir wollen eine schöne und respektvolle Gesprächskultur fördern, um eben auch wirklich die Black Joy ins Zentrum zu rücken.

Äussert sich der «Black Stammtisch» als Ort von und für Schwarze Menschen oder ist die Mehrheitsgesellschaft bei euch auch zu Gast?

Ja der «Black Stammtisch» ist ein Ort, an dem, wie es im Claim heisst: where everyone is invited to listen. Sprich wenn jemensch weiss ist und Lust hat, kann die Person gerne vorbeikommen und zuhören. Schwarze Menschen sitzen am Tisch und sprechen. Ich lade immer wieder weisse Menschen aus meinem Umfeld ein, und bekomme oft ein «hey, nein das ist euer Space und voll wichtig für euch» als Antwort zu hören. Und dazu muss ich als Initiatorin sagen: Hey, es ist okay, wenn du dich unwohl fühlst, aber diese Ausrede funktioniert hier gerade nicht, da effektiv eine Schwarze Person die Einladung ausspricht. Wenn du an dem Tag verhindert bist, kein Ding, aber lebe kurz mit dem Unwohlsein und versuche es nicht als etwas zu drehen, was der «Black Stammtisch» nicht ist – ein exclusively Black Event.

Wie siehst du die Zukunft des «Black Stammtisch»? Welche Pläne und Visionen hast du für seine Weiterentwicklung?

Ich wünsche mir, dass Leute, die sich bisher noch nicht getraut haben, zum «Black Stammtisch» kommen. Ausserdem sind weitere Community Hang Outs geplant. Wir sind gerade in der Sommerpause, aber so leicht angedacht ist Ende September als Season 3 Auftakt. Weiter wird es wieder eine Wanderung geben, bei welcher hoffentlich erneut viele Schwarze Menschen teilnehmen werden.

02. Juli 2023

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