Logo Akutmag
Icon Suche

Medien, Geld und Urbanität: Die verwobene Vielschichtigkeit der Ausstellung «Bitter Facade» im Toxi Space

Hannah Rose Stewart und Jordi Theler beleuchten in einem Zürcher Offspace den Wandel der Wandflächenprivatisierung und die facettenreichen Schattierungen der urbanen Finanzlandschaft. Ein Ausstellungsrückblick.

Von Joshua Amissah

Die Privatisierung freier Wandflächen im vorletzten Jahrhundert markierte einen bedeutenden historischen Wandel. Dieser legte in unserer Ära der Kommerzialisierung die Basis für beschleunigte Finanzverschiebungen und bietet einen Einblick in wiederkehrende Spekulationsblasen. Gleichzeitig passt sich die Werbenarration den Lebenshaltungskosten an und schafft so eine subtile, aber markante Parallele zwischen dem visuellen Raum und der kollektiven Erfahrung im Fluss.

Im Zürcher Toxi Space, kuratiert von Oz Oderbolz, entfaltet die Ausstellung «Bitter Facade» ihre Wirkung inmitten dieser dynamischen Veränderungen. Die erstmals präsentierte Werkreihe «Citizen Coin» von Hannah Rose Stewart unterläuft geschickt die Symbolik moderner Währung und ersetzt in einem demokratischen Akt historische Ikonen durch alltägliche Bilder und Porträts.

Hannah Rose Stewarts Arbeit wird als Ausgangspunkt beschrieben, um rasche finanzielle Veränderungen zu navigieren und darauf zu reagieren. In ihrer künstlerische Exploration kritisiert sie die mit Hyper-Finanzialisierung verflochtenen sozio-politischen Aspekte. Dies fungiert als Katalysator für die Störung des städtischen visuellen Raums, einem Thema, dem Jordi Thelers Arbeit «Public Display» teilweise entgegenwirkt.

Thelers Perspektive auf Urbanität zeigt vermeintlich un- und abgenutzte Billboard- und Architektur-Fassaden, gezeichnet von Plakatierung und strukturellen Eingriffen. In jeder Schicht verbirgt sich eine Botschaft, flüchtige Überreste vergangener Zeiten. Diese Displays dienen als Denkmäler für Lebenszyklen des visuellen Raums, die stetig zwischen der Vergänglichkeit und der Entstehung von Erzählungen oszillieren. Der Künstler erforscht die Bedeutung von Medien als Erweiterungen des Körpers, stellt die Gleichwertigkeit des Mediums und der Botschaft infrage, untersucht die Dynamik zwischen Medien und urbanem Raum und thematisiert die Verewigung der Lebenszyklen des visuellen Raums durch Fotografien von Oberflächen im öffentlichen Raum.

Bild von Flavio Karrer

«Bitter Facade» initiiert einen fesselnden Dialog zwischen den Werken von Stewart und Theler. Während Stewart eine aus der Hyper-Finanzialisierung resultierende Situation antizipiert, versucht Theler, diese Transformationen nachzuzeichnen. Der Dialog verwebt Vergangenheit und Gegenwart, wobei beide Positionen sozio-politische Perspektiven auf die Auswirkungen finanzieller Umwälzungen und ihrer Nachwirkungen bieten. Die Besucher:innen werden durch die künstlerischen Interpretationen des urbanen Raums geführt, die tief allegorisch, klug durchdacht und vor allem gekonnt inszeniert sind.

Wir haben uns rückblickend zur Ausstellung mit Jordi Theler ausgetauscht.

Es scheint, als würdest du Medien in deiner Arbeit als Erweiterungen des Körpers betrachten. Inwiefern ist das Medium für dich als Träger einer Botschaft wichtiger als die Botschaft selbst?

Für mich ist das Medium einer Botschaft genauso wichtig wie die Botschaft selbst. Ich möchte das Stadium, in dem sich das Medium befindet, erforschen, sezieren und dessen Einfluss auf die Botschaft dokumentieren. Der Kontext des Mediums, und somit der Botschaft, ist für mich ein sehr spannendes Thema. Es ist ein räumlicher und physischer Ort, wo Kommunikation auf Umgebung trifft. Eine Nachricht wird im öffentlichen Raum platziert und Teil davon, sie strukturiert und widerspiegelt die Realität seiner Umgebung.

Die Beziehung zwischen Botschaft und Medium dient oft als Ausgangslage. Ich versuche, diese Hierarchie zu hinterfragen, indem ich die Botschaft mit dem Medium zusammenbringe. Verschiedene Texte werden in der Materialität des Mediums versteckt, vermischen sich mit der Textur, werden zur Textur. Es ist eine Einladung, Texturen und Materialität als Sprache zu lesen.

«Public Display» setzt sich auch mit vermeintlichen Störungen des städtischen, visuellen Raums auseinander, der eng mit der Sichtbarkeit von Medien verknüpft ist. Kannst du uns erzählen, was dich an diesen strukturellen Eingriffen fasziniert?

Mich faszinieren der Raum und die Dynamik, die entsteht, sobald Medien im städtischen, visuellen Raum platziert werden. Wie sie Teil von einer semiotischen Landschaft werden. Bei diesem Vorgang finde ich die unberechenbaren Faktoren sehr spannend. Faktoren, die der Verkörperung einer visuellen Botschaft ihre Individualität verleihen. Wenn zum Beispiel ein Plakat, das in hoher Auflage gedruckt wird, auf einen Plakatständer trifft, mit all seinen umgebungsbedingten Einflüssen, entsteht eine Dynamik zwischen der Botschaft, dem Medium und dem Zustand des Mediums.

Deine Arbeit handelt von der Verewigung der Lebenszyklen des visuellen Raums und von den Schwankungen zwischen Tod und Geburt von Narrativen entlang einer konstanten Oberfläche. Kannst du näher erläutern, wie du diese Konzepte in deinem Werk erforschst?

Bei diesem Projekt verwende ich Fotografien, festgehalten im Bruchteil einer Sekunde, die den Zustand einer Oberfläche eines Informationsträgers im öffentlichen Raum festhalten. Es sind Bilder, die ich über einen längeren Zeitraum hinweg gemacht habe und die den Verlauf der Zeit visualisieren. Ansammlungen von Staub, Kratzer, getrocknete Flüssigkeiten und jegliche anderen Zeichen der Vergangenheit bringe ich als gedruckte Fläche neu zusammen. Es entsteht eine aufgeladene Oberfläche, die Spuren der Umgebung speichert.

Hannah Rose Stewart & Jordi Theler – Bitter Façade
Photographs by Flavio Karrer
Curated by Oz Oderbolz Toxi Space Zürich
Zimmerlistrasse 4, 8004 Zürich
04.10 – 26.10.2023

Support us!

Damit wir noch besser werden