Logo Akutmag
Icon Suche

«Ich habe nicht den Anspruch, mit grösseren Labels mitzuhalten» – Jungdesignerin Eileen Broadhead im Interview

Mit einer futuristischen, aber dennoch organisch anmutenden ersten Kollektion sorgt Eileen Broadhead für frischen Wind im Schweizer Modegeschehen. Jedes Piece von «BROADHEAD» entsteht durch Handarbeit im Zürcher Atelier und hat dabei nicht den überheblichen Anspruch die Welt zu verändern. Im Gespräch mit Eileen Broadhead über die Hintergründe, eine fruchtbare Kollaboration und Zukunftsvisionen.

Von Joshua Amissah

Eileen Broadhead (*1998 in Zürich) präsentierte ihre Diplomkollektion «Sapentia Superbia» bereits 2020 als ein atmosphärisches Stillleben an der F+F Schule für Kunst und Design. Darin erschienen Symbole und Requisiten als Ausdruck einer inneren Gefühlswelt, die ihrerseits Verbindungen zu spezifischen Kunstwerken und symbolistischen Ausdruckformen anklingen lassen. In einem permanenten Hin- und Her zwischen dem Innen und Aussen, erscheint Kleidung als Schnittpunkt, wo sich innerer Ausdruck und der Blick von aussen kreuzen.

Nach verschiedenen Stationen bei Julia Seemann, Julian Zigerli und Kollaborationen mit Distressed Public überzeugt die ambitionierte Kreateurin nun ganz eigenständig mit einer neuen Kollektion. Die erste Saison von BROADHEAD basiert auf klassischen, enganliegenden Silhouetten, die alle Versionen desselben Grundmusters sind und genau da andocken, wo «Sapentia Superbia» aufgehört hat. In Kollaboration mit der Künstlerin Jill Winnie Moser entsteht ein elegantes und zeitgenössisches Zusammenspiel von Oberflächenstruktur, Haptik und Schnitttechnik. Um dem Vorhaben von BROADHEAD auf den Zahn zu fühlen, haben wir uns mit Eileen unterhalten.

Eileen, was hat dich zu der aktuellen Kollektion inspiriert?

Eileen: Ursprünglich wollte ich Ende Sommer 2020 direkt nach meinem Diplom eine Minikollektion releasen, die auf den Silhouetten meiner Diplomkollektion basierte, jedoch in vereinfachter Form. Aus persönlichen Gründen hat diese Minikollektion nie das Licht der Welt erblickt und es war mir erst etwa ein Jahr später möglich, diese Idee wieder aufzunehmen.
Die Kollektion hat sich stetig weiterentwickelt und wurde über einen längeren Zeitraum zu dem, was sie nun ist. Mir war es wichtig, dieses Projekt mit dem Grundgedanken der Selbstverwirklichung anzugehen. Ich möchte Kleidung schaffen, die der Trägerschaft ein Gefühl von Komfort und Sicherheit, aber auch Stärke und eine gewisse Eleganz verleihen. Vor allem daher kommen die enganliegenden Silhouetten. Von da aus war es mir wichtig, dass das ganze Projekt in sich stimmig ist. Also die Balance zwischen den einzelnen Looks, den verschiedenen Oberflächen und Haptiken der Stoffe und der Tragbarkeit der Pieces zu wahren. Dabei hat auch rationales Denken eine grosse Rolle gespielt. Was kann ich überhaupt umsetzen? Welche Kriterien muss jedes Piece erfüllen, damit es mir möglich ist alles selbst zu produzieren? Wie viel Geld kann und will ich in dieses Projekt investieren? Und so weiter.

Wie würdest du die aktuelle Kollektion beschreiben?

Diese Kollektion hat nicht den Anspruch, die Welt zu verändern. Sie platziert sich in ihrer eigenen Nische. Klassische, tragbaren Silhouetten, die durch die Haptik der Stoffe und wie sie sich an den Körper schmiegen, und die Prints, die ihre ganz eigene Welt darstellen, zu etwas Eigenem und Einzigartigen werden.

Und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der Künstlerin Jill Winnie Moser?

Ursprünglich hatte ich den Grossteil der Kollektion bereits mit anderen Prints geplant. Jill sollte die Graphics für das Signature Logo Tee entwerfen. Dabei hat sie diese Technik entdeckt, mit Ölfarben auf extrem grobem Papier zu malen, dieses dann einzuscannen und digital zu bearbeiten. Ich war so begeistert von den Bildern, die dadurch entstanden sind, dass ich mein vorheriges Konzept gleich über Bord geworfen habe, um die gesamte Kollektion mit ihren Prints zu versehen.

Ihre Bilder verleihen der Kollektion den Charakter einer zweiten Haut. Teile der Prints ähneln Schlangenhaut, und doch stellen sie etwas ganz anderes dar. Sie rufen bei den meisten Menschen verschiedenste Assoziationen hervor aber richtig definieren, was oder welchen Stil sie darstellen, kann man nicht. Genau darin liegt für mich die Genialität.

Was für eine Meinung hast du zum Schweizer Modegeschehen und wo gibt es noch Potential?

Ich denke die Schweiz hätte definitiv noch mehr zu bieten. In Städten wie Zürich und Basel gibt es viele junge Kunstschaffende und mehr Ideen, doch oft fühlt es sich so an, als würde es keine richtige Bühne dafür geben. Es ist schade aber verständlich, dass sich upcoming Modelabels immer wieder ins Ausland absetzen. Jedoch bildet sich dadurch auch eine interessante Bubble unter dem Radar der nationalen und internationalen Modeszene. Für jemanden wie mich bietet das ganz eigene Möglichkeiten; Ich habe momentan noch nicht den Anspruch, mit grösseren Labels mitzuhalten.

Was hält dich in Zürich als Standort deines Ateliers und deines Schaffens?

Zürich ist meiner Meinung nach der perfekte Ort, um ein solches Projekt umzusetzen. Hier bin ich aufgewachsen, fühle mich wohl, kenne die Szene und kann mich somit vollkommen auf das Wesentliche konzentrieren. In Zürich gibt es genügend Platz, für Projekte wie dieses. Hätte ich mein erstes Projekt in einer Stadt wie Berlin oder Paris umgesetzt, wäre ich total überfordert gewesen. Dort gibt es so viel mehr Konkurrenz, mit der man sich vergleichen könnte.

Inwiefern unterscheidet sich die «Signature Line» von der «Season 1» ?

Die Signature Line war eine ziemlich spontane Idee und kam erst, als ich an den Samples für die erste Season gearbeitet habe. Die Mesh-Pieces haben alle eine zweite Schicht aus schwarzem Jersey und als ich im Verlauf der Arbeit das Unterteil des Sleeveless Dress anprobiert habe, war mir sofort klar, dass ich die Pieces auch als Basics verkaufen möchte. Somit war es mir auch möglich, Teile in die Kollektion aufzunehmen, die preislich tiefer liegen und so auch eine grössere Menge an Menschen ansprechen können.

Ich finde, man muss die Dinge nicht immer kompliziert machen. Gut geschnittene, handgefertigte basic Pieces, die jeden Tag getragen werden können – das hat auf jeden Fall seinen Markt.

Der synthetische Netzstoff Mesh erfreut sich ja nun schon seit längerer Zeit wieder einer grossen Beliebtheit. Wieso hast du dich für die Verwendung dieses Materials entschieden?

Der Mesh war bereits ein grosser Teil meiner Diplomkollektion. Die Idee eines Körpers, der ganz mit einem Print überzogen, und doch nicht bedeckt ist, spiegelt Emotionen wieder, mit denen ich mich auch privat viel befasse. Ganz abgesehen von den ganzen Instagram-Baddies, ist Mesh für mich etwas sehr Poetisches.
Um dem Ganzen einen neuen Touch zu verleihen, habe ich mich bei dieser Kollektion dazu entschieden, die Teile mit einem zweiten Stoff zu unterlegen. Ich finde, das verleiht ihnen eine ganz neue Qualität. Und ja, klar, der Trend ist schon ziemlich ausgelutscht, aber das war mir in diesem Fall einfach egal.

Wird die Season 2 anknüpfen, da wo wir jetzt stehen oder wird es in eine völlig andere Richtung gehen? Was können wir erwarten?

Ich möchte die 2. Season nutzen, um alles was ich bis jetzt gelernt habe, neu anzuwenden. Sie wird sicher an die erste angelehnt sein, jedoch möchte ich mich vor allem bezüglich Schnitttechnik und Materialien noch weiterentwickeln. Die ersten zwei Seasons sollen aber immer noch zusammen funktionieren. Was nächstes Jahr dann passiert, ist jedoch noch völlig offen.

Photography (Lookbook & Campaign): Toby.ST
Model (Lookbook): Julia H.
Model (Campaign): Yaao J.
Hair&Make Up (Lookbook & Campaign): Eileen Broadhead
Prints: Jill Winnie Moser

29. Juni 2022

Support us!

Damit wir noch besser werden