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«Strickwaren sind mehr als nur Kleidung» – die Berliner Jungdesignerin Lara Severa im Interview 

Nach Zwischenstationen bei Yeezy und Marc Cain feierte die Jungdesignerin Lara Severa erst kürzlich mit ihrem gleichnamigen Label das Debüt ihrer ersten eigenen Kollektion «001» im Soho House Berlin. Um herauszufinden, wie es dazu kam und wo es in Zukunft hinführt, haben wir uns mit der Jungdesignerin unterhalten.

Von Joshua Amissah

Getrieben von der Faszination für die endlosen Möglichkeiten vom Strickprozess, verarbeitete Lara Severa in ihrer kleinen Wohnung über eine Tonne Strickgarn und trifft mit ihren grösstenteils handverarbeiteten Pieces den Puls der Zeit. Zu sehen waren im Soho House Berlin jedoch nicht einfach die gängigen Strickwaren, sondern viel eher die absolute Dekonstruktion davon. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auch auf kleinen Details wie gestickten Accessoires, die mit viel Detailreichtum und Sorgfalt integriert wurden. Severa kombiniert gekonnt Elemente aus dem subkulturellen Kontext mit einer edlen und eleganten Verarbeitung. Die asymmetrischen Kompositionen, die raffinierte Überlagerungen und auch das bewusste Zeigen von Haut schufen ein sinnliches Momentum inmitten des Soho House Berlin. Wir haben uns nach dem Show-Debüt mit Lara Severa unterhalten.

Herzlichen Glückwunsch zu deiner ersten eigenen Kollektion! Wie hat die Liebe zur Strickerei für dich angefangen? 

Lara: Ich habe schon als Kind gestrickt und mir war damals natürlich nicht bewusst, dass Knitwear-Designer:in ein richtiger Job sein kann. Daher habe ich nach der Realschule meine Lehre als Schneiderin angefangen. Mein Ausbildungsbetrieb Marc Cain ist spezialisiert auf Strick und hatte damals etwa 80 Stoll Strickmaschinen in house! Als ich dort die erste Strickmaschine gesehen habe, wusste ich sofort, dass ich nie wieder etwas anderes machen will. Ich war fasziniert und es hat sich mir eine komplette neue Welt geöffnet. Nach der Ausbildung durfte ich dann für ein Praktikum ins Strickdesign-Team.

Und wie fühlst du dich nun nach dieser intensiven und monatelangen Vorbereitungszeit?

Ich fühle mich super. Ich habe die ganze Kollektion zuhause in meiner kleinen Wohnung gestrickt. Ich hatte oft mit Unsicherheiten zu kämpfen und das Gefühl meine Idee im Kopf stimmt nicht mit dem Resultat der Strickerei überein. Als ich dann alles zusammen an den Models gesehen habe, war ich so unfassbar erleichtert, weil ich gemerkt habe: «the vision in my head made sense». Bald darf ich meine Kollektion auch in Los Angeles ausstellen.

Verschiedene Arten von Strick haben nun schon seit längerer Zeit ein populäres Comeback. Wie erklärst du dir diese Rückbesinnung auf diese traditionelle Verarbeitung? 

Tatsächlich war das gar nicht geplant, denn ich stricke viel lieber mit Industriemaschinen und schreibe auch Computerprogramme für Strickmaschinen. Allerdings kosten diese Maschinen zwischen 50’000 und 100’000 Euro, deswegen besitze ich keine. Jedes Mal wenn ich ein Sample machen wollte, waren die Kosten einfach zu hoch. Ich wollte trotzdem die Designs in meinem Kopf umsetzten und habe daher einfach angefangen von Hand zu arbeiten. Wofür die Maschine etwa 30 Minuten braucht, benötige ich dann halt ein paar Tage. 

Du warst selbst schon bei verschiedenen Stationen wie Yeezy und Marc Cain – wie hat deine berufliche Vergangenheit dein heutiges kreatives Schaffen konkret beeinflusst? 

Ich habe wahnsinnig viel gelernt – vor allem, was Produktionsabläufe betrifft. Die brands waren alle sehr unterschiedlich im Aufbau. Von Big Corporate Brands wie Marc Cain, wo alles super gut durchgeplant war und ich die genauen Abläufe lernen konnte, bis hin zu Yeezy, wo ich vor allem gelernt habe, dass alles möglich ist. Bei Start-Ups konnte ich mir viel über Funding und Business aneignen. Mit all dem Wissen war es nun an der Zeit, etwas Eigenes zu starten. 

Und mit welchen Worten würdest du deine eigene neue Kollektion beschreiben?

Unisex, asymmetrisch, raw, um es in ein paar wenigen Worten zu beschreiben. Aber ich finde es auch schön, wenn sich jede und jeder ein eigenes Bild von der Kollektion macht.

Inwiefern hat sich die Kollektion im Laufe des Prozesses verändert? 

Es hat sich tatsächlich alles konstant verändert. Ich zeichne nämlich kaum als Designerin. Ich suche mir erst Garn und fang einfach an zu stricken und schaue, was passiert. Nachdem ich ein paar Pieces fertig hatte, musste ich allerdings alles grob sketchen, da ich eine Assistentin habe, die wissen musste, was sie stricken soll. Aber ich lasse mich gerne vom Garn leiten; ich will wissen, wie es fällt, wie es an einem Körper aussieht und wie es sich verarbeiten lässt. Das kann ich halt alles erst wissen, wenn ich anfange zu stricken. Mir wurden während der Kollektion auch Garn gesponsert, so habe ich einfach das verarbeitet, was ich umsonst bekommen habe. Das Kleid der Sängerin Mulay zum Beispiel ist von Overlock-Threat, welches ich auf der Strasse gefunden habe. So I basically made couture out of other people’s trash.

Was waren für dich die grössten Herausforderungen als Jungdesignerin? 

Die grösste Herausforderung ist immer Geld. Ich bin jetzt auf Investor:innen-Suche, damit ich mir ein Studio leisten kann. Ich habe einige Anfragen wegen Jobs und Praktika, aber da ich noch kein Office habe, ist das schwierig. Ich hoffe, dass ich bald was finde, damit ich auch mal Privatleben und Arbeit trennen kann.

Und was erwartet uns in der Zukunft? 

Jetzt geht es erstmal weiter nach Los Angeles für meine Knit-Couture-Ausstellung im Soho House LA. Bald kommen dann auch die ersten Pieces in den Onlineshop. Zudem arbeite ich gerade an ein paar Kollaborationen mit verschiedenen Künstler:innen, um zu zeigen, dass Strick mehr als nur Kleidung sein kann. Lets just say: «I am building a little universe von handmade Knit Couture zu knitted Accessories, bis hin zu… verrate ich noch nicht».

05. Oktober 2022

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