In ihrem Buch «Conscious Ink: The Hidden Meaning of Tattoos» zeigt Lisa Barretta auf, welche tiefen Weisheiten und Wahrheiten sich in Tätowierungen verbergen. Die Körperkunst ist nicht nur da, um gut auszusehen – selbst wenn wir das manchmal meinen: Tattoos sind meist das Resultat bestimmter Lebenserfahrungen oder -ereignisse; die Darstellung von Träumen, Gefühlen, Gedanken, Werten und Überzeugungen. Sie können uns bestärken, Herzenswünsche aktivieren und uns daran erinnern, wer wir sind oder sein wollen. Sie können uns mit einem bestimmten Etwas oder einem wichtigen Menschen verbinden. Sie können sogar alte Verletzungen oder Traumata hervorholen, heilsam wirken und Emotionen transformieren, da sie das emotionale Zellgedächtnis des Körpers anregen, wo wir unterbewusst alle Erinnerungen speichern. Indem wir ein bestimmtes Motiv permanent in unsere Haut gravieren lassen, holen wir etwas, was uns in dem Moment nicht einmal bewusst sein muss, an die Oberfläche. Seien es unsere Schatten- oder Sonnenseiten, Ängste, Bedürfnisse, Hoffnungen oder Glaubenssätze. Das Durchstechen der Haut regt ähnlich wie Akupunktur ausserdem das Chi in unserem Körper, unsere Meridiane und Chakren an und kann teils starke Emotionen freisetzen. Dass etwas hochkommt, ist nicht immer der Fall, und wenn doch, dann geschieht dies nicht immer unmittelbar, sondern auch manchmal Wochen später. Wichtig ist: Achtsam bleiben und dem Raum geben, was ans Licht möchte. Die Bilder, die auf unserer Haut bestimmte Geschichten erzählen oder Lebensabschnitte markieren, öffnen uns somit die Tore zu unserem Innenleben und bringen die verborgensten Bereiche unserer Seele zum Vorschein. Manchmal sind wir uns dem bewusst, oft aber auch nicht. Selbst jedes noch so scheinbar alberne Design hält tiefere Botschaften für uns bereit, für die wir uns jederzeit öffnen können. In ganz subtiler Form sagt ein Tattoo also in erster Linie UNS etwas über uns selbst. Die gewählte Körperstelle wahrt dann nicht nur einen Raum für Transformation oder Heilung, sondern auch für Ehrlichkeit und Akzeptanz für unser wahres Ich.
Alte indigene Völker und verschiedene Kulturen und Religionen kennen die Kraft und Magie, die Tattoos innewohnt. Sie sind sich im Klaren darüber, dass man als Tätowierer:in (wie jede:r Künstler:in) einen Teil seiner Seele und Lebenskraft – das, was man fühlt, denkt, ausstrahlt, erlebt – in das Werk hineinprojiziert. Schon seit jeher und auch heute noch praktizieren sie den Tätowiervorgang deshalb sehr bewusst. Dass sich die Person, die eine andere tätowiert, tage- oder sogar wochenlang darauf vorbereitet, ist nicht ungewöhnlich: Erst, wenn sie sich energetisch gereinigt, sauber und makellos fühlen, sind sie bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Nur so stellen sie sicher, dass sie eine reine Energie in das zu tätowierende Motiv und in das Energiefeld der anderen Person geben. Im ganzheitlichen Verständnis des Vedanta bestehen wir Menschen aus drei Körpern (physisch/grobstofflich, feinstofflich und Kausalkörpern) und fünf Hüllen. Der feinstoffliche Teil stellt dabei die energetische Komponente unseres Wesens dar, oft auch als Aura bekannt. Die Nadelstiche beim Tätowieren durchdringen also nicht nur unsere Hautschichten, sondern wirken auf viel tieferer Ebene. Hier bei uns hat das Tätowieren mittlerweile den Weg von der Subkultur in die Popkultur gefunden und leider viel von seinen mystischen Wurzeln verloren. Der Prozess, der bei alten Kulturen noch immer als heiliges Ritual behandelt wird, ist jetzt für die meisten Tätowierer:innen einfach ein Job, den es auszuführen gilt. Die achtsame Herangehensweise an das Tätowieren könnte uns dennoch als Vorbild dienen. Doch wo fängt man an?
Alles beginnt mit einer Absicht, auch ein Tattoo: Zumeist erweckt ein inneres Bedürfnis unseren Wunsch nach einem (neuen) Tattoo. Wir wissen dann vielleicht noch nicht mal genau, warum wir es wollen, sondern einfach, dass wir es irgendwie brauchen. Die Intention, die hinter dem Tattoo steht, ist dabei sehr wichtig. Meditation kann helfen, um diese herauszufinden und Klarheit darüber zu erlangen. Folgende Fragen können wir dabei für unsere Reflektion zurate ziehen: Welche Energie möchten wir mit dieser Tätowierung in unser Leben einladen? Was treibt uns innerlich an, dieses Motiv auf unsere Haut zu bringen? Fühlt es sich richtig an? Haben wir es uns sorgfältig überlegt? Welche Emotionen projizieren wir hinein? Was bedeutet oder verkörpert dieses Tattoo für uns? Wie stärkt es uns oder treibt unser persönliches Wachstum voran? Zeigt es etwas, mit dem wir uns stark identifizieren, oder offenbart sich dadurch das Schattenkind in uns? Dient es zur Freisetzung von etwas, was wir noch im Inneren festhalten – wie Emotionen oder Verletzungen, die Heilung benötigen? Oder ist es ein Ausdruck unserer gegenwärtigen Mentalität? Die Antworten spüren wir intuitiv. Da Tattoos heutzutage «schnell mal gemacht» werden, sollten wir die Verpflichtung unbedingt bedenken und ernst nehmen: Sind wir uns bewusst über die Beständigkeit des Tattoos und können wir es für immer liebevoll als Teil von uns annehmen?
Übrigens: Da Tattoos energetisch sehr aufgeladen sind, ziehen sie ausserdem die jeweiligen Energien in unser Leben. Die Metalle in der Tinte sind also nicht nur für die Permanenz der Hautkunst wichtig, sondern magnetisieren, symbolisch gesprochen, auch das Design. Das Erschaffen von Kunst hat ja immer gewisse manifestierende Kräfte, da etwas visualisiert und zum Leben erweckt wird. Die dabei entstehende Energie wird in Bewegung gesetzt und zieht gleiche Energie an. Das Gesetz der Anziehung wirkt also beim Tätowieren ganz automatisch. Und das sogar auf viel intensivere Weise, wenn man bedenkt, dass bei diesem Ritual auch unser Blut – unsere Lebenskraft – im Spiel ist.
Eine weitere wichtige Überlegung ist dann die Platzierung und Farbwahl: Zu welcher Stelle des Körpers zieht es mich, wenn ich an dieses Motiv denke? Kann ich es mir dort gut vorstellen? Resoniert es mit dem eigenen subtilen Energiefeld? Wir sollten uns hierbei stets intuitiv dorthin leiten lassen, wo sich das gewünschte Tattoo am meisten «zuhause» fühlt und darauf vertrauen, dass dessen Energie an diesem Platz am besten zum Ausdruck kommen kann. Die Stelle beeinflusst auf jeden Fall die Wirkung des Tattoos, denn jeder Körperbereich drückt unterschiedliche emotionale Energien aus. Eine vorteilhafte Platzierung und Farbwahl können daher unsere Schwingung verstärken, wohingegen eine unvorteilhafte Platzierung sie senken kann.
Ein kleiner Einblick in die Symbolik der jeweiligen Körperzonen
Auf unserer rechten Körperhälfte platzieren wir Tattoos, die unseren momentanen Geisteszustand, unsere gegenwärtige Gefühlswelt und dazugehörige Lebenserfahrungen widerspiegeln. Rechts ist unsere männliche Energie präsent, daher wird diese Seite des Körpers von der logischen linken Gehirnhälfte gesteuert. Tattoos, die wir hingegen auf unserer linken Körperhälfte platzieren, stellen etwas dar, was uns sehr am Herzen liegt, wozu wir eine Bindung spüren, wofür wir dankbar sind. Die Seite unseres Herzens enthält unsere weibliche Energie und wird von der rechten Gehirnhälfte gesteuert. Sie ist für emotionalen, intuitiven und kreativen Ausdruck unseres Selbst zuständig, wodurch wir uns auch verletzlich zeigen können. Allgemein repräsentiert die Vorderseite unseres Körpers die Gegenwart und Zukunft. Hier drücken wir bewusst aus, wie wir in der Welt wahrgenommen werden möchten. Über den Hals sprechen wir beispielsweise unsere Wahrheit aus. Der Brust- und Herzraum hält alles, was mit Liebe und Beziehungen zu tun hat. Aber eben auch die Wunden, die bereits zu uns gehören oder uns zu der Person machen, die wir sind. Mit unseren Armen und Händen zeigen wir der Welt, was wir umarmen oder woran wir festhalten und was wir gern loslassen möchten. Auf unseren Oberschenkeln geht es vor allem um das Vertrauen in unsere Fähigkeiten, Talente, Stärken und auch Entscheidungen. Die Rückseite unseres Körpers stellt symbolisch alles dar, was wir hinter uns gelassen haben und was der Vergangenheit angehört, auch über unser aktuelles Leben hinaus. Das kann sich auf eine Last beziehen, die wir tragen oder im weiteren Sinne auf das, was wir brauchen, um diese Last zu bewältigen. In vielen Fällen sind das unbewusste Erinnerungen. So verstecken sich hinter den Ohren zum Beispielvergangene Lebenserfahrungen und möglicherweise auch das, woran wir uns aus anderen Inkarnationen erinnern. Im Nacken vereinen sich Gedanken und Gefühle miteinander. Zwischen den Schulterblättern zeigen sich Erfahrungen, die eher unangenehme Gefühle wie Ärger zurückgelassen haben. Die Bilder, die wir dort platzieren, können uns aber auch helfen, diese (inneren) Konflikte zu lösen.
Und nicht zu vergessen ist der Artist, der oder die die Tinte unter unsere Haut bringt. Wie oben bereits erwähnt, spielt diese Person eine grössere Rolle als wir glauben, da sie es uns ermöglicht, das Portal zu unserem Unterbewusstsein zu öffnen. Sie begleitet uns beim Eintauchen in die tiefen Schichten unseres authentischen Selbst und übersetzt dessen Botschaft in Kunst. Neben bedeutenden Faktoren wie Qualität und Hygiene sollte darüber hinaus auch die Energie, die der Artist ausstrahlt, und die Atmosphäre des Studios mit einbezogen werden. Tätowieren und tätowiert zu werden ist schliesslich für beide Seiten eine überaus intime Erfahrung, da durch die Energieübertragung eine Art unsichtbare Verbindung entsteht. Wenn wir mit Bedacht wählen und auf unser Bauchgefühl hören, können wir eigentlich nichts verkehrt machen. Fühlen wir uns wirklich nicht wohl im Studio oder bei dem Tätowierer oder der Tätowiererin, dann ist das ein recht sicheres Zeichen dafür, dass wir uns lieber nach einem anderen Ort umschauen sollten. Am Ende sind wir die Verkörperung unserer Kunstwerke, deren Energie und Informationen direkt mit unserem Bewusstsein verbunden sind. Und diese Energie und Informationen beinhalten eben nicht nur all jene Gedanken, Gefühle und Intentionen, mit denen wir selbst das Motiv aufgeladen haben, sondern auch zu gewissen Teilen die Qualität der Tinte, die Essenz des Artists, die Atmosphäre des Studios und so weiter.
Und was, wenn man ein Tattoo wirklich bereut? Nun, die Entfernung via Laser ist zwar heutzutage kein Problem mehr, doch auch wenn das Tattoo physisch nicht mehr sichtbar ist, so bleibt es in unseren feinstofflichen Körpern eine energetische Prägung, die nicht weggeht. Energie kann ja bekanntlich nicht zerstört, sondern nur umgewandelt werden. Rein logisch gesehen – und die neue Perspektive auf die Wirkung von Tätowierungen miteinbeziehend – ist eine solch schmerzhafte Tortur, die die Haut vernarbt, wohl eher noch unvorteilhafter für unser Energiefeld. Besser wäre es daher, die Energie der Tätowierung umzuwandeln, zum Beispiel durch verschiedene Praktiken wie Reiki oder eben, indem man mit viel Sorgfalt und der richtigen Intention das Design anpasst. Bei diesem Prozess ist es umso wichtiger, alte Energien zu lösen und eine Überleitung aus der Vergangenheit (dem alten Tattoo und dessen Bedeutung) in das Hier und Jetzt (dem neuen Tattoo und dessen Bedeutung) zu schaffen. Wer hätte gedacht, dass die Hautkunst unser spirituelles Erwachen voranbringen kann?
09. Februar 2024