Normalerweise reise ich immer mit Freund:innen oder Familie. Dieses Jahr habe ich nach einem gemeinsamen Hot-Girl-Summer-Trip mit fünf Freundinnen entschieden, noch einen kleinen Detour alleine hinzulegen. Bevor ich zu meiner Familie nach Bosnien reisen sollte, verbrachte ich noch ein paar Tage mit mir selbst. Dabei habe ich einiges gelernt, über mich aber auch über meine Umwelt.
Ich hatte persönlich nicht wirklich grossen Respekt davor alleine als Frau in Kroatien zu reisen. Klar, Gefahren gibt es überall, aber da ich die Sprache spreche und die Umgebung mehr oder weniger kannte fühlte ich mich wohl. Vielleicht wäre das in einem für mich fremden Land anders gewesen.
Jedenfalls verbrachte ich zuerst zwei Tage auf dem Festland bei Split, wo ich kleine Tagesausflüge unternahm, mich dann jedoch abends mit Verwandten traf. Danach gings für zwei Tage auf Hvar (neue Lieblingsinsel, werde wahrscheinlich dort heiraten, brauche noch einen Ehemann aber wird sich hoffentlich auch finden). Auf Hvar war ich dann so ziemlich auf mich allein gestellt.
Früh morgens brachte eine Fähre mich und mein Auto auf die Trauminsel, wo ich direkt nach meiner Ankunft aufbrach, um die Insel zu erkunden. Schnell bemerkte ich, wie meine Gedanken wirr hin und her wanderten. Wenn man längere Zeit mit niemandem wirklich lange Konversationen führen kann, beginnt man in sich hinein zu sprechen. Dieses Gefühl von Freiheit, tun und lassen zu können, wann und wie ich es will, erfüllt mich sehr. Normalerweise wird auf Mitreisende Rücksicht genommen, das fällt bei solchen Trips weg.
Das erste Mal alleine in einem Restaurant: Das Abendessen war komisch, spannend, erholsam und lehrreich zugleich. Ich hatte zwar das Gefühl, dass mich alle anstarren, aber das ist normal, wenn alleine gereist wird. Sie tun es übrigens nicht, vielleicht habe auch einfach ich gestarrt. Zusätzlich ist es auch ein wenig egozentrisch zu glauben, alle Leute scheren sich um die junge Frau hinten im Restaurant die alleine ein Steak verdrückt.
Jedenfalls konnte ich mein Abendessen geniessen, die Kellner:innen waren freundlich und das Essen lecker. Danach ging ich noch am Hafen spazieren. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, das Ganze hätte sich nicht wie in einem Film angefühlt. Aber genau das ist auch irgendwie schön, das eigene Leben für ein paar Tage zu romantisieren.
Zusätzlich wurde ich praktisch dazu gezwungen, mehr mit meinen Mitmenschen, also Fremden, zu kommunizieren. Klar, ich hätte auch einfach alleine alles finden und ohne irgendwelche belanglosen Gespräche die Tage verbringen können, aber für einen tendenziell extrovertierten Menschen wie mich ist das mehr Bestrafung als Frieden. Ich geniesse das Alleinsein, trotzdem kommuniziere ich gerne mit Menschen und höre mir an, was sie zu sagen haben. Ich konnte in diesen Tagen viele Ausschnitte aus den Leben meiner Mitmenschen kennenlernen. Wie offen sie gewisse Schicksale offenbarten, wie sie von ihren jungen Jahren oder Zukunftsplänen erzählten. All diese Stories waren inspirierend und berührend zugleich.
Das Ganze klingt wie ein Selbstfindungstrip. Und auch wenn ich vehement abstritt, auf einem solchen zu sein, war es dann doch so. Nicht auf diese «Eat, Pray, Love»-Weise, sondern auf eine «Ich lerne was ich in meinem Alltag brauche und vermisse, aber auch was für mich unnötig ist und ich deshalb nach den Ferien loslassen muss»-Art.
Viele vor Ort waren zuerst überrascht, als ich ihnen erzählte, dass ich bewusst alleine reisen wollte. Nach der Überraschung kam aber die Freude für mich. Manch eine:r hätte das besonders in der Jugend gerne gemacht, hatte aber weder die Möglichkeiten noch die Mittel dazu. Reisen allgemein ist ein Privileg und muss auch als solches behandelt werden: mit Dankbarkeit und ohne Selbstverständlichkeit.
Jedenfalls habe ich in vier Tagen unglaublich viel gesehen, was mir wahrscheinlich verborgen geblieben wäre, wäre ich nicht planlos und ohne andere Menschen zu berücksichtigen losgefahren. Alleine wurde ich irgendwie aufmerksamer und achtsamer, weil ich mich nur noch auf das, was vor mir lag und mich selbst konzentrieren musste.
Abschliessend kann ich sagen, dass ich immer wieder gerne alleine Reisen würde. Nach anfänglicher Zurückhaltung aus Angst, dass ich auf andere vor Ort komisch wirke, weil ich ohne Begleitung unterwegs war, konnte ich genau das geniessen. Alleinreisen ist eine Herausforderung und ein Segen zugleich.
11. August 2021