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Alkohol und Social Settings

Alkohol, die Alltagsdroge schlechthin. Wer nicht aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen auf Alkohol verzichtet, wird oft mit «wieso, weshalb, warum»-Fragen gelöchert. Doch wieso ist Alkoholkonsum die Norm, und der Verzicht die Ausnahme? Wir haben mit der Fotografin und Content Creator Andrea Monica Hug übers Nicht-Trinken gesprochen.

Von Sina Schmid

In der Schweiz ist es normal, ab 15 Jahren Alkohol zu konsumieren. In anderen Ländern wird teils noch früher getrunken. Ab 16 Jahren ist der Konsum von Bier und Ähnlichem hierzulande legal. Gesellschaftlich wird das auch selten hinterfragt.

Für viele ist es ein Rhythmus: Am Wochenende wird halt über den Durst getrunken. Bei Treffen mit Freund:innen darf ein Gläsli hier und da nicht fehlen. Im Ausgang ist der Alkoholkonsum sowieso nicht wegzudenken.

Doch was passiert, wenn sich jemand dagegen entscheidet? Dann werden die Stimmen plötzlich doch lauter, gar kritisch: «Wieso denn?» «Komm probier doch nochmal». Oder wer in jungen Jahren meint, Alkohol nicht zu mögen, wird bestimmt: «Ach, das ändert sich im Alter» zu hören bekommen.

Wir haben mit Andrea Monica Hug, Content Creator und Fotografin, über ihre Erfahrungen mit dem Nicht-Trinken gesprochen.

«Ich trinke gar nicht. Ich habe auch nie getrunken, ja, einen Schluck zum Probieren, aber nie ein ganzes Glas. Ich wollte eigentlich immer, aber hatte es nie gern. Alle meinten, das würde sich ändern wenn ich 18 bin oder studiere, vielleicht wenn ich arbeite an Aperos, das war aber nicht der Fall.»

Auch sie machte die Erfahrung, dass die persönliche Entscheidung auf Alkohol zu verzichten, auf Gegenwind stosst. Dennoch verzichten nicht alle wegen dem Geschmack, oder eben Religion, für gewisse Menschen hat es etwas mit der Ideologie zu tun.

«Ich mag den Geschmack auch jetzt nicht, aber heute finde ich es cool nicht zu trinken. Für viele in meinem Umfeld bin ich das beste Beispiel, auch nüchtern Spass haben zu können und lässig zu sein. Durch meine Reichweite auf Instagram habe ich auch eine gewisse Vorbildfunktion. Die Mutter einer Followerin hat mir geschrieben und sich bedankt, weil ihre Tochter in einem heiklen Alter ist, und sich oft unter Druck gesetzt fühlt, zu trinken. Sie meinte dann: «Wenn Andrea cool sein kann und nicht trinkt, kann ich das auch». Das hat mich sehr gefreut.»

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Eigentlich ist das ja etwas sehr Persönliches. Dennoch fühlen sich viele angegriffen, wenn auf Alkohol verzichtet wird.

«Besonders durch meinen Job bin ich oft mit dem Thema konfrontiert. Bei Events ist es normal, dass Alkohol konsumiert wird. Sie meinen es zwar gut und wollen mit mir anstossen, verstehen manchmal aber nicht wieso ich das Glas Prosecco dankend ablehne. Sie fühlen sich schnell mit ihrem eigenen Alkoholkonsum konfrontiert, reagieren fast wie auf einen persönlichen Angriff. Es ist dann nicht «Wieso trinkt sie nicht», sondern sie reflektieren selbst, das stosst gedanklich etwas an, auch da wo sich viele unwohl fühlen.»

Irgendwann akzeptiert das persönliche Umfeld, dass jemand halt verzichtet, und versucht nicht weiter zu animieren, Alkohol zu probieren.

«In meinem Freundeskreis ist das kein Thema mehr. Sie versuchen mich mit einem tollen nicht-alkoholischen Getränk einzubinden. Eine Freundin hat im Ausgang zum Beispiel währen einer Runde Shots einen Früchteshot für mich bestellt. So kann ich mit ihnen anstossen.»

Der grosse Unterschied zwischen jenen, die regelmässig Alkohol konsumieren, und denen, die es eben nicht tun, ist der, dass die Entscheidung Alkohol zu trinken nicht diskutiert wird.

«Ich habe schon Follower:innen, die sagen, dass sie durch mich weniger trinken. Aber jede:r soll das machen, womit er oder sie sich wohl fühlen.»

Eine weitere Erfahrung ist auch die, dass gewisse Menschen absolut schockiert sind, wenn jemand völlig heiter und gleichzeitig nüchtern sein kann. Viele glauben, sie können sich ohne Alkohol nicht wirklich «gehenlassen».

Die gesellschaftliche Akzeptanz vom Casual Drinking unterstützt das: Alkohol wird im Gegensatz zu anderen Genussmitteln wenig verteufelt. Die gesundheitlichen Folgen sind zwar vielen bekannt, werden aber wenig diskutiert und meistens ignoriert.

Beispielsweise wird auf Zigarettenverpackungen stets mit Bildern oder Warnhinweisen auf die möglichen Folgen hingewiesen, ganz im Vergleich zu den bunten Alkoholflaschen.

Schlussendlich soll es trotzdem allen selbst überlassen sein, Alkohol zu trinken, oder nicht. Das einzig Verwerfliche ist der Versuch, andere zum trinken zu animieren.

20. Januar 2022

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