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Mental Health: Burnout

In unserer Hochleistungsgesellschaft jagen wir einen Erfolg nach dem anderen und verlieren oft den Blick für unsere Grenzen und Kapazitäten. Das Burnout-Syndrom ist daher ein allgegenwärtiges Thema. Wie geht man mit so viel Druck und der daraus resultierenden Krankheit um? Eine Betroffene und eine Fachfrau erzählen.

Von Vanessa Votta

Burnout Anzeichen

Ein Burnout ist ein Zustand körperlicher und geistiger Erschöpfung. Oftmals geht ein Burnout mit Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Überforderung einher. Um tiefer in das Thema einzutauchen, haben wir uns mit einer Burnout-Patientin unterhalten. Tina Gobet hat mit uns über ihre persönliche Erfahrung mit der Krankheit, die sie immer noch zu bekämpfen versucht, gesprochen.

Wie hat sich der Beginn des Burnouts angefühlt und woran hast du gemerkt, dass es so nicht mehr weitergehen kann?

Ich hatte und habe seit mehreren Jahren mit Schlafproblemen zu kämpfen. Ich habe ständig Überstunden gemacht, halste mir immer mehr Aufgaben auf und wollte es immer allen recht machen. Irgendwann ging das dann einfach nicht mehr. Ich habe nur noch geweint, konnte mich bei der Arbeit nicht mehr konzentrieren und zog mich immer mehr zurück. Ich traf keine Freund:innen mehr und wurde sehr sensibel und dünnhäutig.

Wie ist es bei dir zur Diagnose «Burnout» gekommen?

An den Tag, an dem ich endgültig zusammenbrach, erinnere ich mich noch gut. Ich sass da und konnte mich nicht mehr bewegen – auch das Denken viel schwer. Ich rief meinen Hausarzt an und konnte sofort bei ihm vorbeikommen. Das war definitiv der schwerste Schritt: Zu akzeptieren, dass es so nicht weitergehen kann und ich mir professionelle Hilfe suchen muss. Ich war von diesem Moment an nicht mehr leistungsfähig und funktionierte nicht mehr. Mein Hausarzt verwies mich an eine Psychologin und bereits nach dem ersten Gespräch bekam ich die Diagnose «Erschöpfungsdepression».

Womit hattest du am meisten zu kämpfen?

An meinem damaligen Arbeitsort war «Burnout» ein Tabuthema. Mein Chef hatte kein grosses Verständnis für meine Situation, meine Kolleginnen und Kollegen sprachen mich nicht darauf an. Ebenso konnten meine Eltern nichts mit dieser Diagnose anfangen. Erst als ich dann stationär in eine Klinik mit Gleichgesinnten verwiesen wurde, wurde mir bewusst, dass ich nicht allein bin.

Sehr schwer war es für mich zu begreifen, dass ich nicht mehr leistungsfähig bin. Ich habe meine Tochter über 20 Jahre lang allein aufgezogen, mich in Vereinen eingebracht, ein gutes soziales Umfeld aufgebaut und ständig gearbeitet. Und plötzlich ging da nichts mehr. Ich konnte keine Entscheidungen mehr treffen, wollte nicht mehr aufstehen. In diesem Zustand ist einem alles egal und am liebsten wäre man gar nicht mehr auf dieser Welt.

Wie hast du es geschafft, aus dem Burnout rauszukommen?

Der erste Schritt war, mir professionelle Hilfe zu holen. Danach kam der Eintritt in die Klinik, dort war ich für neun Wochen. In der Zeit danach habe ich mich sehr verloren gefühlt und deshalb beschlossen, noch für drei weitere Monate in eine Tagesklinik zu gehen. Dort habe ich gelernt, mehr auf mich zu achten. Selbstfürsorge und Achtsamkeit sind das Wichtigste. Aber auch Atemübungen, Meditation, Sport und Ernährung sind sehr wichtige Komponenten. Ein Tagebuch zu führen hat mir zusätzlich enorm geholfen, sowie das Einhalten von Tagesabläufen. Ich nehme Antidepressiva und bin dankbar dafür, denn sie halten mich einigermassen stabil; ohne Medikamente ist es noch sehr viel schwerer. Meine Tochter und mein Partner haben mir in dieser Zeit sehr geholfen. Es braucht viel Feingefühl und Verständnis, denn der Umgang mit depressiven Menschen ist nicht gerade leicht.

Wie lange hat die Erholzeit für dich gedauert und womit kämpfst du noch heute?

Ich bin nun seit eineinhalb Jahren nicht mehr am Arbeiten. Mir wurde in dieser Phase gekündigt. Nun bin ich in einem Belastbarkeits- und Aufbautraining. Dort lernen wir, Aufgaben zu erledigen, die Konzentration zu fördern und machen kognitive Übungen. Ich muss mich immer noch überwinden, morgens aufzustehen. Ich bin sehr schnell erschöpft und brauche tagsüber viele Pausen. Am meisten kämpfen ich mit der Angst, keine/n Arbeitgeber:in zu finden, die/der Verständnis für meine Situation aufbringt. Und ich habe Angst, nie wieder leistungsfähig zu sein.

Wie konntest du dich davon überzeugen, nicht mehr so streng mit dir selbst zu sein?

Mich überzeugen konnte ich bis jetzt noch nicht. Das ist ein täglicher Kampf und Prozess, sich selber zu lieben, sich so zu nehmen wie man ist, nicht immer alles perfekt machen zu müssen und achtsamer zu sein. Ich gebe mir aber alle Mühe, denn ich möchte wieder gesund werden und ohne Medikamente leben.

Die junge Generation ist enorm zielgerichtet und hat oft grosse Zukunftspläne. Gibt es deiner Meinung nach, punkto Druck, generationsabhängige Unterschiede und wie zeigen sich diese?

Schwer zu beantworten. Der Druck der Gesellschaft auf die jungen Menschen wird immer grösser. Jobs sind schwer zu kriegen, man muss sich ständig weiterbilden, studieren und Kurse besuchen. Ständig ist man erreichbar und muss sofort reagieren. Im Privatleben, wie auch im Berufsleben. Das hatten wir früher noch nicht, das machte alles ein bisschen leichter. 

Oft haben Eltern nicht mehr die Zeit, sich mit ihren Kindern zu unterhalten und ihnen zuzuhören. Dadurch erfahren sie nichts mehr von deren Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten. Das Ergebnis: Kinder und Jugendliche entwickeln Phobien, wissen nicht, wo sie stehen, fühlen sich unverstanden und alleingelassen. Es ist wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen.

Die Anzeichen eines Burnouts sind also ernst zu nehmen. Damit jede:r die Möglichkeit hat ein Burnout vorzubeugen, haben wir die Psychotherapeutin Iris Luykx, um Rat gefragt. Ein Burnout frühzeitig zu erkennen ist enorm wichtig. Darauf sollte jede:r achten, um nicht in eine Spirale der Erschöpfung zu geraten:

Wie beugt man einem Burnout am besten vor?

Man sollte sich und seine Gefühle ernst nehmen, die eigenen Grenzen akzeptieren und ehrlich mit sich selbst sein. Am besten macht man sich Gedanken, ob die Situation, in der man steckt, wirklich noch eine Herausforderung ist, an der man wächst, oder ob man in eine Überforderung geraten ist. Sich im Alltag immer wieder genug Zeit für Entspannung, Schlaf und genussvolles Essen ohne Handy oder andere Ablenkung zu nehmen und die Freundschaften zu pflegen ist auch enorm wichtig.

Persönliche Voraussetzungen, die vor einem Burnout schützen können, sind folgende: eine gute Selbstkenntnis, kombiniert mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Selbstakzeptanz. Wichtig ist, auch mal «Nein» sagen zu können und nicht allzu sehr auf die Anerkennung anderer angewiesen zu sein. Wer sich das nicht zutraut, sollte sich Unterstützung holen. 

Spaziergänge in der Natur, Achtsamkeitskurse, Yoga, Qigong, autogenes Training und ähnliche Ansätze können helfen, in stressvollen Momenten Entspannung zu finden. Sie verschaffen der Seele und dem Körper Raum, wieder mehr Kreativität und bessere Konzentrationsfähigkeit aufzubauen. Das ermöglicht einem auch mehr innere Distanz und dadurch die Fähigkeit, die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten und neue Lösungsansätze zu finden.

Stellt euch mal diese Fragen:

  • Geht mein Zeitmanagement auf?
  • Lege ich genug Pausen ein? 
  • Nehme ich meine eigenen Bedürfnisse wahr?
  • Spüre ich mich überhaupt körperlich?

Falls eine andauernde Arbeitsüberlastung durch den/die Arbeitgeber:in besteht, es wenig oder keine Anerkennung für erbrachte Leistungen gibt, ein schlechtes Arbeitsklima herrscht, die eigene Kontrolle über die zu erledigenden Aufgaben fehlt, kann eine Kündigung ein angebrachter Weg sein. 

Wie merkt man, dass man ein Burnout hat? Auf welche Anzeichen sollte man achten?

Betroffene erkennen die Gefahr oft lange nicht, da die Symptome eher schleichend kommen. Am Anfang steht meist ein diffuses Gefühl, dass etwas nicht stimmt, das man aber nicht wahrhaben will. Man kann nicht mehr abschalten, bleibt angespannt, bekommt Kopfschmerzen und kann nicht mehr gut einschlafen. Überengagement und alles allein schaffen zu wollen, gehören zu den grössten Anzeichen, dass man auf ein Burnout zuläuft. Dazu kommen oft schlechte Laune, ein Gefühl der Niedergeschlagenheit und der Ohnmacht. Es folgen Zynismus, Erschöpfung, innere Leere.

Was tun, wenn die Burnout-Anzeichen schon Teil des Lebens sind?

Je früher die Erkenntnis kommt, dass man auf ein Burnout zuläuft, desto schneller kann man sich Hilfe holen und desto schneller gelingt auch Heilung. 

Zieht also lieber frühzeitig die Reissleine, macht eine längerfristige Pause oder lasst euch krankschreiben. Zudem sollte man sich gleich Unterstützung in Form eines Coachings oder einer Psychotherapie holen. So werden auch allfällige psychische Verletzungen und Traumata bewältigt, welche gesünderen Denk- und Verhaltensweisen im Wege stehen.

Wie erkennt man Burnout-Anzeichen bei einer nahestehenden Person und was kann man als Aussenstehende:r tun?

Wenn sich eine nahestehende Person über einen längeren Zeitraum gestresst fühlt, immer die gleichen Strategien wählt, die keine Besserung bringen, immer mehr Überstunden leistet und Hobbys und Freund:innen vernachlässigt, spätestens aber, wenn sich die Persönlichkeit zu verändern beginnt, sollten die Alarmglocken läuten. Zeigt sich die Person beispielsweise immer genervter, unsensibler und niedergeschlagener, sollte man sie freundlich aber bestimmt darauf ansprechen. Es hilft, die beobachteten Veränderungen aufzuzeigen und zu beschreiben, was dieses Verhalten auch bei einem selbst auslöst. Wichtig ist aber, aufzupassen, dass man sich nicht selbst überfordert, indem man versucht, eine Diagnose zu stellen. Wenn nötig, hilft es, die Person zu einer Therapie zu begleiten oder bei der Suche nach einem/einer Therapeut:in zu unterstützen.

Wer unsicher ist, ob der Weg ins Therapie-Office der richtige ist, kann sich bei «Die Dargebotene Hand» telefonisch auf 143, via Mail oder in deren Chat melden und die Situation schildern.

17. Januar 2022

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