*Im nachfolgenden Artikel geht es um den natürlichen Zyklus menstruierender Menschen. Die Ratschläge sind dennoch auch für alle förderlich, die hormonell verhüten und dadurch keinen natürlichen Zyklus haben. Die Anregungen basieren auf meiner eigenen positiven Erfahrung damit. Krankheitsbilder, die den Zyklus betreffen, sind ernst zu nehmen und eine Sache für sich. Doch besonders in solchen Fällen ist es wichtig, liebevoll mit sich selbst umzugehen und auf die Bedürfnisse des Körpers zu hören. Und ja, der Text ist auch für nicht-menstruierende Menschen gedacht, da es alle etwas angeht.
Eine gute Freundin sagte mir letztens, dass sie ihre Tage momentan extrem stark hat und deshalb lieber den Termin von der Arbeit absagen möchte, um im Bett bleiben zu können. Fast schon hätte ich mich gefreut, weil ich dachte: Geil, wir sind schon mal einen Schritt weiter. Doch noch bevor ich sagen konnte: Ja, mach das unbedingt und hör darauf, was dein Körper braucht; deine Gesundheit geht vor und ist wichtiger als jeder Termin – fügte sie hinzu: «Das kann ich aber nicht bringen, man wird so kurzfristig keinen Ersatz mehr für mich finden. Auch wenn ich nicht weiss, woher ich die Kraft und Energie nehmen soll, aber es muss ja irgendwie gehen, trotz Schmerzen. Warum werden wir Frauen mit unserer Periode bestraft? Es nervt so sehr.» Ich weiss nicht, was mich in dem Moment so schockierte: War es ihre Haltung gegenüber dem eigenen Zyklus? Oder war es die Tatsache, dass das eigene Wohlbefinden und die Gesundheit beim Unterordnen in das System immer noch viel zu wenig Platz haben? Wahrscheinlich beides.
Gleichzeitig hatte ich sehr viel Verständnis für ihre Denkweise und ihr Verhalten, da ich selbst viele Jahre genauso eine negativ behaftete Sicht auf meine Periode hatte. Es war die Sicht, die ich von der Gesellschaft, von Lehrpersonen und vorherigen Generationen unhinterfragt übernommen hatte. Sehr oft handelte ich deshalb gegen das, was meinem Körper während des inneren Winters gut getan hätte. Ich weiss leider, wie unnachhaltig das ist und kenne auch das bedrückende Gefühl, das aufkommt, wenn einem das System oder der gesellschaftliche Druck gar keine andere Wahl lässt. Wie viele andere habe ich im Teenageralter gelernt, dass die monatliche Blutung etwas Störendes und nichts Schönes ist und lehnte diesen Teil von mir lange ab. Wichtig ist, sich selbst und andere nicht dafür zu verurteilen, so zu denken oder gedacht zu haben, denn das bringt uns ebenso wenig weiter wie Schuldzuweisungen. Wir müssen verstehen, dass wir mit dem Wissen, das uns mitgegeben wurde, immer unser Bestmögliches getan haben oder tun. Das gilt auch für die Generationen vor uns. Erst, wenn wir neue Erfahrungen machen und es besser wissen, dann können wir auch besser handeln und einen neuen Weg wählen. Dafür braucht es zeitgemässe Aufklärung und Geduld, denn die destruktiven Glaubenssätze über Weiblichkeit, Zyklus und unseren Körper, die sehr tief im Kollektivbewusstsein der Menschheit verankert sind, haben viel mit der jahrhundertelangen Unterdrückung der Frau zu tun.
Das klingt erstmal nach viel Arbeit, doch tatsächlich braucht es nur die bewusste Entscheidung von einem selbst, von nun an einen besseren Weg gehen zu wollen; sowie ein paar ehrliche Selbstbeobachtungen und einfach umsetzbare Akte der Selbstfürsorge. Im Alltag schenken wir unserem Körper nämlich meist gar keine oder viel zu wenig Beachtung für all die wunderbaren Dinge (wie den monatlichen Zyklus), die er vollbringt. Manchmal schenken wir ihm zwar Beachtung, aber reden negativ mit ihm, beschimpfen ihn und kämpfen gegen ihn an, sei es bewusst oder unbewusst. Das Ding ist: Unser Körper hört uns. Egal, wie wir mit ihm kommunizieren, unserem Körper – der mit Geist und Seele eine Einheit bildet – entgeht nichts. Es liegt also an uns, zu entscheiden, was er von uns hören wird. Entkräftende, angreifende, schwächende Worte oder besser solche, die bestärkend, wohlwollend und liebevoll sind und unsere Dankbarkeit ausdrücken? Deshalb ist es sehr lohnend, endlich Frieden mit dem eigenen Zyklus zu schliessen!
Frage dich selbst beim nächsten Mal ganz bewusst: Wie reagiere ich auf das Einsetzen meiner Periode? Was ist das erste Gefühl, das aufkommt? Was sind meine Gedanken? Bin ich genervt, wenn meine Blutung wieder beginnt? Spielt womöglich Scham eine Rolle? Welche Worte und Sätze nutze ich in meinem inneren Dialog? Empfinde ich die monatliche Blutung als Belastung, als Strafe, als etwas Störendes? Verwende ich mehr Energie darauf, den Teil von mir abzulehnen, der mich zu einer selbst ermächtigten Person macht, anstatt ihn liebevoll anzunehmen? Glaube ich, dass meine feminine, intuitive Seite schwach ist? Ist das der Grund, warum ich mich zusammenreisse und mich durch die Low-Energy-Days pushe, anstatt auf mein Bedürfnis nach mehr Ruhe zu hören? Wie viel kämpfe ich gegen meine inneren Prozesse an? Es ist wichtig, sich hier möglichst wertfrei zu beobachten. Es bringt schliesslich nichts, sich auch noch darüber zu ärgern, dass man negative Glaubenssätze hat. Sie sind da. Um sie zu ändern, kommt man nicht drumherum, sie zunächst zu akzeptieren. All die individuellen Erkenntnisse aus diesen Selbstbeobachtungen können bereits sehr heilsam sein. Damit kann man sich so viel Zeit lassen, wie man braucht. Ob zwei Zyklen oder sechs, das spielt keine Rolle. Hilfreich ist es ausserdem, den eigenen Prozess schriftlich festzuhalten und sich immer wieder zu reflektieren.
Nach dieser Bewusstwerdung geht es an die aktive Selbstliebe: Wie kann ich meinen Körper und meinen Zyklus mehr würdigen und lieben lernen? Das ist gar nicht so schwer. Es ist bereits ein guter Anfang, wenn man die nächste Periode einfach mal ganz bewusst willkommen heisst; ihr zeigt, dass sie wirklich gerne da sein darf. Klingt vielleicht albern und fühlt sich zunächst auch ungewohnt an, aber es ist tatsächlich das schönste Geschenk, das man sich machen kann. Wie wärs also beim nächsten Zyklusbeginn mit einem ehrlichen: «Hello my love – du kommst gerade richtig. Danke, dass du ein Zeichen meiner Gesundheit und meines funktionierenden Organismus bist. Grüsse gehen raus an meine wundervolle Gebärmutter! Danke, dass du mich reinigst und mir die Möglichkeit gibst, auf meine Bedürfnisse zu hören.»
Da unser monatlicher Zyklus mit seinen verschiedenen Phasen auch sehr viel Weisheit bereithält, können wir ihm auch einfach Fragen stellen. Welche Erkenntnisse willst du mir diesen Monat mit auf den Weg geben? Falls starke Schmerzen da sind: Wo genau spüre ich euch und was wollt ihr mir sagen? Seid ihr nur so stark, weil ich unterbewusst gegen meine inneren Körperprozesse ankämpfe? Welche Themen stehen gerade im Vordergrund, was darf ich momentan anschauen, was bedarf Akzeptanz und Heilung? Wie kann ich mich selbst und die harte Arbeit, die mein Körper leistet, jetzt am besten unterstützen?
Die Antworten kommen von allein, einfach mal reinhören. Wenn wir uns von der inneren Intelligenz des Körpers leiten lassen, fällt es ausserdem viel leichter auf die eigenen Bedürfnisse zu hören. Wenn wir unserem Körper erlauben, das zu tun, was auch immer er tun möchte, dann befinden wir uns in Harmonie und nicht mehr im Kampf.
Um noch einen Schritt weiterzugehen, können wir auch mal die Reaktionen anderer genauer beobachten: Wie reagiert mein Umfeld darauf, wenn ich anmerke, dass ich gerade meine Tage habe? Ist es Mitleid? Ist es Mitgefühl? Ist es ein stilles Ignorieren, weil darüber nicht geredet wird? An dieser Stelle dürfen sich gern alle nicht-menstruierenden Menschen mal die Frage stellen: Wie reagiere ich darauf, wenn meine Partnerin, Frau, Tochter, Mutter, Schwester, Nichte, Kollegin, Mitbewohnerin oder eine Freundin sagt, dass sie ihre Tage bekommt oder bekommen hat? Was denke ich? Woher kommt diese Sichtweise? Ist es dienlich? Was kann ich besser machen?
Der weibliche Zyklus ist nichts, was Mitleid, Ablehnung oder Scham hervorrufen sollte. Das war lange genug der Fall, doch heute wissen wir es besser. Viel angebrachter ist eine positive Zusprache. Dankbarkeit und Wertschätzung dafür, dass die Person das so offen teilt. Respekt und Achtung für die individuellen Bedürfnisse der Person, die gerade ihre Menstruation hat. Hilfreiche Neugier und Unterstützung mit Aussagen und Fragen wie: «Find‘ ich gut, dass du Frauengesundheit sichtbar machst. Kann ich dir etwas Gutes tun?» Oder eben einfach ein: «Cool, happy Bleeding!»
Unser Umfeld beeinflusst uns, doch auch wir können es beeinflussen – am besten in eine Richtung, die uns auf gesunde Weise unseren monatlichen Zyklus zelebrieren lässt und die uns Raum gibt, eine gute Beziehung zu unserem Körper aufzubauen. Denn, wenn wir annehmen, was sowieso zu uns gehört, dann ist die monatliche Blutung weder eine Strafe noch ein Tabu, sondern ein wunderbares Geschenk, welches uns zu mehr Selbsterkenntnis und Wachstum verhelfen kann. Wir haben die Wahl, sie als genau das zu sehen.
07. Dezember 2023