«Dein Taxi ist da» ist der Titel des Debütromans der Schauspielerin und Autorin Priya Guns. Sie wurde in Sri Lanka geboren und ist in Toronto aufgewachsen. Guns studierte Kreatives Schreiben an der Kingston University und publizierte bisher vor allem Kurzgeschichten und Kolumnen.
Der Roman handelt von Damani, einer queeren, tamilischen Frau, die als Taxifahrerin für eine Uber-ähnliche App namens «RideShare» arbeitet. Ihr Vater ist vor Kurzem verstorben, ihrer Mutter geht es nicht gut und der Stapel an unbezahlten Rechnungen wächst und wächst. Damanis Tage sind monoton und anstrengend, für Ausgleich bleibt ihr nicht viel Zeit. Da sie sich keine Therapie leisten kann, schaut sie die YouTube-Videos einer Hobby-Psychologin, und wenn sie neben all der Arbeit noch Energie hat, stählt sie ihren Körper mit Home-Workouts oder trifft ihre Freund:innen und andere Menschen ihrer Community. Sie gehen oft ins Doo Wop, einem offenen, autonomen Space, der so etwas wie das utopisch-friedliche Gegenstück zum Rest der Grossstadt bietet. Denn dort ist die Hölle los, tausende Menschen gehen auf die Strasse, um für Frieden und Gerechtigkeit zu protestieren. Man habe als Autor:in die Verantwortung über die Dinge zu schreiben, die gerade in der Welt passieren, sagt Priya Guns bei Zürich liest, man müsse den Leser:innen aber auch hoffnungsvollere Alternativen anbieten.
Während die Aufstände immer lauter werden, fährt Damani tagein tagaus mal nette, mal seltsame, mal übergriffige Kund:innenschaft von A nach B – bis eines Tages Jolene in ihr Leben stolpert. Jolene ist weiss, wohlhabend, wunderschön, die beiden verlieben sich sofort. Sie ist ein «Social Justice Warrior», eine, die sich überall engagiert, aber dabei immer oberflächlich bleibt. «So etwas wie eine Karen für Millenials», erklärt Priya Guns, politisch korrekt, sich aber der eigenen Privilegien selten bewusst. Die beiden könnten unterschiedlicher kaum sein, und doch brauchen sie einander: Damani sieht in Jolene die Möglichkeit für ein besseres Leben, während Jolene mit ihrer Beziehung zu Damani ihren Aktivismus rechtfertigen möchte.
«Dein Taxi ist da» ist ein Buch über Armut und Privilegien, über die Intersektionalität von Race und Klasse, dem es gelingt, postkoloniale Theorie mit Fiktion zu verweben. Es ist aber gleichzeitig eine Geschichte über Liebe, Freund:innenschaft und Familie. Während die Leser:innen die Auf und Abs der interracial Lovestory zwischen Damani und Jolene verfolgen, werden sie immer wieder zur Selbstreflexion angeregt: zu ihren eigenen Rassismen und Vorurteilen, und darüber, ob sie vielleicht selbst eher zu den sogenannten Aktivismus-Tourist:innen gehören, die nur demonstrieren, wenn es gerade Trend ist. Belohnt wird man als Leser:in aber auch, zum Beispiel mit den auffällig kurzen Kapiteln, die teils nur eine Seite umfassen. «Ich wollte, dass die Menschen beim Lesen Erfolgserlebnisse haben», begründet Guns ihre Entscheidung, den Roman in Häppchen zu servieren.
Weiterhin fordert Priya Guns auch die Vorstellungskraft ihrer Leser:innen, denn sie lässt immer wieder bewusst Informationen aus: den Namen der Stadt, in der das Buch spielt, die Herkunft und die Hautfarbe aller Figuren ausser Damani und Jolene. Einerseits solle man sich dazu selbst Gedanken machen, andererseits biete es den Leser:innen auch mehr Raum für Identifikation mit eigens Erlebtem.
Was an «Dein Taxi ist da» ausserdem auffällt, ist Priya Guns Bezug zu Film und Schauspiel. Sie habe sich den Roman bereits auf der Leinwand vorgestellt, als sie sich noch im Schreibprozess befand, sagt sie. Und es fällt tatsächlich nicht schwer, sich die Story als Bewegtbild vorzustellen, denn Guns Art, Szenen zu erzählen und Dialoge zu schreiben, ist eindeutig filmhaft. Ihre Sprache hat dabei einen beinah musikalischen Flow, sie passt zur Ich-Erzählerin Damani, die bei all den Hindernissen, die ihr das Leben in den Weg stellt, immer noch beneidenswert cool ist und kein Blatt vor den Mund nimmt.
Um sich besser in ihre Hauptfigur hineinzufühlen (die keine autobiografischen Züge hat, wie Guns betont), betrieb die Autorin sogenanntes «method writing»: Priya Guns begann Fahrstunden zu nehmen, sich mehr und mehr wie Damani zu kleiden und sich an Liegestützen zu versuchen. Intensive Recherche betrieb sie ausserdem zum Thema Taxifahren: bei «Cabbies» aus der eigenen Familie und in zahllosen Gesprächen mit Fahrer:innen. Guns ist selbst in einem Verein tätig, der sich für die Rechte von Taxifahrer:innen einsetzt, die oft unter den ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen leiden.
«Dein Taxi ist da» ist ein lauter, zutiefst gegenwärtiger Roman, der alles zu wollen scheint und dem vieles gelingt. Während sich die Erzählerin in den ersten beiden Dritteln viel Zeit nimmt, Damanis Alltag zu umzeichnen und die Figuren zu etablieren, bis es schliesslich zu einer Folge explosiver Ereignisse kommt, wird der letzte Teil etwas zu schnell verhandelt. Die grösste Qualität dieses Buchs ist mit Sicherheit die Bestimmtheit, mit der es Ungerechtigkeiten benennt und den Finger in die Wunden unserer Zeit legt.
Das Buch: «Dein Taxi ist da» (OT: «Your driver is waiting») von Priya Guns ist am 14.03.2023 in der Übersetzung von Mayela Gerhardt im Blumenbar Verlag erschienen.
Die Veranstaltung: Am 27.10.2023 las Priya Guns im Rahmen von Zürich liest im Karl der Grosse in Zürich. Moderiert wurde das Gespräch von Marcy Goldberg.
01. November 2023