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«Bewegung ist ein verbindendes Element» – Yael Anders im Interview

Stillstand? Gibts bei Yael Anders nicht. Die junge Designerin sprüht vor positiver Energie, die sie gerne mit ihrem Umfeld teilt – auf alle nur möglichen Arten. Wir haben uns mit Yael über ihre Leidenschaft, Träume und Movement unterhalten.

Von Leila Alder

Um weiterzukommen, muss man in Bewegung bleiben. Konstant. Yael Anders wurde die Bewegung quasi in die Wiege gelegt. Ihr Vater war Profisportler. Die Grossmutter Skilehrerin. Das gemeinsame Hobby ihrer Eltern: Extremsportarten. So überrascht es nicht, dass die Schweizer Designerin immer on the move ist – nicht nur physisch, sondern auch bei ihrer kreativen Arbeit.

Eine ihrer letzten Kreationen ist eine Videoinstallation, die in Zusammenarbeit mit Tymen Goetsch für adidas Originals entstanden ist. Die beeindruckende Arbeit ist inspiriert von Yaels Lieblingssneaker: dem adidas-Original «Gazelle».

Im Rahmen der neuen adidas Originals-Kampagne, die Kreative in den Fokus rückt, haben Yael und ich uns in ihrem Studio unterhalten.

Yael, wenn es eine weiss, dann du: Wie macht man seine Leidenschaft zum Beruf?

Yael: Das ist ein langer Prozess. Einer, auf den man vertrauen muss. Man darf nur wenige Erwartungen an den Outcome haben und muss flexibel bleiben in seiner Leidenschaft. Mut, Drive und eine gute Portion Glück braucht es ebenfalls. Zeitliche und ökonomische Fragen spielen da eine grosse Rolle. Hätte ich meine Leidenschaft vor 40 Jahren ausgelebt oder in 20 Jahren, hätte sie vielleicht keinen Anklang gefunden. Die Zeitlichkeit ist allgemein etwas, das mich umtreibt. Sie ist für mich nichts Lineares, sondern etwas Zyklisches.

Das spiegelt sich auch in den Formen, mit denen du arbeitest, wider. Es scheint, als würde sich bei dir vieles vermischen, ich kenne das auch von mir. Leidenschaft, Gedanken, Arbeit… Dadurch wird eine Abgrenzung doch immer schwieriger. Wie gelingt dir ein Ausgleich?

Man muss sich selber und seine Grenzen sehr gut kennen, um eine Balance schaffen zu können. Wenn man zu oft die eigenen Belastungsgrenzen überschreitet, kann die Lust verschwinden. Durch die Selbstständigkeit bin ich frei in meiner Zeiteinteilung. Das sehe ich als grosses Geschenk für meine Selbstbestimmtheit. Wenn ich mal eine Blockade habe, dann gehe ich raus und bewege mich – egal zu welcher Tageszeit. Sport gibt mir diesen Fokus, den ich oft brauche. Bewegung ist für mich ein verbindendes Element in ganz vielen Bereichen meines Lebens.

Installation «Squiggels» von Yael Anders und Tymen Goetsch

Du bist tatsächlich immer on the Move, wirst du nie müde?

Doch, ich habe diese Nacht megaviel geschlafen (lacht). Ich versuche immer so viel wie möglich zu schlafen. Man braucht Ressourcen, um zu funktionieren und zu kreieren. Die besten Ideen kommen dann, wenn man Energie hat. Wenn du ausgelaugt bist, kannst du nichts von dir erwarten.

Was möchtest du mit deiner Arbeit bewirken?

Ich versuche den simplen Aspekt der kreativen Arbeit, der für viele Menschen nicht greifbar ist, in den Fokus zu rücken. Ich möchte damit die Lust an künstlerischen Prozessen und Techniken fördern. Meine Arbeit soll Neugier in Menschen wecken und sie dazu motivieren, selbst aktiv zu werden und etwas zu gestalten, neue Dinge auszuprobieren. Gestalterische Tätigkeiten sind schlussendlich eine Form von Ausdruck und geben einem die Möglichkeit, auf einer visuellen Ebene ganz ohne Sprache zu kommunizieren. Das baut Barrieren ab und schafft eine neue Form, um zwischenmenschlichen Beziehungen aufzubauen.

Das kann ich mir vorstellen. Bei Besuchen treffe ich immer wieder auf Tassen oder Vasen von dir. Wie verhalten sich deiner Meinung nach Kommerz und Kreativität zueinander?

Kommerzialität kann die Kreativität einschränken oder sogar zerstören. Es kommt es aber auch darauf an, was man für ein Verständnis man von Kreativität hat. Wenn man die beiden Dinge komplett entkoppeln würde, gäbe es zwar mehr Dimensionen oder Möglichkeit, jedoch ist das System, in dem wir leben, auf Kommerz aufgebaut. Eine Abgrenzung ist kaum unmöglich. Man muss sich darin zurechtfinden. Für mich ist zum Beispiel das Kreieren eines Produktes eine meditative und hochkreative Tätigkeit, die schlussendlich trotzdem zu einem kommerziellen Produkt führt.

Ich kenne dich nun schon eine Weile. Du bist eine der grossartigsten Freundinnen – nicht nur für mich. Du inspirierst so viele Menschen und empowerst sie auch aktiv. Wer inspiriert dich und warum?

Danke, es ist schön, dass du das sagst und erkennst. Gewisse Dinge sind für mich selbstverständlich und ich mache sie ganz automatisch, weil ich so sozialisiert wurde. Ich musste aber realisieren, dass es je nach Branche alles andere als normal ist, einander zu supporten und füreinander da zu sein. Seither versuche ich noch aktiver andere zu unterstützen und zu connecten. Es ist auch das, was mich inspiriert: Zusammenhalt und Zusammenschluss. Menschen, die mich inspirieren, sind viele aus meinem näheren Umfeld oder aus meiner Vergangenheit. Meine Gastmutter aus Schweden zum Beispiel. 
Als ich sie kennenlernte, krempelte sie ihr ganzes Leben um, gründete ein ökologisches Agrikulturunternehmen mitten auf dem Land, darüber wurde sogar in der New York Times berichtet. Eine weitere Inspiration ist meine langjährige Freundin Noemi Grütter. Sie ist eine feministische Aktivistin, die sich auch für ein intensiveres Miteinander einsetzt.

Wovon träumst du?

Ganz ehrlich: Von einer gerechteren Welt… Ich hoffe, dass Alltags-Modelle und Systeme, die zu mehr Gemeinschaft, mehr Solidarität und Toleranz führen, den Weg in unsere Gesellschaft finden und zu einer Norm werden.

Und wann bist du am glücklichsten, Yael?

Dann, wenn ich kreiere. Wenn ich komplett auf das fokussiert bin, was ich tue – mit meinen Händen. Dann blende ich in diesem Moment alles aus und bin einfach.

26. November 2023

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