«Carwash Concerts» nennt sich die innovative und einzigartige Gigreihe, die einen recht banalen, alltäglichen Ort in eine belebte Bühne für Livemusik verwandelt und Menschen zusammenbringt: Autowaschanlagen! Sänger, Komponist und Produzent Patrice Bart-Williams, stellte das Team für die Konzert-Initiativen zusammen. Sein Ziel mit diesem Projekt ist es, konventionelle Kontexte und traditionelle Ansätze neu zu definieren oder sie gar ihrem begrenzenden Rahmen zu entreissen. Er weiss, dass das hin und wieder nötig ist, um etwas noch nie Dagewesenes zu kreieren. Die Konzerte sollen deshalb transformative Erlebnisse sowohl für Künstler*innen als auch für Zuschauer*innen sein.
An den ausgewählten Locations, die immer wieder neu entdeckt werden, wächst Kreativität aus Böden, die für andere unfruchtbar erscheinen. Hier erblühen Ideen aus Ecken, auf die ein neues Licht geworfen wird. Für Künstlerinnen und Künstler sind «Carwash Concerts» eine ideale Plattform, um ihre Musik in einer faszinierenden Atmosphäre zu präsentieren und ein internationales Publikum damit zu inspirieren. Emotionen, Energie und Erneuerung durchdringen dabei die verschiedensten Autowaschanlagen und es werden Kräfte freigesetzt, die den künstlerischen Ausdruck globaler Musiker*innen für alle hör- und spürbar machen.
Ein Zartgefühl im Retrostil: wild, weich und unapologetic
In den charakterstarken Waschanlagen, die als Hintergrund für die «Carwash Concerts» dienen, wird das Gewöhnliche abgewaschen und das Unerwartete schäumt hervor. Die grossen, oftmals blauen Textillamellen schwingen bei der Livemusik mit und Harmonie perlt nicht mehr ab, sondern haftet an. Von den Decken der Waschboxen tropft Rhythmus und Wandel passiert im sich stets verändernden Zeitgeist.
Hier treffen scheinbar komplett verschiedene Welten aufeinander und finden eine gemeinsame Mitte. Ein Ort, wo Wasser den Dreck und den Staub des Alltags abwäscht, wird zu einem Raum, wo Musik unsere Seele von allem Überflüssigen reinigt und uns innerlich erneuert. Ein Ort, der sonst nur zur Durchfahrt einlädt, wird ein Platz zum Verweilen, voller Begegnung, Bewegung, Menschsein. Doch im Gegensatz zum Polieren bis zur Perfektion bleibt die Musik roh, echt, verletzlich, gefühlszart, kraftvoll urban, perfekt-unperfekt.

Diese Musiker*innen und Bands waren schon am Start
Mittlerweile gab es bereits mehrere «Carwash Concerts» an unterschiedlichen Orten in Deutschland und sogar die YouTube-Videos der Performances gingen durch die Decke, denn die Leute lieben diese neue Art von Gigs. Deutschlands wohl vielseitigster Rapper Curse brachte zum Beispiel seine tiefgründigen Texte, unter anderem auch feat. Patrice, in Einklang mit dem ungewohnten Bühnenbild. Und spätestens da haben wir gemerkt, dass sogar in Autowaschanlagen «immer, immer wieder» die Sonne aufgeht, wie er es singt. Die nigerianisch-deutsche Soul- und Reggae-Sängerin Nneka sorgte mit ihrer kraftvollen Stimme für Gänsehaut und eine Rebirth-Experience, die es so noch nicht gab. Die Singer-Songwriterin MILAA überzeugte mit ihrer intimen und gefühlvollen Love confession. MANA, eine Band aus drei Schwestern, die die Bühne mit ihrem Vater teilen und ein Sinnbild für echtes musikalisches Erbe darstellen. Soul pur! Auch die jungen Frauen der New Soul Generation sorgten für frischen Wind und interpretierten Funk neu. Sie sangen es auf den Punkt: Good Girls müssen nicht bad werden, um verdammt gut zu sein. Und Soul of Braunschweig verpackten ihre rohe Wahrheit in den Sound ihrer Generation und erschufen warme Klangbilder, die an den Soul der 60er und 70er erinnern.
Jeder Auftritt ist ein Statement für sich, und zwar genau dort, wo Räume mehr sind, als sie scheinen, und wo Musik mehr leuchtet als jedes Licht. Auf den ersten Blick ist eine Autowaschanlage zwar nur funktional, industriell und ziemlich steril, doch genau da liegt Poesie: Alte Erwartungen werden eingeweicht und machen Platz für stabile Perspektiven, intime Sounds, echte Seelen und neue Ohrwürmer. Es geht um die kreative Freiheit, Musik überall geschehen zu lassen und erlebbar zu machen.
Würdigung der sozialen und historischen Rollen von Carwashs
In den USA waren und sind Autowaschanlagen seit jeher Treffpunkte, besonders innerhalb der afroamerikanischen Community: Hier passiert Austausch, es wird geredet, Musik gefeiert, getanzt, hier entstehen Ideen. Und wahrscheinlich wird genauso oft über Jokes gelacht wie ernsthaft über politische Themen diskutiert. Carwashs sind soziale Orte, die als grosses offenes Ohr für eine Gemeinschaft dienen. Es liegt also bei genauerem Hinschauen sogar nahe, dass sich an einem solchen Platz zum Sein noch mehr Ohren öffnen dürfen für klangvolle Vibes und real life experiences. Noch dazu symbolisieren Carwashs Unabhängigkeit und Zusammenhalt und laden gleichzeitig zum Zelebrieren der nationalen Identität und der kulturellen Wurzeln ein. Denn in einer von Ausgrenzung geprägten Gesellschaft praktizierten die Menschen an eben diesen Orten schon Empowerment, lange bevor der Begriff en vogue wurde.
Wie man sieht, sind Autowaschanlagen ein popkulturelles Phänomen und dabei trotzdem weit entfernt von der starken kommerziellen Ausrichtung. Der ganze Vibe der Idee, die Waschanlagen als Szenerie für Musiker*innen und Bands zu nutzen, sprengt laut und kunstvoll alles Gewöhnliche und Erwartbare. Aus Musikvideos oder Filmen kennen wir Autowaschanlagen bereits als urbane Kulissen, die eine lebendige und gleichzeitig ungezwungene Selbstinszenierung repräsentieren: Zeit für Umbruch und Neuanfang. Vom Ohr direkt ins Herz und durch den ganzen Körper fliessend; wo die Rhythmen, Beats und Texte bis ins Blut übergehen. Deshalb: Ja, Musik kann in einem Zwischenraum, in dem sich immer wieder Schmutz in Glanz verwandelt und sich Veränderung ausdrücken will, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Very refreshing!
07. Juni 2025