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Gefährliches Phänomen: White Savior-Komplex

Wie jeder Mensch früher oder später lernen muss; gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Genau so ist es auch bei der Entwicklungshilfe. Besonders oft verfallen weisse Menschen in ein Muster, das es aktiv zu bekämpfen gilt, nämlich den «White Savior-Komplex».

Von Sina Schmid

Wie oft sehen wir Bilder von Missionierenden in Entwicklungsländern, wie sie mit vermeintlich armen Kindern im Arm posen und dafür viel Lob ernten? Zu oft. Denn hinter den möchtegern-noblen Motiven versteckt sich ein problematisches Gedankengut. 

Dass die Entwicklungshilfe oft mehr Schaden anrichtet, als Hilfe leistet, ist den breiten Massen nicht ganz klar. Ihr Gewissen ist schon beruhigt, nachdem sie schnell einen kleinen Betrag an oftmals grosse Organisationen spenden, statt sich zu informieren, was mit ihrem Geld wirklich passiert.

Beim White Savior-Komplex geht es jedoch um Anteilnahme in der Entwicklungshilfe, aber auch im Alltag im Westen. Es handelt sich dabei um den Glauben oder die Hoffnung, als weisse Person zu meinen, gut Hilfe leisten zu können, beziehungsweise besser als Betroffene.

Das fängt da an, wo weisse Menschen beim Thema Rassismus am lautesten Aufklärung leisten wollen, statt Betroffenen das Wort zu überlassen, und geht weiter zu Hilfsprojekten, wo Unerfahrene vom geographischen Norden meinen, besser über die Lage und Lösungen für Bedürftige im geographischen Süden Bescheid zu wissen, als diese selbst.

Dann wollen diese Menschen auch gerne Lob dafür kassieren, Retter in der Not zu sein, obwohl das oft von den Betroffenen weder gefordert noch gewünscht ist. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.

Weisse Menschen sollten sich öfter ihre Motivation dahinter überlegen: will ich Betroffenen helfen, oder meinem schlechten Gewissen? Was ist der Auslöser für mein Handeln und wem hilft es dann wirklich? Wieso glaube ich, besser über die Bedürfnisse Bescheid zu wissen als Betroffene? Habe ich mit Betroffenen gesprochen, oder spreche ich für sie? All diese Fragen scheinen wir nur selten zu stellen.

Wenn jemand Bedürftigen helfen will, geht das auch ohne in ein Entwicklungsland zu reisen, um dort Fotos zu schiessen und dafür Lorbeeren zu ernten. Wenn jemand den Kampf gegen Rassismus unterstützt, muss diese Person nicht für Betroffene zum Sprachrohr werden, sondern eigene Privilegien nutzen und die Aufmerksamkeit auf Betroffene lenken, welche am besten selbst kommunizieren und aufklären.

Vielen Menschen fällt es jedoch schwer, sich mal nicht in den Vordergrund zu stellen. Es tut gut, Dinge zu hören wie: «Ja das hast du ganz fein gemacht! Danke, dass du eigentlich selbstverständliche Dinge machst, weil ein Teil der Gesellschaft sie leider noch nicht als selbstverständlich sieht.» Es ist falsch Menschen zu loben, die nicht rassistisch, sexistisch oder homophob sind. Denn dies sollte die Norm sein.

Wieso hören wir als Gesellschaft eher hin, wenn Gesagtes von Weissen stammt? Oder sehen eher hin, wenn es von Weissen gezeigt wird? Diese grundsätzlichen Denkfehler gilt es zu bekämpfen. Es liegt in unserer Verantwortung dieses Ungleichgewicht an Taten und Lob, effektiven positiven Auswirkung und Anerkennung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

22. Oktober 2021

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