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Schweigen und zum Schweigen bringen

Woran sich Schweizer Politikerinnen und Politiker endlich versuchen müssen: Ehrlichkeit und Transparenz. Was sie auch versuchen: die Pressefreiheit anzugreifen. Das kann nicht gut gehen.

Von Carla Reinhard

Wisst ihr, wie viel ein Wahlkampf kostet? Auf jeden Fall: sehr viel Geld. Bald wird die Frage wieder relevant, denn die grossen Parteien bringen sich für das Wahljahr 2023 in Stellung. Noch viel relevanter: Wer finanziert das alles? Wer viel Geld annimmt, steht in einer Bringschuld – auch wenn diese nicht ausgesprochen wird. Laut SRF spendet zum Beispiel Novartis jährlich 600’000 Franken an Parteien und Politiker*innen. Logisch, dass sich diese danach eher für die Pharmabranche einsetzen.

Bisher gibt es in der Schweiz kein Gesetz, das Parteien dazu bringt, ihre Karten offen auf den Tisch zu legen. Das soll sich bald ändern: Im März hat der Nationalrat angenommen, dass Parteispenden ab 15’000 Franken öffentlich gemacht werden müssen. Nur die SVP und ein grosser Teil der Mitte stimmten dagegen. Jetzt fehlt noch das Okay des Ständerates. Allerdings müssten dann auch persönliche Wahlkampfbudgets offengelegt werden. Und da halten die Ständerätinnen und Ständeräte die Karten nah an der Brust. In der Kommission wurde dieser Punkt nur sehr knapp mit sieben zu sechs Stimmen angenommen. Kein Wunder: Der Run auf einen Sitz im Stöckli kostet schon mal 200’000 Franken.  

Aber: Das Ablaufdatum des Versteckspiels naht, auch wenn sich einige bürgerliche Politiker*innen noch wehren. Transparenz und Ehrlichkeit sind heute keine Tugend mehr, sondern schlicht ein Zeichen der Zeit, eine Notwendigkeit. Bürger*innen sind zu gut informiert, als dass Geheimnisse noch nachhaltig sind. Tabus fallen gefühlt im Minutentakt  – es wird endlich gesprochen, nicht mehr verschwiegen. Über Sexualität, Rassismus, mentale Gesundheit und eben Geld. 

Gerade Social Media fördert einen offenen Dialog über tabuisierte Themen – und ist dabei manchmal gnadenlos. Die fünfte Gewalt belehrt, deckt auf, cancelt. Sie ist gleichzeitig Lupe, verschönender Filter und Manipulator. Sagen wir so: Es ist kompliziert. Meistens noch zu kompliziert und zu persönlich, als dass Politiker*innen eingreifen würden

Wieso ich das erwähne? Weil sie es bei den Medien versuchen. Und der Angriff auf die vierte Gewalt viel mit der fünften zu tun hat. Denn: Negative Presse hat heute auch dank Social Media schnell echte und manchmal echt harte Konsequenzen zur Folge. Stichwort: Shitstorm des Grauens. Das macht Angst vor Macht- und Kontrollverlust. Wer deswegen die Pressefreiheit angreift, unterstützt eine gefährliche Bewegung gegen Transparenz und Ehrlichkeit.

Laut Tagesanzeiger war es FDP-Ständerat Thomas Hefti, der kürzlich die Hürden für Klagen gegen Medien senken wollte. Und die Mehrheit des Stöcklis ist ihm gefolgt – ein erschreckender Entscheid für weniger Pressefreiheit und mehr Kontrolle durch Superreiche. Auch weil Schweizer Medien schon durch Sparwut, immer grösser werdende PR-Maschinen und das Fake-News-Narrativ unter Druck stehen. Jetzt muss das Parlament die vierte Gewalt stärken, nicht schwächen.

Wer jetzt noch schweigt und zum Schweigen bringt, hat etwas Grundsätzliches nicht verstanden: Transparenz und Ehrlichkeit bringen Vertrauen, Nähe, Legitimation. Damit kann auch ein superteurer Wahlkampf nicht mithalten.

10. Mai 2021

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