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Tod: Die Angst vor dem Ungewissen

Die meisten Menschen beschäftigen sich früher oder später mit dem Tod. Verschiedene Kulturen offenbaren verschiedene Arten mit dem Tod umzugehen, oder diesen zu thematisieren. Auch ist nicht jeder Tod gleich zu werten, Alter, Herkunft und Todesursache machen einen grossen Unterschied. Doch was hat es mit der Angst vor dem Tod auf sich? Ein Gedankenbrei.

Von Sina Schmid

Als erstes müssen wir zwei Ängste klar unterscheiden; die Angst vor dem Tod und die Angst vor dem Sterben. Der Tod ist das, was nach dem Sterben kommt. Das Sterben ist ein Prozess, der Tod das Resultat. Beispiel: viele Menschen haben Angst vor dem Ertrinken. Der Gedanke, in dieser Art zu sterben, löst in vielen Unbehagen aus. Jedoch hat die Unsicherheit was nach unserem Tod passiert, nichts mit dem Sterbeprozess zu tun.

Früher wurde in unserer Gesellschaft über das Sterben freimütig gesprochen; damals war die Sexualität tabu. Heute wird über Sex in aller Offenheit diskutiert, dafür gilt der Tod als obszön.

D. Belgum

Viel zu selten setzen wir uns mit dem Tod auseinander, vielleicht aus Eigenschutz. Der Tod betrifft uns meistens dann, wenn wir überraschenderweise mit ihm in Berührung kommen. Geht es uns und unseren Liebsten gut, gibt es ja keinen Grund sich gross Gedanken darüber zu machen. Wahrscheinlich ist genau das der Grund, wieso uns der Tod in westlichen Kulturkreisen so aus der Fassung bringt.

Wer sich aktiv mit dem Tod auseinandersetzt, ob das nun der eigene oder der von Angehörigen ist, wird früher oder später mit Fragen und Schmerz konfrontiert. Wie werden meine Angehörigen mit meinem Tod umgehen? Was, wenn ich nicht alles erreicht habe, was ich mir vorgenommen habe? Was passiert nach dem Tod?

Auch die pragmatischeren Fragen und Entscheidungen werden zu selten schon vor dem eigenen Tod beantwortet und getroffen: Wie möchte ich beigesetzt werden? Wie soll meine Beerdigung stattfinden? Ist mein Erbe geregelt? Möchte ich meine Organe spenden? Wir beschäftigen uns im säkularen Westen selten mit diesen Fragen. Grund dafür ist oft Angst.

Selbstverständlich ist diese Angst nicht unbegründet. Die menschliche Arroganz, auf alles eine Antwort zu haben oder zu wünschen, führt dazu, dass wir mit Unklarheiten weder konfrontiert werden noch umgehen möchten.

In religiösen Kreisen ist das anders. Da der Umgang mit dem Tod während dem Lebtag präsenter ist, ist der Umgang danach erleichtert. Nicht «leicht», denn der Tod ist für die Wenigsten etwas Einfaches.

Beispielsweise im Islam, wo das Leben sowohl als auch das Sterben und der Tod eine Prüfung Gottes, und nicht das «Ende» darstellt. Vielmehr ist der Tod die Heimkehr zu Gott. Dieser Glaube erleichtert den Schmerz über den Tod unglaublich.

 Oder im Buddhismus, wo der Tod als Schlüssel zur Befreiung gilt. Wo die meisten im Tod das Ende sehen, ist er im Buddhismus der Anfang.

Nur wenige nicht-religiöse oder nicht-spirituelle Personen werden diese Haltung zum Tod haben. Die Meisten werden wahrscheinlich gar keine Haltung zum Tod aufzeigen können. Das würde nämlich eine Konfrontation mit unserer Angst bedeuten.

Zugleich ist die Angst vor dem Sterben auch oft das, was uns am Leben hält. Dieser Urinstinkt, Leben zu wollen, spüren wir oft in Situationen, in denen der Tod nahe scheint. Dieser Schutzmechanismus ist nicht nur auf den physischen Körper übertragbar, sondern auch auf unsere Psyche; wer Angst vor dem Tod verspürt, wird mehr Leben wollen. Dieser Zusammenhang zeigt sich oft in depressiven Personen: Der Tod wirkt plötzlich nicht mehr so beängstigend, sondern erlösend.

Wie so oft gibt es keine Faustregel, wie mit der Angst vor dem Tod umzugehen ist. Es gibt auch kein «Richtig» oder «Falsch». Aber es gibt gewisse Dinge, die uns das Leben, und das Leben unserer Liebsten nach unserem Tod, einfacher machen.

Beispielsweise Gespräche mit unseren Angehörigen. Gedankenspiele über den Tod, was uns davor und danach wichtig ist. So helfen wir uns, wie auch den Menschen im nahen Umfeld.

Wer einen plötzlichen Tod im engen Umfeld erlebt hat, weiss, wie einschneidend das ist. Viele haben sich damit abgefunden, dass wir uns auf den Tod nicht vorbereiten können. Das mag stimmen, der Tod trifft oft unerwartet ein, aber wir können trotzdem gewisse Vorkehrungen treffen, um unsere Angehörigen vor dem absoluten Schockzustand zu schützen. Beispielsweise unsere Wünsche zu Beisetzung und Abdankung frühzeitig zu kommunizieren.

All das verhindert die emotionale Belastung eines Todes nicht. Aber die frühzeitige Konfrontation kann uns vielleicht einige Ängste nehmen. Wir wissen zwar nicht, was nach dem Tod passiert, aber wir wissen, dass unsere Liebsten weniger Entscheidungen für uns treffen müssen. Zusätzlich führen Gespräche über den Tod vielleicht zur einen oder anderen Erkenntnis, die unsere Haltung zum Tod positiv prägt.

07. November 2022

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