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Spiritualität: Das Geschäft mit der Seele

Die «Eat, Pray, Love» Vorstellung der Spiritualität, der traditionellen Rituale oder Lebensweisen, hat den Westen übernommen. Sektenartige Gruppierungen schiessen gefühlt aus dem Boden, alles natürlich mit der Mission, Mensch auf seinem Lebensweg zu begleiten und zu helfen. Doch die Realität sieht manchmal anders aus.

Von Sina Schmid

Dieser Artikel spricht nicht über Yoga als reine Bewegungsform, sondern als Lebensstil. 

Yogi Bhajan, ein Yogi der Millionen von Anhänger:innen zu verzeichnen hat, wurde mehrfach angeschuldigt, Anhänger:innen sexuell sowohl als auch psychisch missbraucht zu haben. Seine Opfer schauten zu ihm auf, wie zu einer Göttlichkeit.

Oder Bikram Choudhury, dessen teure Bikram-Yoga Praktiken, westlich gern «Hot Yoga» genannt, ein Millionengeschäft wurde. Der «Guru» wurde wegen Missbrauch und Diskriminierung zu einer Strafe in der Höhe von mehreren Millionen Dollar verurteilt. Was hat das Ganze noch mit dem ursprünglichen Sinn und der Geschichte von Yoga zu tun?

Was eigentlich gedacht war oder gelebt wird, als Lebensweise in sich selbst, hilft anderen heute existenzielle Krisen mit Dehnung, 400h-Retreats und Grüntee zu überstehen. Natürlich überteuert und für viele, die wirklich Hilfe brauchen, unbezahlbar.

Auch der Egozentrismus der Yoga-Community ist bewundernswert. «Meine persönliche Erleuchtung möchte ich dir nicht nur nicht vorenthalten, nein, es wird zu meiner Aufgabe, dich zur Erleuchtung zu bringen.» Diese Ikonisierung einer grösseren Vorstellung ist nicht nur irrational, denn selten gibt es einen richtigen Weg zum Ziel, sondern auch gefährlich. 

Blind wird dem Anführer des Rudels gefolgt, ohne zu hinterfragen, was das eigentlich alles soll. Auch innerhalb dieser Community gibt es einige, die Kritik äussern, über die Problematiken berichten, aber meistens im geschlossenen Kreis, denn diese Communities wirken manchmal wie ein wütender Mob. 

Die Ignoranz von Gruppierungen gegenüber Andersdenkenden ist nicht nur ein Problem der Yogis, aber sie sind nicht davon ausgeschlossen. «Wir lieben alle Lebewesen, leben nach «Live, Laugh, Love», lieben zu helfen, nur mögen wir alle nicht, die anders denken.» Whoops, Ziel der Befreiung aus gewissen Fesseln, die ganz persönliche Erleuchtung unabhängig vom Gegenüber, irgendwie verfehlt.

Yoga sollte helfen, dem Kapitalismus zu entkommen und irgendwo durch die Befreiung westlicher Normen der Rationalität und Engstirnigkeit, nun scheint es, finden wir uns wieder in diesem Wirbel. Wie kann es sein, dass mentale und körperliche Gesundheit so einen enorm hohen Preis haben, wenn es doch angeblich besser sein soll, als westliche medizinische Praktiken?

Natürlich ist diese Kritik harsch. Sie soll auch nicht eine ganze Gruppierung auf den Scheiterhaufen verfrachten. Aber die Kritik ist nicht unbegründet. Yoga und die verschiedenen Praktiken sollten nachhaltig in das Leben der jeweiligen Praktizierenden eingebettet werden, da hilft der Hang zu Extremismus niemandem. 

Auch andere traditionell spirituelle Praktiken sind vom westlichen Kapitalismus nicht sicher. Beispielsweise Ayahuasca, ein uraltes Getränk aus verschiedenen Pflanzen, welche psychodelische Reaktionen im Körper auslösen. Ayahuasca ist ein westlich normierter Überbegriff und nicht holistisch. Verschiedene Kulturen nennen das Getränk anders, auch wenn stets ähnliche Pflanzen verwendet werden.

Jedenfalls boomt der Ayahuasca Tourismus. Naive Menschen die gerne «die Erfahrung» machen wollen, ohne sich mit der Tradition und auch den Gefahren zu beschäftigen. Nicht alles eignet sich für alle. Gewisse Expert:innen warnen auch davor, als westliche Person Ayahuasca oder Ähnliches auszuprobieren, da dies nicht für uns konzipiert ist, und somit die Wirkung nicht dieselbe sein kann.

Um das zu beurteilen, fehlt auch uns die Kompetenz. Was aber gewiss zu beobachten ist; wie viele Menschen diese Tradition romantisieren und viel Geld in die Hand nehmen, um es zu erleben. Auch hier: Sinn verfehlt.

Trotzdem ist es auch hier wichtig anzumerken, dass diese Kritik nicht gesamtübergreifend ist, und sich viele Personen gewiss damit beschäftigt sowie diese Traditionen schätzen und lieben gelernt haben.

Diese Traditionen sind nicht ohne Grund Traditionen, ob nun Yoga-Praktiken oder Ayahuasca – sie können den Menschen viel geben. Wenn aber toxische Strukturen innerhalb der Gemeinschaften mehr Unheil anrichten, oder die Traditionen missbraucht werden, dann bedarf es Kritik. Nicht alle Yoga Lehrer:innen sind egozentrisch, nicht alle Yoga-Gruppierungen gleichen Sekten. Und dennoch bedarf es kritischem Denken, wenn wir entscheiden, wem wir folgen möchten.

Die Beweggründe, Intoleranz und Gefahr der Gemeinschaften gehört es zu hinterfragen und zu prüfen. Denn durch die Missbräuche leiden auch die traditionellen, ehrlichen Organisationen und Personen, die Menschen wirklich dabei helfen, näher an das individuelle Glück zu kommen.

11. April 2022

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