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Solo Travel-Diary Numéro 1

Ferien machen liegt mir nicht so. Ich arbeite gerne und viel. Ab und zu senden mir mein Körper und mein Kopf dann kleinere oder grössere Signale, dass sie eine Pause benötigen. Und diese nehme ich mir diesen Sommer. Was bereits seit einiger Zeit auf meiner Bucketlist steht, wird nun umgesetzt: einen Monat in Südfrankreich – alleine.

Von Leila Alder

Ich hatte einen soften Start. Denn die Solo-Reise begann nicht solo, sondern mit meinem Papi, der ungefähr gleich schlecht ist wie ich im Ferien machen. Gepackt war schneller als sonst, da ich mich entschloss nur mit Handgepäck zu reisen, was sich als äusserst gute Entscheidung herausstellte. Erstens geht alles schneller unterwegs und zudem erwarteten uns angenehme 35 Grad Celsius in Nizza und ich war froh, kein unnötiges Gewicht über die Pflastersteine schleppen zu müssen.

Die ersten Nächte verbrachten wir im Hotel Beau Rivage. Darin wohnte einst Matisse. Wenn einen dieser Fakt noch nicht überzeugt, um darin zu nächtigen, dann vielleicht der, dass das Hotel direkt am Meer gelegen ist und das wohl freundlichste Personal da arbeitet.

Nach dem Frühstück machte ich mich jeweils mit Buch und Notizheft auf den sehr kurzen Weg ans Meer. Vormittags halten sich an den «Plage Public», also jenen, an denen man nichts bezahlen, sich dafür aber auf die Steine legen muss, fast nur Locals auf. Sie zu beobachten macht Spass und die Stimmung ist weitaus entspannter bevor die Touris die Strände stürmen. Ganz abgesehen davon, ist es mir am Nachmittag zu heiss – Schatten sucht man an den Plage Public nämlich vergeblich. Ausser man ist wie die Locals mit Parasol und Bambusmatte ausgestattet. Und: Nachmittags ist sowieso Rosé-Zeit. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz in Nizza. Ganz grossartigen Rosé gibt es im «Maison Corail» in der Vieille Ville – nicht nur Rosé auch Champagner, Weisswein, Rotwein und lokale Spezialitäten für den kleinen Hunger. Wer etwas mehr über die ausgezeichneten Weine erfahren möchte, kann ebenda eine Degustation buchen. Diese ist sehr zu empfehlen – ich besuchte eine im vergangenen Juni und bin nun so was wie eine Habituée da.

Ein weiterer Geheimtipp für Rosé und die besten frischgepressten Säfte – Balance ist schliesslich the key – ist das «Movida» an der Promenade des Anglais. Doch nicht nur das Flüssige ist ausgezeichnet: der Kellner da ist so gut, dass ihn mein Gastronomen-Papa gleich mit nach Zürich nehmen wollte.

Nach vier tollen Tagen reiste mein geliebter Papi ab und kurz darauf ein anderer lieber Besucher an. Dieser entführte mich bereits am zweiten Tag nach Roquebrune-Cap-Martin. Eine französische Gemeinde mit 12’839 Einwohner:innen hinter Monaco und der Ort, an dem einer meiner liebsten Architekten, Le Corbusier, seinen letzten Atemzug tat – unter Wasser. Dieses ist in Roquebrune weitaus erfrischender als in Nizza. Warum das so ist, habe ich bisher noch nicht herausgefunden. Dafür, wo es den besten Fisch da gibt: im «Madame Bleu». Nach dem Fisch ist die Promenade Corbusier ein Muss. Ein wunderschöner Weg entlang der wilden Küste mit eindrücklicher Flora und atemberaubenden Ausblicken, der an der Cabanon von Le Cobusier und der Villa E.1027 von Eileen Gray vorbeiführt.

Am Ende des Weges lohnt sich ein Sprung ins blaue, kühle Nass – bestes Gefühl seit langem aber nicht das Highlight der ersten Tage. Das Highlight befindet sich in Nizza und nennt sich «Bella Ciao». Eine Bar in der Vieille Ville, die mehr Herz nicht haben könnte und in die wir seit dem ersten Besuch fast jeden Abend einkehren. Die Besitzerin entwickelte für uns – und alle anderen regelmässigen Besucher:innen der Bar – innert kürzester Zeit Muttergefühle. Die Atmosphäre in der kleinen, mit Kunst vollgestopften Bar ist einzigartig. Mindestens genauso einzigartig, sind die Menschen, die darin verkehren. So lernte ich Elias, einen Musiker aus Brasilien kennen, der mir gleich am ersten Abend seine Couch anbot, die liebste Kellnerin der Welt, die unser Geld nicht wollte und Julia, eine junge Frau aus Russland, die nun in Serbien lebt und den Sommer über dasselbe macht wie ich. Allein in einem fremden Land sein.

Und das war ich dann schliesslich auch, denn mein Besuch reiste ab. Lange dauerte die Einsamkeit jedoch nicht. Julia meldete sich und wir verabredeten uns gemeinsam mit einem weiteren Solo-Travel-Girl, Elena aus Belgien, zum Dinner im «Le Gaglio». Da isst man tollen Salade Nicoise. So wie er eigentlich sein sollte; mit frischem Thunfisch, Sardellen und Ei auf frischem Sellerie serviert statt auf Blattsalat.

Einige Tage später waren wir dank Elenas Sprachschul-Camardes bereits zu sechst – Nick aus Deutschland, Carlos aus Spanien, Kata aus Ungarn, Emily aus England, Ana ebenfalls aus Spanien und Michael aus Österreich – Julia reiste weiter in den Süden.

Gemeinsam stiegen wir in einen Bus, fuhren nach Èze und sahen im «Jardin Exotique», zwischen den Statuen von Jean-Philippe Richard die wohl schönste Kulisse, die wir alle jemals gesehen hatten, machten einen Ausflug nach Villefranche-sur-Mer, gingen schwimmen, assen gemeinsam zu Abend und führten Gespräche bis tief in die Nacht.

Neue Menschen kennzulernen, mit denen man sonst wohl nie an einem Tisch gesessen hätte, ist schön. Und die zufälligen Umstände, wie es passiert sind noch schöner und faszinierender. Ebenso die Dynamik, die sich innert kürzester Zeit zwischen sich völlig fremden Menschen bildet, durch das gemeinsame Einsamsein. Und wie man sich selbst neu erlebt in einer ungewohnten Rolle aber irgendwie gleichzeitig so authentisch und pur wie sonst nie.

Gratis Tipp: Unterkunft frühzeitig buchen! Ich bin nun bereits im dritten Hotel – allesamt waren toll (Hotel Beau Rivage, Hotel du Pin, Hotel Tour de la Ville), die Preise im August jedoch weniger. 

Erwähnte Food-, Ausflug- und Drink Tipps: Maison Corail, Movida, Madame Bleu, Bella Ciao, Le Gaglio, Promenade Le Corbusier, Jardin Exotique d’Èze

13. August 2022

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