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Schweiz: Der Alltag einer Käserin

Käserin ist wohl einer dieser typischen Schweizer Berufe. Mit viel Geduld, viel Feingefühl und über Generationen weitergegebenes Wissen, wird eines der Aushängeschilder der Schweiz produziert – Käse. Wir haben mit Käserin Gerine Oeschger gesprochen, die uns mehr über ihren Beruf verraten hat.

Von Vanessa Votta

Gerine Oeschger ist Produktionsleiterin in der Emmentaler-Schaukäserei Affoltern i.E., in der sie schon seit fast 20 Jahren arbeitet und in der sie damals auch ihre Ausbildung zur Käserin (heute Milchtechnologin) gemacht hat. Gerine stammt ursprünglich aus Madagaskar, doch hat hier ihre Liebe zur Schweiz, zum Emmental und zum Emmentaler AOP gefunden. Wir wollten mehr von der Power-Käserin wissen und haben mit ihr alles rund ums Thema Käse besprochen.

Warum bist du Käserin geworden?

Es war immer mein Wunsch, mit Lebensmitteln zu arbeiten. Deswegen habe ich in verschiedenen Käsereien reingeschaut und es gefiel mir in der Emmentaler Schaukäserei sehr gut – man gab mir eine Chance, die Ausbildung zu absolvieren, obwohl meine Deutschkenntnisse zu diesem Zeitpunkt noch nicht so gut waren. Seither arbeite ich hier, weil es mir auch nach dieser Zeit immer noch grosse Freude macht.

Seit wann arbeitest du bei der Emmentaler Schaukäserei?

Ich bin seit dem 1. August 2004 in der Emmentaler Schaukäserei tätig. An diesem Tag startete ich die dreijährige Ausbildung zur Käserin, heute Milchtechnologin. Im Anschluss absolvierte ich noch verschiedene Weiterbildungen und schloss das Studium zur Lebensmitteltechnologin erfolgreich ab. Seit 2017 bin ich hier in Affoltern i.E. Produktionsleiterin und führe ein Team von acht Mitarbeitenden, davon vier Auszubildende.

Wie muss man sich den Alltag einer Käserin vorstellen?

Wir fangen früh an: Um 5.15 Uhr beginnt unser Tag, ab 6.30 Uhr kommen die Bauern und der Milchlaster und bringen die frische Rohmilch. Wir verarbeiten täglich zwischen 8‘000 und 10‘000 kg Milch zu Emmentaler AOP, das sind acht bis neun Laibe pro Tag. Ausserdem stellen wir noch unsere «Schouchäsi»-Spezialitäten wie Ziger, Mutschli und Stöckli-Käse her. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist die Qualitätskontrolle – Probennahme, Analyse und Dokumentation der Prozesse. Dafür haben wir auch ein kleines Labor in der Käserei. Und dann ist da noch die Arbeit im Käsekeller: Die kontrollierte Lagerung und optimale Pflege der Laibe ist sehr wichtig. Es dauert mindestens vier Monate von der morgendlichen Anlieferung der Milch bis zum genussreifen Laib Emmentaler AOP.

Welche Bedeutung hat Käse für dich?

Käse ist das Ergebnis meiner täglichen Arbeit. Wenn wir von der Milch über die Herstellung bis in den Keller gut und seriös arbeiten, stellen wir ein feines und gesundes Lebensmittel her. Diese wichtige Aufgabe erfüllt mich sehr.

Und welche Bedeutung hat die Schweiz für dich?

Die Schweiz ist meine Heimat. Aufgewachsen bin ich in Madagaskar, was jetzt sozusagen meine zweite Heimat geworden. Meine beiden Söhne sind hier gross geworden – einer arbeitet auch in der Schaukäserei, in der Besucherorganisation – und auch meine Schwester lebt in der Schweiz. Ich bin hier zu Hause und zwischenzeitlich Schweizerin geworden! 

Könntest du dir vorstellen, in die Stadt zu ziehen?

Nein, die Ruhe und Idylle, Wiesen und Kühe gefallen mir hier. Die Stadt ist inspirierend und gut für Ausflüge und Besorgungen, aber das Heimkommen ins Emmental ist einfach immer wieder schön. 

Was hältst du von Traditionen?

Das sind wichtige Werte, ohne die es den Emmentaler AOP nicht geben würde. Es ist unsere Aufgabe, Traditionen zu bewahren, aber diese auch weiterzuentwickeln, damit sie zukünftige Generationen ebenfalls kennenlernen dürfen und etwas Positives daraus gewinnen können.

Warum ist der Schweizer Käse besser, als alle anderen?

Die Qualitätsanforderungen an den Rohstoff Milch sind sehr hoch, d.h. die Milch ist sehr gut. Auch haben die zugesetzten Kulturen gute Stämme – das ist ein gutes Beispiel für Tradition: das Fachwissen über die Kulturen, die Züchtung und Entwicklung ist eine Tradition, die wir in der Schweiz sehr vorbildlich seit Generationen pflegen. Das ist ein Schweizer Kulturgut und auch wirtschaftlich sehr wichtig.

Was macht für dich den Emmentaler AOP aus?

Wie oben erwähnt, es ist ein qualitativ hochstehendes Produkt, hergestellt in über 100 Schweizer Dorfkäsereien, nach Pflichtenheft, aus Rohmilch und frei von Zusatzstoffen. Es ist ein absolutes Naturprodukt, das zum Geniessen hergestellt wird.

Was ist das Wichtigste bei der Herstellung von Käse?

Exaktes Handwerk und selbstverständlich Hygiene und viel Liebe für das Produkt. Jeder Laib ist ein kleines lebensmitteltechnisches Wunder. Aus sensibler, verderblicher Rohmilch wird ein monatelang haltbares Lebensmittel. Ein Grundnahrungsmittel.

Welche Art von Käse magst du am liebsten?

Emmentaler AOP le ROI, der fast drei Jahre bei uns gelagert wurde. Sein Geschmack ist so konzentriert und intensiv. Herrlich, diese Entwicklung während der Reifezeit.

Woran erkennt man einen richtig guten Käse?

Am reinen, typischen Geschmack und seiner komplexen Textur, die beim Biss von zartschmelzend bis zu angenehm fest gehen kann.

Die Milchindustrie wird immer wieder hart diskutiert und kritisiert. Wie denkst du darüber?

Das finde ich schade. Unsere Milchproduzent:innen schauen sehr gut und engagiert nach ihren Tieren und dem Grasland Schweiz. Ich lade die Kritiker:innen gerne zu uns auf einen Hofbesuch ein. Dieser Austausch kann dem gegenseitigen Verständnis sehr helfen. 

Hast du schon einmal veganen Käse probiert? Was hältst du davon?

Nein. Diese Erfahrung fehlt mir bis heute noch, aber das werde ich wohl bald ändern. Danke für den Hinweis!

12. August 2022

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