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Religion: Voodoo – eine missverstandene Glaubensrichtung

Brutal durchstochene Puppen, böse Flüche und dunkle Magie: Das gesellschaftliche Bild von Voodoo wurde durch Gruselgeschichten und Hollywood über Jahrzehnte lang negativ geprägt. Wie sehen aber die Wurzeln dieser Religion aus? Und haben die Schauergeschichten ihre Berechtigung? Wir haben uns auf die Suche nach Fakten gemacht.

Von Michèl Kessler

Voodoo, Vodou, Wodu oder Vodun – es gibt verschiedene Schreibweisen dieser uralten Religion, von der man glaubt, dass sie bereits seit mehreren tausend Jahren existiert. Während sich die Schreibweisen zwar unterscheiden, bedeuten aber alle Begrifflichkeiten dasselbe: Geist oder auch Gott. Heutzutage wird diese Religion, die ihre Wurzeln in Afrika hat, hauptsächlich in Haiti und in Teilen Westafrikas praktiziert. Vor allem aber im Land Benin. In Haiti ist Voodoo nach wie vor eine der Hauptreligionen und spielt eine grosse Rolle in der Kultur des Landes. 

Voodoo: Dunkle Geschichte

Es ist aber ein eher düsteres Bild, das diese Religion prägt – und das sogar zu Recht! Allerdings nicht etwa wegen den Anhänger:innen und Praktiken, sondern aufgrund der Geschichte, die diese Religion über lange Zeit verzerrt hat und trotz allem sehr unbekannt ist.

Voodoo hat seine Wurzeln nämlich in den traditionellen Religionen der Westafrikaner:innen, die während der Kolonialzeit als Sklav:innen nach Amerika gebracht wurden. Während der Sklaverei mussten die Anhänger:innen ihren Glauben und ihre Religion geheim halten und sie versteckt praktizieren. Wurden sie bei Ritualen oder Praktiken erwischt, drohten ihnen schlimme Konsequenzen. Durch Rassismus und die tiefe Verwurzelung dieser Religion in der afrikanischen und karibischen Kultur wurde Voodoo lange Zeit von der weissen christlichen Kirche und anderen westlichen Institutionen als «primitiv» und «unzivilisiert» betrachtet. So wurde Voodoo auch als Vorwand benutzt, um Afrikaner:innen und Afrokaribier:innen zu unterdrücken und zu diskriminieren. Im 19. Jahrhundert wurden beispielsweise viele Haitianer:innen, die Voodoo praktizierten, von den französischen Kolonialherren verfolgt, gefoltert und versklavt. Während dieser Zeit schrumpfte die Anhängerschaft daher auch um ein Vielfaches. Die Spuren davon liessen sich aber glücklicherweise nicht komplett verwischen: Es gibt nach wie vor relativ grosse Gemeinschaften von Anhänger:innen des Voodoos in den Vereinigten Staaten, vor allem in Louisiana, wo viele Haitianer:innen während der Kolonialzeit als Sklav:innen hingekommen sind.

Dass weisse Kolonialherren alles zunichte machten, was ihnen nicht geheuer war, ist leider nichts Neues. Dabei ist Voodoo eigentlich eine faszinierende und vielschichtige Religion, die von einer tiefen Spiritualität und einer Verbindung zur Natur und von Geistern geprägt ist. Den Anhänger:innen bieten diese eine Quelle der Kraft und des Trostes, und durch spirituelle Praktiken erhofft man sich Schutz und Heilung.

Wurzeln in der Natur

Im Voodoo werden die Loa, auch als Geister bezeichnet, verehrt. Die Loa sind mächtige, spirituelle Wesen, die in der Natur oder auch in bestimmten Gegenständen, Orten oder auch Menschen manifestiert werden können. Die Anhänger:innen des Voodoos glauben, dass die Loa ihnen in Zeiten der Not beistehen und ihnen Kraft und Hilfe geben können. Diese Geister werden dann während bestimmten Zeremonien und Ritualen aufgerufen und beschworen, in welchen sie die Körper von Priester:innen «besessen». Diese werden als Houngan und Mambo bezeichnet und sind für die Leitung von Zeremonien und das Ausüben von Heilungen verantwortlich.

Im Voodoo gibt es auch die Vorstellung von der Unterwelt, in der die Verstorbenen leben und von der Loa des Todes regiert werden. Der Glaube besagt, dass die Seelen der Verstorbenen zu den Loa zurückkehren und sie die Verbindung zu den Lebenden aufrechterhalten können.

Bei fast jedem Mythos gibt es aber auch seine Wahrheiten: Ein effektiv wichtiger Teil des Voodoo-Glaubens ist tatsächlich die Verwendung von Voodoo-Puppen und -Zauber. Die Anhänger:innen glauben, dass sie mithilfe dieser Mittel Einfluss auf bestimmte Ereignisse oder Personen nehmen können. Die Puppen werden mit Nadeln gestochen oder mit bestimmten Substanzen behandelt, um unterschiedlichste Wirkungen zu erzielen. Es gibt auch bestimmte Zauberkünste, die in Zusammenhang mit dem Voodoo verwendet werden, um die Loa zu beschwören oder um bestimmte Wünsche oder Absichten zu verfolgen.

Ein weiterer wichtiger Teil des Voodoos ist die Verwendung von Musik und Tanz bei Zeremonien und Ritualen. Die Anhänger:innen glauben, dass die Musik und der Tanz ihnen helfe, sich mit den Loa zu verbinden und diese zu beschwören. In Haiti werden beispielsweise Trommeln und andere Instrumente dazu verwendet.

Altäre und heilige Orte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im Glauben. So ist man der Überzeugung, dass bestimmte Orte besondere Kräfte beherbergen und die Loa an diesen Orten besonders mächtig sind. Die Altäre werden oft mit Bildern und Gegenständen geschmückt, die den Loa gewidmet sind, und es werden Opfergaben dargebracht, um sie weiter zu ehren.

Da die Religion eng mit der Natur verbunden ist, ist auch die Verwendung von Heilpflanzen und Kräutern weit verbreitet. So sollen bestimmte Pflanzen heilende Kräfte haben und werden in Zeremonien und Ritualen verwendet, um körperliche und seelische Heilung zu erreichen. Es gibt sogar bestimmte Pflanzen, die als Schutz dienen und die bösen Geister abwehren sollen.

Problematische Religion(en)

Trotz vieler schöner Rituale und Praktiken, die weitgehend unproblematisch sind, gibt es wie bei jeder Religion auch im Voodoo Glaubensansätze, die von manchen als problematisch angesehen werden. Die Beschwörungen und Ereignisse, die in Ritualen herbeigerufen werden, wie auch die Opfergaben, werden von vielen als unmoralisch und unethisch angesehen. 

Trotzdem: Anhänger:innen des Voodoos haben nicht nachweislich unzählige Menschen getötet oder ganze Bevölkerungsgruppen ausgelöscht, während dies bei vielen anderen Religionen in der Geschichte der Menschheit der Fall ist. Fast keine andere Glaubensrichtung ist aber so negativ behaftet wie die Praktiken des Voodoos. 

Beim Verständnis dieser Religion ist es daher umso wichtiger, dass man sich bewusst ist, dass dieser Glaube in der Vergangenheit oft missverstanden und verzerrt dargestellt wurde, insbesondere in den westlichen Medien. Voodoo wird nach wie vor als eine «dunkle» oder «böse» Religion dargestellt, die mit dunkler Zauberei und Hexerei in Verbindung gebracht wird. Diese Darstellungen sind jedoch weit von der Wahrheit entfernt und verzerren das wahre Wesen und die Lehren des Voodoos.

27. Dezember 2022

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