In einer Welt voller Insta, Tiktok und Tinder, scheint die Oberflächlichkeit ihre Tentakel weit ausgebreitet zu haben. Denn nicht nur auf den sozialen Medien, sondern auch im echten Leben wirkt es so, als wären wir nicht mehr fähig hinter die Fassaden zu blicken. Oder wir wollen es nicht.
Es ist verständlich, dass das Auge mitisst. Wir sehen und wir denken. Der erste Anblick entscheidet, ob wir Interesse an einem Kennenlernen haben oder nicht. Nach dem ersten Blick gehen wir einen Schritt weiter, achten auf Art und Weise. Im letzten Schritt entscheiden wir, ob wir uns mit der Person vor uns beschäftigen möchten – oder eben nicht. Bis anhin ist das nichts Neues, auch früher war es nicht anders. Was sich aber durch die Digitalisierung verändert hat, ist die Oberflächlichkeit, mit welcher wir auch unsere «Freunde» behandeln. Wir wollen nichts mehr wirklich wissen und sie sollen nichts Negatives mehr mitbekommen. Wahre Gefühle, Liebe, Angst, Vertrauen, Trauer, werden nur mühselig offenbart.
Oberflächlichkeit scheint vor unseren Freunden keinen Halt zu machen. Zu oft sieht man «Freunde», welche sich gegenseitig ausspielen, hinterlistig und falsch miteinander umgehen. Wenn man einen Menschen wirklich liebt, schätzt und kennt, käme einem nie die Idee, irgendwelche Spielchen zu spielen. Gönnung und Nächstenliebe sind nichts Oberflächliches. Sie sind tiefgründig und schwer wirklich vollkommen zu praktizieren.
Authentizität wird in unserer Gesellschaft sehr gross geschrieben, auch wenn wir uns nicht wirklich Mühe geben, diese zu wahren. Ehrliche Gedanken sind automatisch damit verbunden, dass man jemanden damit berühren beziehungsweise auch vor den Kopf stossen kann. Kommunizieren wir also nicht offen, so kann nie tiefer gedrungen werden, als es die Oberfläche erlaubt.
Uns genügt die Welt bis zu unserer Nasenspitze. Wie oft man den Satz hört «ich lerne gerne neue Menschen kennen», aber bitte nur in meinem kleinen Kreis von Gleichdenkenden, gleich Aussehenden, gleichen Menschen.
Es geht hierbei auch nicht darum, mit jedem Menschen befreundet zu sein. Das muss man nicht und sollte man nicht anstreben. Das Scheitern ist zu erwarten. Wichtig ist, dass wir uns mit unseren Mitmenschen wirklich befassen.
Soziale Medien erlauben uns einen Anschein zu wahren, dies sollten wir aber in der Realität nicht zulassen.
Anschein kann nie wahr sein. Anschein hat etwas mit einer Annahme zu tun, aber die lässt sich erst mit Hinterfragen, echtem Interesse und Aktion bestätigen oder eben verwerfen.
Was heisst das konkret?
Tiefgründige, sichere und gesunde Freundschaften bedürfen viel Arbeit, Kommunikation und Vertrauen. Diese Mittel sind immer beidseitig zu gebrauchen: Was wir haben wollen, müssen wir auch geben. Um sicherzustellen, dass wir uns nicht in eine Gesellschaft komplett oberflächlicher Gestalten verwandeln, sind wir darauf angewiesen, die harte Wahrheit über unser Gegenüber zu kennen und somit dieser zu begegnen.
27. November 2020
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