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Ramadan – besinnt euch

Zurzeit ist Ramadan. Die einmonatige Fastenzeit ist eine der fünf Säulen des Islams. Leider wird dieser heilige Monat in vielen westlichen Ländern immer noch als «extrem» abgestempelt – obwohl es etwas Schönes ist. Ein Erfahrungsbericht einer Christin, die aus Solidarität und Neugier auch fastete.

Von Sina Schmid

Nach 40 Tagen Fastenzeit, nach katholischem Glauben, habe ich mir gedacht: Hier hörst du nicht auf, sondern gehst noch einen Schritt weiter – nach meinem Motto «ganz oder gar nicht». Zwei Wochen vor Ramadan-Beginn, Während der Mittagspause, haben meine Arbeitskolleginnen und ich über das Fasten gesprochen. Katholische, christlich-orthodoxe und islamische Traditionen. In unserem Multi-Kulti-Grüppchen sind diese drei Glaubensrichtungen vertreten. Zwei tolle Frauen aus der Clique sind Musliminnen. Eine davon hat kurz nach unserem Austausch gefragt, ob wir nicht auch mit ihnen Ramadan fasten wollen. Für mich war klar: Ich will es probieren. 

Aus der Gruppe von fünf Girls haben sich vier dazu entschieden nach der islamischen Tradition zu Fasten. Eine junge Frau fastet zurzeit schon nach orthodoxem Kalender. Zwar hatte ich bis Ostern die katholische Fastenzeit durchgemacht, dennoch wollte ich diesen «Selbsttest» ein paar Wochen danach wagen. 

Kurz ausgeholt: Was ist Ramadan überhaupt?

Ramadan ist eine der fünf Säulen des Islams. Diese sind sowas wie die Grundbausteine im Leben praktizierender Moslems. Dazu gehören: Glaubensbekenntnis (Schahada), Gebete (Salat), Almosen (Zakat), Fasten während Ramadan (Sawn), Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch). Hadsch beispielsweise soll man mindestens einmal im Leben gemacht haben, Sawn einmal im Jahr, beten täglich. 

Während Ramadan geht es nicht nur ums nicht essen und trinken. Es geht um die Säuberung der Seele, sowohl als auch eine stärkere Bindung zu Gott/Allah aufzubauen. Ramadan ist die Zeit der Besinnung, danach wird das Ende des Monates mit einem dreitägigen Fest gefeiert. Ebenso geht es um Nächstenliebe, beispielsweise sollen diejenigen die aus verschiedenen Gründen nicht fasten können, Zeit oder Geld spenden. Ramadan ist zudem sehr friedlich; eine Zeit der Versöhnung und Liebe. 

Wieso ist Ramadan oft verpönt? Ich könnte hier unglaublich viele kleine Dinge erwähnen, aber um es auf den Punkt zu bringen: Islamophobie. Wenn irgendwelche Influencer über ihr Intervallfasten sprechen und plötzlich alle schreien wie toll und gesund das ist, Ramadan aber als extrem abgetan wird, haben wir offensichtlich ein Problem. Der Unterschied: Ramadan hat einen religiösen und spirituellen Hintergrund, das Intervallfasten hingegen wird als DIE gesundheitsfördernde Diät beschrieben. 

Wie kann das sein? Während Ramadan sollen Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang (Zeiten variieren von Ort zu Ort) auf Essen, Trinken, Rauchen, Sex, Lügen, üble Nachrede, und weiteres verzichten. Klar, es heisst nicht, dass nach Sonnenuntergang Lügen und Rauchen und sonstiges plötzlich legitimiert wird. Es geht vermehrt um ein Bewusstsein, aktiv an sich zu arbeiten. Wer am Tag friedlich war, wird sich hoffentlich nicht am Abend wüst austoben. Vom Fasten ausgenommen sind Kinder, Kranke, Schwangere, Reisende und Frauen während ihrer Menstruation. Wie unterscheidet sich dies vom Intervallfasten? Man verzichtet auch auf Wasser. Das ist das einzige, dass «extremer» ist. Ansonsten ist es etwas enorm Bewundernswertes. Es geht darum, sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren, Laster abzulegen und dankbar zu sein.

Jedenfalls wollte ich es ausprobieren. Vor Ramadan haben sich meine Kolleginnen und ich ein wenig darauf vorbereitet: Ermutigende Sprüche, aufklärende Videos, weitere Gespräche zur Mittagszeit. Recht schön, wie sich zwei gläubige Christinnen und zwei gläubige Muslimas über Religionen austauschen. Dann war es so weit. Letzter Abend vor Ramadan, wir haben uns Bilder von unserem Essen geschickt und darüber geredet, wann wir morgen aufstehen müssen um früh genug gegessen und getrunken zu haben, um den Tag problemlos zu überstehen.

Als um 04:00 Uhr dann der Wecker klingelte, um Suhur nicht zu verpassen, war ich hellwach. Habe dann ein Porridge zubereitet und vor dem Essen auf kroatisch katholische Gebete gesprochen, was irgendwie paradox war. Danach ging ich wieder ins Bett, sorry not sorry. Während und nach dem Essen habe ich ca. 1 Liter Wasser runter geleert, wofür ich im Nachhinein sehr dankbar war. 

Den ersten Tag haben wir alle sehr gut überstanden. Auch am Mittag hatte ich keinen Hunger oder Durst, allgemein war die Stimmung sehr positiv. Wir haben uns dann zusammen abgesprochen, was wir jeweils zum Abendessen möchten. Während der Mittagspause haben wir zugesehen, wie zwei andere Arbeitskolleginnen essen, auch das war kein Problem. Sie haben sich mehrfach entschuldigt, dass sie vor uns essen. Ich habe das zwar sehr geschätzt, eine Entschuldigung wäre jedoch nicht nötig gewesen. Wir alle fasten freiwillig. Wie wenn jemand intervallfastet, hier genauso; niemand muss sich schuldig fühlen.

Der erste Tag war ehrlich gesagt sehr schnell durch. Der Zweite genauso. Beim Dritten war es dann am schwierigsten. Nicht, weil ich hunger hatte, sondern weil ich einfach eine Lust auf Essen verspürte. Vor Ramadan habe ich jeden Tag drei bis vier Snacks gegessen, nicht um meinen Hunger, sondern meine Lust zu stillen. Genau darum geht es bei Ramadan auch: Nicht konstant hedonistisch zu leben. Ich muss nicht so oft essen, besonders wenn ich nicht einmal Hunger habe. Der Fakt, dass ich es dennoch kann, ist ein (erneuter) Beweis meiner Privilegien, dafür habe ich dankbar zu sein. Manchmal muss Mensch zur (erneuten) Besinnung gebracht werden, Ramadan hilft. 

Meine Kolleginnen und ich haben auch ein gemeinsames Iftar, also Fastenbrechen, geplant. Das gehört auch zu Ramadan, jetzt durch Corona leider erschwert: Das Zusammenkommen. 

Wer sich wirklich mit diesem Teil der Islamischen Religion auseinandersetzt, merkt wie schön es doch ist. Für mich ist es noch immer spannend, ich lerne etwas Neues über mich und meinen Körper, über den Islam sowohl als auch den Katholizismus, versuche mich friedlicher und reflektierter zu verhalten und hoffe, gewisse neue Verhaltensweisen und Routinen auch nach Ramadan weiterführen zu können. 

Zudem wünsche ich mir für alle praktizierenden Muslime mehr Verständnis und Respekt. Jeder sollte sie in diesem schönen aber auch schwierigen Monat unterstützen und bestärken. Ramadan Kareem!

26. April 2021

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