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Warum im Juni alle Unternehmen in einen Regenbogentopf der Solidarität fallen

Der Juni ist offizieller «Pride Month». Ein Monat, in dem nicht nur die internationale LGBTQI+ Community sich selbst feiert, sondern auch öffentliche Institutionen und Marken ihre Offenheit und Akzeptanz mit Aktionen plakativ kundgeben. Doch ist auch überall Regenbogen drin, wo Regenbogen draufsteht?

Von Joshua Amissah

Vor fast genau 52 Jahren fanden in New York City die Stonewall-Unruhen statt. Am 28. Juni 1969 wehrten sich sämtliche Mitglieder der lokalen LGBTQI+ Community gegen eine Razzia in der «Stonewall Inn» Bar in der Christopher Street, wo einige homosexuelle Männer für ihre Sexualität verhaftet wurden. Angefangen mit einer blossen Selbstverteidigung gegenüber den verstärkten Polizeitruppen eskalierte die Situation und führte zu einer breiten Solidarisierungswelle im New Yorker Schwulenviertel. Erst nach fünf Tagen des Widerstands beruhigte sich die Situation. Die global jährlich im Juni stattfindende «Pride», oder auch «Christopher Street Day» genannt, versteht sich also nicht nur als mobile Partymeile im glitzernden Regenbogengewand, sondern ist eigentlich ein politisch motivierter Gedenk- und Demonstrationstag für die Stonewall-Unruhen. Zahlreiche öffentliche Institutionen und Inhaber*innen von Markenzeichen scheinen dies aber leider bis heute nicht gänzlich begriffen zu haben.

Amüsanterweise sind es nicht nur Modemarken wie Adidas, Converse, Versace und Levi’s die sich mit regenbogenfarbigen Capsule-Kollektionen schmücken, sondern vermehrt auch Grossbanken, amerikanische Waffenkonzerne oder Firmen aus der Tech-Industrie. Ein Blick in dessen Führungsetage und Förderungspolitik reicht oftmals, um deren wahre Wertehaltung und politische Motivation aufzudecken.

Eigentlich ganz süss wie sich der grösste Kabelnetzbetreiber der Vereinigten Staaten Comcast bereits am 1. Juni für den «Pride Month» ausspricht. Plötzlich ein wenig bitter wenn klar wird, dass Comcast in den letzten Jahren über mehrere Millionen US Dollars an Politker*innen spendete, die sich radikal gegen die Rechte der LGBTQI+ Community aussprechen. Ergibt das Sinn? Nein.

Für Aufsehen sorgte auch Burger King im Jahre 2014 mit ihrem «Proud WHOPPER», einem Burger, der mit den Farben des Regenbogens umhüllt war. An der damaligen San Francisco Pride strömten zahlreiche Menschen zu Burger King, um herauszufinden, was an diesem Whopper tatsächlich anders war. Aber als sie die Verpackung öffneten, fanden sie denselben Whopper, den sie schon immer geliebt haben. Die Botschaft auf der Verpackung lautete «Im Inneren sind wir alle gleich» Irgendwie kitschig. Der Kapitalisierungsmechanismus irgendwie stark problematisch, aber irgendwie auch echt schön. Für mich zumindest. Besonders wenn beachtet wird, dass 100% des Erlöses an die hausinterne Stiftung für Stipendien ging, um Mitglieder der LGBTQI+ Community kurz vor Schulabschluss finanziell zu unterstützen. Solch eine Aktion wäre vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen – ja sogar als illegal erklärt worden.

Gerade erinnere ich mich auch an die Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm um die sexuelle Orientierung, über welche das Schweizer Stimmvolk am 9. Februar letzten Jahres abgestimmt hat. Es ging darum, dass «Lesben, Schwule und Bisexuelle» einen Schutz vor Hass, Hetze und Diskriminierung erhalten. Glücklicherweise sagten 63% Ja zum Schutz vor Hass. Als Zeichen der Solidarität mit der queeren Community platzierte Coca-Cola kurz vor der Volksabstimmung auf den Titelseiten einiger Schweizer Zeitschriften wie «20 Minuten» oder «Die Weltwoche» Cola-Flaschen im Regenbogendesign. Ob Getränkehersteller und Grosskonzerne als Ganzes Einflussnahme auf Volksentscheide haben sollten, sei dahingestellt. Klar ist: die Junge SVP Schweiz rief ihre Basis noch am selben Tag zum Boykott von Coca-Cola auf. Ebenfalls klar ist, dass «Die Weltwoche» als Sprachrohr der nicht sonderlich queer-freundlichen SVP gilt. Trotzdem reichte wohl eine Zahlung über 56’000 Franken von Coca-Cola an das Wochenmagazin, um es für eine Ausgabe in den schillernden Regenbogentopf fallen zu lassen.

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Die werberische Solidarisierungswelle von Coca-Cola in einem Magazin mit einer Tendenz zu rechtskonservativen bis hin zu rechtspopulistischen Positionen zeigt erneut auf, wie zweischneidig das Schwert doch tatsächlich sein kann. Die bewusste Aneignung von sexuellen Befreiungsbewegungen für werberische Zwecke ist mit kritischem Auge zu mustern. Besonders dann, wenn sich Unternehmen hinter den Kulissen nicht um eine antidiskriminierende Haltung mühen, und Diversität in der eigenen Firmenstruktur nicht gelebt wird. Die Kapitalisierung des Regenbogens funktioniert für mich auch nur dann, wenn der Erlös dessen auch Individuen aus der LGBTQI+ Community zugute kommt. Das öffentliche Bekenntnis zur Vielfalt kann definitiv eine wichtige und entscheidende Rolle einnehmen, aber bitte nur wenn auch überall Regenbogen drin ist, wo Regenbogen draufsteht.

16. Juni 2021

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