In einem knapp zweistündigen Zoomcall haben wir Regula Stämpfli, Politologin, Bestsellerautorin und Podcasterin mit Fragen gelöchert. Dabei haben wir 2021 politisch analysiert und herausgefunden, was wir weiter beobachten sollten und wo wir im neuen Jahr nicht wegschauen dürfen.
Afghanistan
Was seit 20 Jahren Thema ist, hat im August 2021 erneut einen Höhepunkt erreicht – der War on Terror. Der Rückzug der amerikanischen Truppen, nach 20 Jahren «Besetzung», hat im Land für Chaos gesorgt. Die Taliban haben die Regierung übernommen und wüten seither nach Lust und Laune. Besonders Frauen und Mädchen, aber eigentlich fast alle Afghan:innen, sehen sich einer grossen Gefahr ausgeliefert. Für viele Frauen und Mädchen ist Bildung wieder zu einem sehnlichen Wunsch geworden, und weit entfernt von Normalität. Auch diesen Winter stehen viele Afghan:innen vor dem Hunger. Dieses Thema soll und wird uns im neuen Jahr weiter begleiten. Was für uns in der Schweiz wichtig bleibt: Afghanistan darf nicht in Vergessenheit geraten. Die Big-Media haben bereits bewiesen, wie kurzlebig ihre Aufmerksamkeit für dieses Thema ist. Es liegt an uns, Politiker:innen zu animieren, sich weiterhin für Afghanistan einzusetzen und dort zu helfen, wo es geht. Den Taliban kann nur durch westlichen Druck und Druck von Innen die Stirn geboten werden. Viele Afghan:innen wehren sich. Sie gilt es zu unterstützen. Besonders in den sozialen Medien kann vernetzt werden. Aber geholfen ist schon durch das Informieren, Bewusstsein schaffen und damit Druck ausüben.
Schweiz
Auch bei uns war viel los. Das Covid-Gesetz hat einige Diskrepanzen zwischen Schweizer:innen hervorgerufen oder aufgezeigt. Zudem feierten wir 50 Jahre Frauenstimmrecht. Die Pandemie wird uns (leider) weiterhin zu schaffen machen. Als Gesellschaft sollten wir uns jedoch daran üben, offener miteinander umzugehen. Mit Wut und Hass ist selten ein guter Dialog entstanden. Leider ist eine gesundheitliche Krise zum politischen Spielfeld geworden; das gilt es zu minimieren.
Am 28.11.2021 hat das schweizerische Stimmvolk mit 61% «Ja» zur Pflegeinitiative gestimmt. Nun müssen wir beobachten, wie dem Kranken- und Pflegepersonal mit der angenommenen Pflegeinitiative effektiv geholfen wird, denn Klatschen allein reicht nicht.
Polen
Seit längerem werden LGBTQ+ Personen, sowohl als auch Frauen, in Polen politisch unterdrückt. Nebst Abtreibungsverboten und «Schwulenfreien Zonen» sind viele Menschen von Traditionalist:innen und Extremist:innen bedroht. Zwar wehrt sich die lokale Bevölkerung mit beispielsweise Protesten, aber das reicht nicht. Solange die EU Subventionen nicht ganzheitlich stoppt, wird sich wenig ändern. Eigentlich gilt: kein Land darf der EU beitreten, welches die demokratischen Grundrechte nicht gewährleistet. Durch diese harschen und menschenverachtenden Gesetze der polnischen Regierung kommen viele zu Schaden. In der Schweiz dürfen auch diese Themen nicht in Vergessenheit geraten. Das heisst konkret für uns: Thematisieren. Die Medien berichten über das, was gelesen wird, und von dem sie profitieren können. Somit können wir als Zivilbevölkerung auch steuern, was an die breite Masse gelangt.
Deutschland
Die neue «Ampel» ist ein positives Zeichen für die Demokratie. Je mehr Parteien vertreten sind, desto besser ist das für die gesamte Bevölkerung. Dennoch muss auch ein kritisches Auge auf den neuen Kanzler geworfen werden. Olaf Scholz hat sich einige Skandale geleistet, seine politische Karriere haben diese jedoch nicht zerstört. Jetzt gilt es zu beweisen, dass seine Wahl kein Fehler ist.
Was viele im 2021 weiterhin beschäftigte war Hanau. Der rechtsextreme Anschlag im 2020 sorgt weiterhin für Aufregung. Polizeiliches Versagen, rechtsextreme Beamt:innen und Ignoranz seitens Regierung. Auch im neuen Jahr gilt es, weiter Druck auf die Regierung auszuüben, um so eine lückenlose Aufklärung zu den Fehlern, die Unschuldige das Leben gekostet haben, zu gewährleisten.
China
Die Winterolympiade in Beijing hat, zurecht, viel Kritik mit sich gebracht. Viele Länder haben bereits diplomatische Boykotte angekündigt, unter anderem die USA, Kanada und Grossbritannien. Konkret heisst das, dass keine Diplomat:innen nach Beijing gesandt werden, auch wenn die Sportler:innen an den Spielen teilnehmen. Das setzt ein Zeichen. Die Spiele sollten zwar nicht politisch sein, aber sie sind es schon lange. Ein diplomatischer Boykott ermöglicht so den Sportler:innen ihren Beruf auszuüben, und dennoch klar Kritik an der chinesischen Regierung zu äussern. Grund dafür sind unter anderem die Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren und Tibetern, sowohl als auch die Unterdrückung der Demokratiebestrebungen in Hongkong.
Der Begriff «Supply Chain» hat uns in diesem Jahr beschäftigt, und das wird sich wahrscheinlich auch im kommenden Jahr nicht ändern. Lieferengpässe können vom Endkonsumenten wenig gesteuert werden, der Konsum jedoch schon. Die Pandemie hat gezeigt, dass auch lokal mehr Produkte produziert werden müssen, beziehungsweise die Nachfrage steigen wird.
27. Dezember 2021