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Oh mein Gott, Oje, Gott sei Dank – Wie die Bibel unsere Alltagssprache geprägt hat

Bald ist Ostern und einige von uns feiern die Auferstehung Jesu (ja, das passierte an Ostern). Deshalb reden wir mal über «Gott und die Welt»: Denn egal, ob wir glauben oder nicht, wir nutzen alle ständig Redewendungen oder Begriffe aus der Bibel. Und das 2025 Jahre nach Christus. Keine andere Religion ist in unserer Sprache so präsent wie diese.

Von Janine Friedrich

Beginnen wir diesen Artikel mal ungewohnterweise mit einem Abschiedsgruss, und zwar dem gängigsten und frommsten Abschiedsgruss in der Schweiz: Ade (oder manchmal auch adieu). Viele sagen das Wort. Viele wissen wahrscheinlich nicht, dass es bedeutet: «Behüte dich Gott» oder «Geh mit Gott». Ursprünglich stammt das Wort Ade vom lateinischen «Ad Deum» ab, was so viel heisst wie: «zu Gott hin». Wir übergeben also all die Personen, denen wir Tschüss sagen, in den Schutz von Gottes Händen: Ganz gleich, ob es Familie oder Freund*innen sind; ob es die Busfahrerin oder der Kassierer ist. Bei der standardmässigen Begrüssung «Grüezi» (oder auch «Grüessech») ist der Ursprung auch göttlicher Natur, denn «Grüezi» ist eine Abkürzung von den Worten «Gott grüez-i». Das i am Ende wurde ursprünglich als ein abgeschwächtes öi (für euch) betont. Auf Hochdeutsch heissen also beide Versionen, sowohl grüezi als auch grüessech: «Gott grüsse Euch». Heute wird es allerdings als «Ich grüsse dich/Sie/Euch» fehlinterpretiert. Doch Gott sei Dank (dazu kommen wir gleich) erkennen heutige Generationen nicht mehr, dass das -i in Grüezi ursprünglich für Euch steht. Nur deshalb hat der Gruss den Wechsel vom altmodischen Ihrzen zum Siezen überlebt. Sonst hätten die jungen Leute wohl längst Ade zum Wort Grüezi gesagt.

Zurück zu «Gott sei Dank»: Hier hat man gerade schon gemerkt, wie unbemerkt sich biblische Redewendungen in die Sprache einschleichen. Diese drei Worte lassen sich auf den Bibelvers Römer 6,17 zurückführen: «Gott aber sei Dank; denn ihr wart Sklaven der Sünde, seid jedoch von Herzen der Lehre gehorsam geworden, an die ihr übergeben wurdet.» Der Apostel Paulus sprach hier aus tiefster und ehrlicher Dankbarkeit zu Gott über die Erlösungstat Christi und sein gnädiges Wirken durch Seinen einzigen Sohn. Heute gehen uns diese Worte sehr schnell über die Lippen und das oft unbewusst und ohne den gläubigen Bekenntnischarakter. Sogar völlig unreligiöse Menschen nutzen diese «Formel» alltäglich, ohne dabei wirklich an Gott zu denken. Ebenso häufig und oft auch sehr unüberlegt gebraucht wird der Ausruf: «Oh mein Gott!». Wir sagen es alle – und zwar ständig. Gefühlt in jedem Gespräch mehrmals. Wir sagen es, wenn wir erstaunt, begeistert, verwundert, empört, ängstlich oder erschrocken sind. Wir sagen es, wenn wir uns schämen oder fremdschämen. Die in den Worten enthaltene gefühlsmässige Bandbreite ist riesig. Wir überlassen scheinbar sogar Gott, ob er unseren Ausruf als Freude, Ehrfurcht oder Hilfeschrei verstehen soll. Doch eins ist wohl sicher: Wenn wir gerade zum Orgasmus kommen, will er sicher nicht hinzugerufen werden. Auch nicht mehrmals. Es sei denn, er fasst es eben als Hilferuf auf, um uns von der Sünde zu befreien (zumindest bei casual sex ;)). 

Den Ausruf «Oje» oder «Ojemine» nutze ich selbst hin und wieder. Immer dann, wenn bei einer Freundin zum Beispiel das Kind krank ist oder es ähnlich schlechte Neuigkeiten gibt. Beide Wörter haben ihren Ursprung im kirchenlateinischen Ausdruck «O Jesu» oder «O Jesu domine», was so viel wie «Oh Herr Jesus» bedeutet. Es ist sozusagen ein kurzes Gebet. Auch mit den Worten «Ach herrje» wenden wir uns direkt an Jesus, hiermit drücken wir aber eher Verwunderung als Betroffenheit aus. Auch den Freudenruf «Halleluja» hört man so gut wie täglich: Ob in Gesprächen oder Podcasts, überall preisen die Menschen Gott, meist jedoch nicht mal mit Absicht. Doch Halleluja heisst genau das: Lob den Herrn! Das Wort leitet sich aus den zwei hebräischen Wörtern «hallel» (Imperativ Plural von «halal»: preisen, verherrlichen, loben) und «yah» (Abkürzung für Jahwe, einer der Namen Gottes) ab. Es findet sich sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wieder. Wenn wir etwas oder jemandem gegenüber skeptisch sind, dann überprüfen wir die Sache oder Person sehr genau und gewissenhaft – dabei nutzen wir oft die Redewendung: etwas oder jemanden «auf Herz und Nieren prüfen». Die Metapher wird unter anderem vom Propheten Jeremia verwendet: «Aber du, Herr der Heerscharen, der du gerecht richtest, Nieren und Herz prüfst,…» (Jer 11,20). Die Aussage, bei extremer Angst oder grosser Anstrengung «Blut und Wasser zu schwitzen» stammt ebenfalls direkt aus der Bibel und bezieht sich auf eine Szene aus dem Garten Gethsemane, kurz vor Jesus‘ Kreuzigung. «Und als er in Angst war, betete er heftiger. Es wurde aber sein Schweiss wie grosse Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen.» (Lukas 22,44). In der griechischen Urfassung steht: «…καὶ ἐγένετο ὁ ἱδρὼς αὐτοῦ ὡσεὶ θρόμβοι αἵματος…» («…und sein Schweiss wurde wie Blutklumpen…»). Es ist nicht mal ein rein symbolischer Ausdruck, denn medizinisch ist so etwas möglich: Unter extremem Stress kann es zu Hämatidrose kommen, einer sehr seltenen Erscheinung, bei der Blut in die Schweissdrüsen austritt.

Verfluchen wir jemanden oder wollen jemanden loswerden, so sagen wir «Fahr zur Hölle!» oder werden diese Person «zum Teufel jagen». Setzen wir jemanden extrem unter Druck oder quälen ihn, so machen wir ihm «die Hölle heiss». Wörtlich genommen ist das absurd, da die Hölle in unserer Vorstellung sowieso schon schrecklich heiss ist. Wenn wir also jemandem die Hölle heissmachen, setzen wir also noch eins oben drauf: Die oder der Betroffene hat ohnehin schon Stress (wie etwa unschaffbar viel Arbeit und Chaos) und er/sie bekommt noch viel mehr aufgedrückt. Man könnte sagen, die Person ist dann «in einem Teufelskreis gefangen», was wir sinnbildlich für ausweglose Situationen benutzen, aus denen wir – ohne Gottes Hilfe – nicht mehr rauskommen. «In Teufels Küche» kommen, so glaubte man im Mittelalter, alle Sünderinnen und Sünder, die dann in dieser teuflischen Küche (so stellte man sich die Hölle vor) über dem Feuer gebraten werden. Was für «Höllenqualen» das sein müssen! Aber wir wollen ja nicht gleich «den Teufel an die Wand malen» – das sagen wir, wenn wir nicht vom Schlimmsten ausgehen sollten. Wir müssen deshalb wirklich «höllisch aufpassen» (sehr vorsichtig sein), was für Wörter wir in den Mund nehmen. Das Wort «Höllentempo» nutzen wir zum Beispiel oft, wenn ein Auto gefährlich schnell an uns vorbeirast, eben in einem höllischen Tempo. Es kommt auch sehr häufig in den Überschriften von Nachrichten vor, wie etwa bei Blick.ch: «Arbeiterinnen wehren sich gegen Arbeitsbedingungen: Höllentempo bei Zalando für 19.92 Fr. die Stunde». Wahrscheinlich ist unter solchen Arbeitsbedingungen dort auch «die Hölle los». Das nutzen wir, wenn extrem viel los ist oder richtig Trubel an einem Ort herrscht.

Es gibt noch so extrem viele Beispiele, dass es ausarten würde, wenn auf jede Redewendung detailliert eingegangen wird. Doch bevor ich noch etwas zu Begriffen aus anderen Religionen in unserer Alltagssprache sage, folgt hier noch eine Reihe von Sätzen, die ebenso biblische Wurzeln haben und die wir viel von vorherigen Generationen wie etwa unseren Eltern oder Grosis hören oder kennen: 

  • «Dein Wort in Gottes Ohr!» (möge sich das, was du sagst, bewahrheiten; Gott hört zu; Vgl. 1 Joh 5,14)
  • «Jemandem die Leviten lesen» (jemanden zurechtweisen, aus dem 3. Buch Mose, das Levitenbuch)
  • «Alle Jubeljahre» (etwas, das selten vorkommt, in der Bibel ist das fünfzigste Jahr heilig, im Jubeljahr soll das Feld nicht neu gesät werden und der Weinberg darf nicht beschnitten werden, Vgl. 3Mo 25,10)
  • «Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.» (Vgl.: Mt 26,41)
  • «Jemandem ein Dorn im Auge sein» (unangenehm auffallen, Vgl.: 4. Mo 33,55)
  • «Eine Hiobsbotschaft erhalten» (eine extrem schlechte Nachricht bekommen, aus dem Buch Hiob)
  • «Zu etwas kommen wie die Jungfrau zum Kind» (Etwas Wunderbares auf unerklärliche Weise erhalten; Anspielung auf die Geschichte aus Lk 1,30)
  • «Das A und O» (Das Wichtigste, der Anfang und das Ende, das Erste und Letzte; Bezug zu Bibelversen wie Jes 44,6 oder Offb 1,8: «Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott,…»)
  • «Um Gottes Willen» (Bezug zu Mt 6,10; Gottes Wille ist der Höchste, Gottes Wille geschehe)
  • «Segen und Fluch zugleich» (Wer gehorcht hat Segen = Leben & wer nicht gehorcht hat Fluch = Tod, Vgl. 5Mo 11,26-28 und 5Mo 30,19)
  • «Alles Gute kommt von oben» (Jak 1,17: «Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter,…»)
  • «Nach mir die Sintflut» (eine gewaltige Katastrophe, das Wort Sintflut stammt aus der Geschichte des Noah und seiner Arche)
  • «Der verlorene Sohn» (Gleichnis vom verlorenen Sohn und barmherzigen Vater aus Lk 15,11-32)
  • «Jemanden zum Sündenbock machen» (Ziegenbock wurde symbolisch mit den Sünden des Volkes Israel beladen und in die Wüste geschickt, Vgl. 3Mo 16,10)
  • «Jemanden über den Jordan schicken» (Tod, Übergang ins Jenseits, Vgl. 4Mo 27,12 und Jos 3,14-17)
  • «Mit Engelszungen reden» (jemanden sanft und mit Liebe überzeugen wie Engel, Vgl. 1Kor 13,1)
  • «Die ersten werden die Letzten sein» (Mt 19,30: «Aber viele Erst werden Letzte und Letzte Erste sein»)
  • «Die Spreu vom Weizen trennen» (Weizen = die Gerechten, Spreu = die Gottlosen, Vgl.: Mt 3,12)
  • «Wie Schuppen von den Augen» (ein Blinder wurde durch Jesus sehend gemacht, Vgl.: Apg 9,18)
  • «Unschuldig wie ein Lamm» (Joh 1,29: «Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.»)

Erstaunlich, wie viel christlich-religiöse Prägung selbst nach 2025 Jahren noch in unserer Sprache verankert bleibt. Im deutschen/schweizerdeutschen Sprachgebrauch gibt es ausserdem, verglichen mit dem Christentum, bedeutend weniger Ausdrücke aus anderen Weltreligionen. Dennoch gibt es ein paar, die allgemein bekannt sind, vor allem aus dem Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus. Diese Begriffe sind allerdings nicht so stark präsent in unserem täglichen Leben wie die christlichen. Hier sind einige Beispiele: Das Judentum hat einige Begriffe in die deutsche Sprache eingebracht, teils durch das Jiddische, teils direkt aus der Religion: Koscher (etwas ist in Ordnung oder erlaubt, ursprünglich für Speisegesetze), Sabbatjahr (eine längere Auszeit), Tacheles reden (Klartext sprechen) oder Schlamassel (Pech oder Unglück). Arabische Begriffe aus dem Islam haben es teilweise in die Alltagssprache geschafft, besonders durch den Kontakt mit arabischen Kulturen: Dazu gehören Worte wie Inschallah (bedeutet: So Gott will, oft im Sinne von hoffentlich), die Beteuerung Wallah (bei Gott!) wird oftmals in der Jugendsprache benutzt. Halal ist ein Begriff, der vor allem bezüglich Lebensmitteln bekannt ist und sich auf etwas Erlaubtes bezieht. Auch das Wort Ramadan ist wohl allen geläufig als Fastenmonat. Vor allem Yogis oder allgemein in spirituellen oder esoterischen Kreisen sollten zudem ein paar Begriffe aus dem Buddhismus und Hinduismus bekannt sein, wie: Karma (Prinzip von Ursache und Wirkung), Mantra (wiederholter Spruch), Zen (völlige innere Ruhe), Chakra (Energiezentrum im Körper) und Guru (spiritueller Lehrer).

Schlusswort: Wir können uns über die Osterfeiertage einfach mal vornehmen, bewusster auf unsere Sprache zu achten und mal zu hinterfragen, warum wir manche Begriffe verwenden.

17. April 2025

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