Wir befinden uns im Forum der SNB (Schweizerische Nationalbank), wo wir uns mit der Designerin der neuen Schweizer Banknotenserie, Manuela Pfrunder, treffen. In diesem Besucherzentrum hier in Zürich ist der Prozess und die Gestaltung der aktuellen Schweizer Banknoten in einer kleinen Ausstellung detailliert aufgezeigt, das perfekte Setting, um sich über Geld zu unterhalten.
Die erste Banknotenserie wurde im Jahr 1907 von der SNB in Umlauf gebracht. Die SNB erhielt damals das alleinige Recht an der Banknotenausgabe. Die ersten Banknoten waren sogenannte «Interimsnoten», was so viel wie zwischenzeitliche Noten bedeutet, da die Zeit zwischen der Gründung der SNB und der ersten Serie zu knapp war, um sich vollkommen auf die Gestaltung zu konzentrieren. Die Entwürfe dafür wurden im Ausland gemacht, dann mit dem Schweizer Staatssymbol ergänzt. Die erste Serie bestand aus 50er-, 100er-, 500er- und 1000er-Noten. 1909 wurden dann probeweise nationale Gestaltungsentwürfe gedruckt, die dann ab 1911 von der SNB als zweite Serie eingeführt wurden.
Zur zweiten Serie gehörten zusätzlich noch die 5er-, 10er-, 20er- und 40er-Note. Die 10er- und 40er-Noten waren jedoch nie im Umlauf. Die Serie war mehr als 67 Jahre gültig. Die 5er-Note der zweiten Serie zum Beispiel, wurde erst am 1. Mai 1980 zurückgerufen und war bis 30. April 2000 gültig.
Die aktuellen Banknoten gehören seit 2016 zur neunten Serie und haben designtechnisch viel zu bieten. Wir haben uns mit der Grafikerin Manuela Pfrunder getroffen, die mit einem ausgewählten Kreativteam unsere heutigen Banknoten designt hat. 13 Jahre lang war sie mit der Gestaltung der neuen Banknoten beschäftigt. In diesen Jahren hat sie extrem viel gelernt, ist an ihre mentalen Grenzen gestossen und wurde immer wieder von neuem gefordert. Sie erzählt uns von diesem mega Prozess.
Wie kam der Auftrag für eine ganze Banknotenserie zustande?
Manuela: Die Nationalbank hat sich schon im Voraus überlegt, welche Personen sie einladen möchte und sich dabei auf die jüngere Generation beschränkt. Auch sollten Personen aus verschiedenen Regionen der Schweiz vertreten und der Geschlechteranteil ausgewogen gestaltet sein. Beim Letzteren hat es zwar nicht unbedingt eine Fifty-Fifty Ordnung gegeben, aber zumindest haben sie drei oder vier Frauen eingeladen. Zudem sollten die Grafiker:innen schon eine grössere, bestenfalls bekannte Arbeit, publiziert haben. Bei mir war das mein Buch «Neotopia», in welchem ich die Welt gerecht verteilt habe.
Ich war also eine der 12 eingeladenen Personen, damals 24 Jahre alt. Wir hatten alle nach einem gemeinsamen 2-tägigen Briefing einige Monate Zeit, anhand der Vorgaben der Nationalbank eine grobe Gesamtserie zu gestalten. Es ging dabei eher um die Themen- und Gestaltungsideen und weniger um ein detailliertes Endergebnis. Nachdem wir unsere Ideen eingereicht haben, entschied sich die Nationalbank mit den drei erst Platzierten, welche von einer externen Jury auserkoren wurden, im Prozess weiterzufahren. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch auf dem 2. Platz zusammen mit Martin Woodtli. Gewonnen hat der Gestaltungswettbewerb das Grafikatelier «Norm» mit Manuel Krebs.
Alle drei von uns haben parallel nochmals unseren Serien-Vorschlag überarbeitet und die 50er-Note genauer ausgeführt. Dieser Schritt hat sich über ein ganzes Jahr gezogen. Nach dieser zweiten Runde hat sich die SNB entschieden, mit mir weiterzufahren. Wir haben dann alles nochmals überarbeitet, was ein weiteres Jahr gedauert hat, bis sie mir dann offiziell den Auftrag zur Gestaltung der Banknoten übergeben haben.
Mein Erstentwurf aus dem Jahr 2005 war der Öffentlichkeit bekannt, doch bis zur Herausgabe im Jahr 2016 wurde nichts anderes mehr nach aussen kommuniziert.
Wurde das Thema von der SNB vorgegeben oder konntet ihr eure eigene Ideen einbringen?
Beides. Es wurde ein klares Thema vorgegeben. Zum Beispiel war dies bei der 50er-Note «Erlebnis». Wir sollten diesen Themenschwerpunkt anhand von Tourismus abhandeln. Um Bilder für die Noten zu finden und einen Serien-Charakter zu erstellen, entschieden wir uns, jeder Note ein Bildthema zuzuweisen, zu welchem wir dann eigenständig Bilder suchten und eine Gesamtkonzeption kreierten.
Kannst du uns das anhand einer Note ein bisschen präziser erklären?
Der 50er-Note haben wir das Thema «Wind» zugeteilt. Ein Bildthema festzulegen, half uns, unsere Ideen einzugrenzen. Wir stellten uns den Wind in der Schweiz vor. Wie nehmen wir ihn wahr und wie kann man die Schweiz mit dem Wind erleben? Das ermöglichte dann auch die Symbole und Bilder auf der Note zu wählen und zu begründen, zum Beispiel warum gerade ein Gleitschirm auf der 50er-Note für Erlebnis steht.
Bei der 100er-Note haben wir uns für das Bildthema «Wasser» entschieden. Dabei haben wir auf der Vorderseite eine Handgeste, die Wasser auffängt oder übergibt abgebildet. Wir fanden diese Geste passend, um das vorgegebene Thema «Humanität» darzustellen. Für die Rückseite der Note haben wir eine Suone gewählt, die auch den historischen Aspekt einbezieht. Suonen sind alte Bewässerungskanäle, die im Kanton Wallis zu finden sind.
Wie viele Menschen waren am Gestaltungsprozess dabei?
Mein Team bestand aus zwei bis maximal fünf Personen, je nach Zeitpunkt. Es gab über die Jahre auch einige Wechsel. Passende Gestalter:innen für die sehr spezifischen Aufgabenbereiche zu finden, war nicht immer ganz einfach. Über die ganze Zeit waren wir auch eng in Kontakt mit der Nationalbank und der Sicherheitsdruckerei Orell Füssli AG, welche die Schweizer Banknoten druckt.
Habt ihr selber entschieden, dass keine Personen mehr auf den Noten abgebildet werden?
Das war eine klare Vorgabe der Nationalbank. Der Wunsch war es, keine Persönlichkeiten mehr auf den Noten abzubilden, sondern ein Thema oder eine Handlung in den Vordergrund zu rücken. Ursprünglich war das Überthema «Weltoffene Schweiz». Auch wenn dieses Thema bei der Kommunikation eher in den Hintergrund gerückt ist, zeugt der Globus auf jeder Note noch vom Ursprungsgedanken: Die Schweiz sieht sich als Teil der Welt.
Die Hand auf der Note war aber eure Idee?
In unseren ursprünglichen Entwürfen waren eher Handlungen zu sehen und noch keine Hände. Der Nationalbank hat aber die Plakativität und der Fokuspunkt gefehlt. Es waren zu viele kleine Elemente zu sehen und weniger ein präsentes Element. Da es um Interaktionen gehen sollte, haben wir uns darauf geeinigt, auf allen Notenvorderseiten verschiedene Abbildungen von Handgesten darzustellen, die jeweils zum Bildthema passen.
Der Gestaltungsprozess hat mir einmal mehr gezeigt, dass sich die Auseinandersetzung mit dem Produkt lohnt; herauszufinden, was man mit der Gestaltung einer Banknote aussagen möchte und dann erst die ganzen Ideen weiterentwickelt. Eine Banknote muss 15-20 Jahre in Umlauf bleiben können, mit dem Ziel, nicht an Relevanz und Aktualität zu verlieren. Wir mussten uns also auch gut überlegen, ob wir gewisse Symbole zeigen wollen oder nicht. Wie ein Handy oder einen Bildschirm. Wie stellt man in der heutigen schnelllebigen Zeit etwas für 20 Jahre her? Diese Frage mussten wir uns – neben vielen anderen – immer wieder vor Augen führen.
Nebst der Hand sind auf der Rückseite weitere Abbildungen zu sehen. Woran orientieren sich diese?
Auf der Rückseite der Note ist jeweils ein konkreter und realer Ort der Schweiz abgebildet. Wir haben uns auch für diese Bilder am Thema der jeweiligen Note orientiert und entschieden, jeweils einen konkreten und realen Ort der Schweiz abzubilden. Auf der 1000er-Note ist zum Beispiel der Nationalratssaal abgebildet, dessen Foto wir durch eine Luke fotografieren liessen. Dieses Bild haben wir dann so weit bearbeitet, dass es optisch auf der Banknote funktioniert und zudem für den Sicherheitsdruck geeignet ist. Bevor es aber jeweils zu dieser aufwändigen Aufbereitung der Daten kam, mussten wir uns sicher sein, dass das gewählte Sujet auch wirklich geeignet ist.
Wurden alle Noten zum gleichen Zeitpunkt fertiggestellt?
Nein. Wir hatten zwar immer einen Entwurf, wie die Gesamtserie aussehen soll und dieser wurde laufend angepasst. Aber in der detaillierten Umsetzung haben wir uns jeweils auf eine Note konzentriert, analog der Emissionsreihenfolge. Bei der 50er-Note haben wir am längsten gefeilt, weil es die erste Note war, die in Umlauf gebracht wurde. Dabei haben wir auch das Papier getestet, das extra für diese Serie entwickelt wurde, sowie weitere neue Sicherheitsmerkmale.
Waren die Produktionsdetails bei der 50er-Note geklärt, nahmen wir uns der 20er-Note an. Während wir mit dieser in der Detailumsetzung standen und das mikroskopische Design entwickelten, organisierten wir gleichzeitig bei der nächsten Note das Fotoshooting. Das war eine sehr abwechslungsreiche aber auch intensive Zeit.
Wie hat es sich für dich angefühlt, als die erste Banknote in Umlauf gebracht wurde?
Einerseits war da plötzlich die ganze Publicity, der ich all die Jahre vorher nicht ausgesetzt war. Zuvor wurde ich gebeten, keine Interviews zu geben, deshalb habe ich mich allgemein im Hintergrund gehalten. Zudem war alles geheim; ich durfte die ganze Zeit nie etwas über die Gestaltung und den Prozess erzählen und plötzlich stand ich voll im Rampenlicht. In der Öffentlichkeit zu stehen, war für mich eher unangenehm.
In den Jahren der Gestaltung ist so viel passiert, dass ich teilweise gar nicht wusste, was nun relevant war für die Öffentlichkeit und was eher nicht.
Auch haben sich für mich während der Gestaltungsphase die Designs der Banknoten nie wirklich wie Geld angefühlt, auch dann nicht, als wir sie bogenweise in der Druckerei vor uns gesehen haben. Wir konnten uns jahrelang nur vorstellen, wie das Gefühl wohl sein wird, wenn man mit dieser Note bezahlen wird.
Erst als ich Feedback von den Menschen erhielt, die nicht am Prozess beteiligt waren, und auch ich die Noten direkt aus dem Bankautomaten bekommen habe, fühlte es sich nach richtigem Geld an. Und als ich realisierte, wie die Menschen meine Arbeit als Geld akzeptierten, wurde es auch für mich zu Geld.
Überrascht hat es mich schon, dass sich alle so schnell an neue Noten gewöhnt und dies als valides Zahlungsmittel einfach so akzeptiert haben.
Habt ihr nebenbei noch an anderen Projekten gearbeitet?
Wenn, dann nur an wenigen und kleineren Projekten. Wir hatten wenig bis gar keine Zeit. Manchmal hätte ich aber schon gerne meinen Kopf und meine Ideen einem anderen Projekt gewidmet, um mich für einige Zeit vom Bankoten-Projekt zu distanzieren. In den 13 Jahren habe ich das Projekt etwa fünf Mal emotional für mich hingeschmissen. Doch dann habe ich mir wieder vor Augen geführt, welch langen Prozess ich schon hinter mir habe und wie viel ich schon dafür gegeben habe.
Wie fühlt es sich an, so lange daran gearbeitet zu haben und zu wissen, dass die Mehrheit der Menschen dem Design wenig bis gar keine Beachtung schenkt?
Mir war bewusst, dass Menschen nicht auf die ganzen Details achten werden. Das habe ich auch schon bei der Recherche zur letzten Banknotenserie gemerkt, da ich selber nicht genau wusste, was darauf abgebildet war.
Aber manchmal war ich schon sehr überrascht, dass gewisse Menschen der Banknote so wenig Beachtung schenken und teilweise nicht einmal gemerkt haben, dass auf jeder Note Hände zu sehen sind oder dass die 100er-Note blau ist.
Stark aufgefallen ist, dass die Haptik einer Note ebenso wichtig für die Menschen ist, wie das Design. Die Menschen würde es eher stören, wenn die Noten sich nicht wie Geld anfühlen und nicht, wenn sie nicht wie Geld aussehen. Das war eine spannende Erkenntnis für mich.
Mit welchen Menschen wart ihr während des Prozesses im Austausch?
Am intensivsten war natürlich der Austausch mit der Schweizerischen Nationalbank und den Leuten von der Sicherheitsdruckerei. In einer Projektgruppe haben wir uns monatlich getroffen und uns über die aktuellen Prozesse ausgetauscht und die weiteren Schritte definiert. Begleitet wurden wir auch von Jörg Zinsmeyer, der die letzte Banknotenserie gestaltet hat, sowie Roger Pfund, der die letzte Reserveserie gemacht hatte. Jörg Zinsmeyer ist während des Prozesse leider verstorben, was für mich persönlich sehr einschneidend war. Generell war der Wechsel in den Teams für alle nicht einfach, da es dadurch teilweise an Stabilität gemangelt hat. Auch in den Führungspositionen gab es einige Wechsel und somit auch in puncto Vorgaben und Bestimmungen, was uns dann immer wieder zum Umlenken gezwungen hat.
Wir haben zudem auch mit vielen Fachpersonen zusammengearbeitet, wie zum Beispiel bei der 200er-Note mit einem Teilchenphysiker, da es bei deren Design um den Urknall geht. Er hat sichergestellt, dass alle Atome am richtigen Ort platziert waren. Für die 10er-Note sind wir mit einem Uhrmacher in Kontakt getreten, da das abgebildete Uhrwerk auch funktionieren sollte.
Wie meinst du, wird es mit Bargeld weitergehen?
Das haben wir uns natürlich während des Gestaltungsprozess auch manchmal überlegt. Wird diese Serie die letzte sein? Heute ist meine Frage; wird die Banknote weiterhin Symbol für Geld verwendet werden oder ist das eher die Bankkarte oder gar das Handy? Ich bin selber gespannt, wie sich das Geld weiterentwickeln wird in den nächsten Jahren. Einerseits finde ich es schade, dass Bargeld immer mehr verschwindet, weil ich weiss, was alles geleistet und geforscht werden muss, damit Bargeld funktioniert. Aber ich glaube nicht, dass wir uns der technischen Entwicklung entgegenstellen können.
Banknoten sind ein sehr cleveres Produkt. Sie brauchen keinen Strom und können sogar in den Socken transportiert werden. Bargeld hat gute Attribute, auf die man vielleicht gerne einmal zurückgreift oder über die man froh ist. Deswegen habe ich das Gefühl, Bargeld wird nie ganz verschwinden. Im alltäglichen Leben muss es anderen Zahlungsmitteln aber sicher immer mehr weichen.
Es wird spannend für die Person, die dann die zehnte Banknotenserie gestaltet. Der ganze Gedankengang wird ein anderer sein und es wird sich auch vieles bis dahin verändern. Vielleicht wird es weniger aufwendig sein, eine solche Serie zu gestalten oder andere Schwerpunkte beinhalten. In den drei letzten Serien ist die Banknotengestaltung eher einem traditionellen Weg gefolgt, ob das so weitergeht kann ich nicht sagen, aber es wird sicherlich ebenso spannend.
11. September 2022