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Stammzellspende

Durch Stammzellspende Leben retten

Die Stammzellspende rettet Leben. Doch wenige wissen, was das genau ist, ob und wo die Gefahren bestehen, und wieso Männer unbedingt spenden sollten. Professor Jakob Passweg, Chefarzt der Hämatologie am Unispital Basel, hat uns in einem Interview darüber aufgeklärt.

Von Sina Schmid

Vor ein paar Monaten bin ich auf einen Instagram-Spendenaufruf gestossen. Eine Frau sucht dringend einen Stammzellspender mit west-afrikanischen Wurzeln. Diese spezifische Suche hat mich überrascht. Mir war nicht bewusst, wie konkret Stammzellspender:innen zu den Empfänger:innen passen müssen. 

Daraufhin habe ich mich mit meiner guten Freundin und Medizin-Studentin Zoe Mrose zusammengeschlossen, um mehr über das Thema zu erfahren. So sind wir auf Professor Passweg gestossen, der am Universitätsspital Basel für die Hämatologie, also Lehre von Blut, Knochenmark und Lymphknoten, zuständig ist. 

Vorab aber zuerst einige allgemeine Fakten, bevor wir zur Ausführung von Prof. Passweg kommen. 

Was sind Stammzellen?

Per Definition sind Stammzellen Körperzellen, welche eine Kopie von sich selbst erstellen können. Diese Kopien können sich dann in verschiedene Zelltypen oder Gewebe ausdifferenzieren. Stammzellen sind speziell einzigartig, weil beispielsweise aus Stammzellen Eizellen werden können, und somit Leben entstehen kann. Das heisst also, eine Stammzelle kann sich weiterentwickeln und spezialisieren. In diesem Artikel geht es jedoch nicht um totipotente Stammzellen, wie die Eizelle, sondern um hämatopoetische Stammzellen, also Blutstammzellen. Durch ihre Fähigkeit sich zu differenzieren, können sich weisse sowie rote Blutkörperchen bilden. Unsere Immunzellen werden aus den hämatopoetischen Stammzellen gebildet.

Wozu braucht es Stammzellspenden?

Stammzellen helfen, die Immunabwehr aufzubauen. Die Therapie eignet sich unter anderem bei Knochenmarkschwund, bei angeborenem Immunmangel oder am häufigsten nach einer Chemotherapie im Zusammenhang mit einer Leukämieerkrankung.

Wo finden wir Stammzellen?

Stammzellen sind in den Organen, in der Nabelschnur und auch im Knochenmark zu finden. Ein Organ, welches sich ständig und offensichtlich erneuert ist die Haut. Sie besitzt besonders aktive Stammzellen. Hämatopoetische Stammzellen sind im Knochenmarkt zu finden, dort findet unsere Blutbildung statt. Auch Nabelschnurblut enthält hämatopoetische Stammzellen, welche für eine Transplantation verwendet werden können.

Welche Formen der Stammzellspende gibt es?

Es gibt zwei Formen, die autologe und allogene. Autolog heisst, dass ein Eigenstamm wieder zugeführt wird. Sprich: Stammzellen werden vor einer aggressiven Therapie gewonnen, um danach wieder eingeführt zu werden.

Daneben gibt es die allogene Spende, das heisst Stammzellen von einer Person werden auf eine andere übertragen. 

Wie werden Stammzellen gewonnen?

Stammzellen können aus dem Knochenmark sowie aus dem Blut gezogen werden. 

Im Falle einer Knochenmarkspende wird unter Vollnarkose das Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen. Spender:innen können am nächsten Tag das Spital verlassen.

Die Entnahme von peripheren Blutstammzellen ist jedoch gebräuchlicher. Vor der Entnahme werden den Spender:innen Wachstumsfaktoren verabreicht, das vermehrt Blutstammzellen im Knochenmark, welche dann in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden. Danach werden durch venöse Zugänge Blutstammzellen entnommen – sozusagen herausgefiltert, das Blut fliesst jedoch wieder zu den Spender:innen zurück. Nach der peripheren Entnahme können die Spender:innen noch am selben Tag das Spital verlassen.

Wie kann ich mich für die Spende anmelden?

Die Wahrscheinlichkeit auch nach Typisierung, also Erfassung im Register, je zur Spende gerufen zu werden ist klein. Genauso klein ist der Aufwand, um sich im Register erfassen zu lassen. Die Anmeldung geschieht ganz einfach online unter Blutstammzellspende.ch. Danach wird ein Kit direkt nach Hause geschickt, wo eine Speichelprobe entnommen werden kann. Diese wird zurückgesandt, typisiert und im Register erfasst.

Das Gespräch:

Herr Prof. Passweg ist Chefarzt der Hämatologie am Unispital Basel. Er ist ehemaliger Präsident der Krebsliga Schweiz und setzt sich für die Stammzellspende ein. Seine Vorlesung zur Hämatologie für die 3. Semester Humanmedizin-Student:innen an der Universität Basel hat uns durch Zoe zu ihm geführt.

An seinem Arbeitsort im Unispital Basel haben wir mit Prof. Passweg ein spannendes Gespräch geführt:

«Es gibt verschiedene Gründe für die Notwendigkeit einer Stammzellspende. Stammzellen werden beispielsweise im Falle von Knochenmarkschwund, dem Fehlen von roten Blutkörperchen, bei angeborenem Immunmangel oder am häufigsten nach einer Chemotherapie im Zusammenhang mit einer Leukämieerkrankung eingesetzt.

Die Registrierung für die Stammzellspende ist deshalb wichtig, weil die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise Geschwister passende Spender:innen sind, bei nur 25% liegt. Mit einer durchschnittlichen Kinderzahl von 1.4 sind wir auch in der Schweiz auf ausserfamiliäre Spender:innen angewiesen. Bislang haben wir weltweit ca. 35 Mio. Menschen typisiert. 

Die genetische ID-Karte, einfach gesagt, ist variabel und spezifisch. Dass zwei Personen dieselbe haben, ist unwahrscheinlich. Genau gleich ist auch das Abwehrsystem jeder Person anders. Deshalb sind grosse Mengen an Spender:innen enorm wichtig. Als Gott vor 100’000 Jahren den Menschen geschaffen hat, wusste er nicht, dass beispielsweise Corona kommen würde. Aber er hat eine variable Abwehr geschaffen, damit bestimmt jemand überlebt. Je älter eine Population ist, desto grösser ist die genetische Variabilität. In Afrika ist die Variabilität hoch, da es sich um eine ältere Population handelt. 

Je diverser die Spender:innen sind, desto grösser ist die Chance, eine passende Person zu finden. Dennoch gibt es Länder ohne Register. Beispielsweise in Saudi-Arabien. Dort war es früher auch einfacher, weil die Familien grösser waren, und die Wahrscheinlichkeit, passende Spender:innen zu finden, grösser war. Das ist heute anders.

Überall wo genügend Geld fliesst, oder ein gut strukturiertes Gesundheitssystem besteht, gibt es Register. Dort wo es keine gibt, versuchen Outreachprogramme zur Spende aufzurufen, oder es wird mit etablierten Registern wie beispielsweise in den USA korrespondiert, um so passende Spender:innen zu finden.

Die Spende selbst ist unproblematisch. Es gäbe nicht 35 Mio. Spender:innen, wenn es sich um einen Hochrisikoeingriff handeln würde. Dennoch ist die Sicherheit der Spender:innen die höchste Priorität. Und wie bei jedem medizinischen Eingriff gibt es Risiken. Diese sind jedoch relativ klein. 

Die Spender:innen werden informiert und entscheiden schlussendlich, ob nun eine Blutstammzellspende oder die Knochenmarkspende erfolgen soll. Der Arzt oder die Ärztin der Patient:innen darf jedoch eine Präferenz äussern. Zudem sind die Ärzt:innen von Spender:innen und Empfänger:innen unabhängig. Das soll garantieren, dass kein Interessenskonflikt entsteht.

Bei den Spender:innen werden junge Personen bevorzugt. Ferner werden junge Männer bevorzugt, da die Spende durch bessere Venen einfacher ist. Zudem haben Frauen immunbiologisch eine gewisse Aggressivität gegenüber Männern. Das heisst: wenn die Patientin eine Frau ist, wäre es egal, ob es sich um einen Spender oder eine Spenderin handelt. Bei Männern werden jedoch männliche Spender bevorzugt.

Zurzeit sehen wir jedoch, dass sich häufiger Frauen registrieren lassen. Dieses Ungleichgewicht bedarf es zu korrigieren. Spenderbanken werden öffentlich finanziert, das heisst, die Spender:innen zahlen für ihre Spende nichts.»

Je mehr Menschen sich besonders in jungen Jahren registrieren, desto mehr Patient:innen kann geholfen werden. Die einzelnen Register arbeiten eng zusammen, um so auch den internationalen Austausch von Stammzellen zu ermöglichen. 

Auf der offiziellen Website der Blutstammzellspende der Schweiz finden sich weitere wichtige Informationen. Wer also jung und gesund ist, soll sich doch eine Spende überlegen. 

06. Mai 2022

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