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Kommunikation oder das, was wir nicht mehr können

Noch nie hatten wir so viele Kommunikationsinstrumente und noch nie haben wir so wenig miteinander geredet wie heute. Die Kontaktmenge und der Datenaustausch nimmt immer mehr zu, dennoch scheinen wir uns immer weiter voneinander zu entfernen.

Von Leila Alder

Illustration Kommunikation

Vor rund 1,7 Millionen Jahren, versuchten Hominiden ihren Nachfahren mit der sogenannten Protosprache, also durch Laute und Gesten, zu erklären, wie man eine Ur-Axt anfertigt. Von Schriften und der Digitalisierung waren unsere primitiven Vorfahren noch ganz weit entfernt. Die Kommunikation lief zwischenmenschlich ab. Dies wiederum ist alles andere als primitiv und genau mein Ansatz. 

Über Jahrtausende hat sich unsere Sprache und Kommunikation verändert und an unseren Lebensstil angepasst. Das heisst; im digitalen Zeitalter kommunizieren wir wie hauptsächlich? Digital! Richtig. Gar so digital, dass die zwischenmenschliche Kommunikation bis zu einem gewissen Grad abgelöst wurde. Primitiv! 

Doch zuerst mal back to the Facts: Kommunikation ist unerlässlich, das wissen wir alle. Man kann das Notwendigste der Welt ja sogar studieren. Ob dies was bringt sei dahin gestellt. Trotz Notwendigkeit, ewigem Bestehen und Studiengängen, scheinen wir sie verlernt zu haben: Die aufrichtige, direkte und unverblümte Kommunikation unserer Vorfahren.

Tagtäglich höre ich mir Beziehungsprobleme, Probleme am Arbeitsplatz, Probleme in der Familie oder im Freundeskreis an, und stelle immer dieselbe Frage: «Hast du es ihm/ihr mittgeteilt?» Als Antwort kriege ich meist ein: «Bringt doch nüt!» Oder ein: «Nei, spinnsch?!».

Tue ich – so weit mir bekannt ist – nicht. Ich bin bloss Fan der offenen, unverblümten Kommunikation. Seit ich denken kann, teile ich mich mit. Dies scheint womöglich auch der Grund zu sein, dass ich mit verdammt wenig Menschen anecke oder streite. 

Das Gute nowadays ist ja, dass wir zahlreiche Vokabeln mehr in unserem Wortschatz haben, als die Hominiden.

Müssten wir uns nach wie vor mit wildem Fuchteln und abartigen Lauten ausdrücken, würde ich mich wahrscheinlich auch eher zurück halten.

Warum also kostet es uns so viel Überwindung richtig zu kommunizieren? Direkte, ehrliche Nachrichten auszusenden, damit sie genau so beim Empfänger ankommen – wie es uns Stuart Hall einst lehrte – und eine unmittelbare Reaktion gefordert wird. Erst zwei Tage später zu antworten, geht bei der direkten, zwischenmenschlichen Kommunikation schlichtweg nicht, und auch Emotionen lassen sich nur schwer verstecken. Sind es gerade diese Emotionen, vor denen wir uns fürchten? Tränen die hochschiessen könnten, Wut die ausbrechen könnte, ein Lachen das herausplatzen könnte?

Also verstecken wir uns lieber hinter Floskeln und Emojis, um die Gefühlslandschaft so gut es geht taub zu halten. Nachteil dieser Verhaltenstechnik ist jedoch, dass wir unglaublich viel verpassen, aufgeben oder beenden, was nicht hätte verpasst, aufgegeben oder beendet werden sollen.

Lohnerhöhungen, die nicht erfolgen, weil nicht direkt danach gefordert wird. Beziehungen, die nicht eingegangen werden, weil Gefühle nicht gestanden werden. Missverständnisse, die nicht geklärt werden, weil das Zugeben von Fehlern so schwer fällt.

Kann es also sein, dass die aufrichtige, direkte und unverblümte Kommunikation unserer Vorfahren, die Lösung oder sogar Vermeidung so mancher Probleme sein könnte? Mindblowing. 

Vorschlag: Legen wir unsere Mobiltelefone, mit abertausenden nichts sagenden Chats zur Seite und konzentrieren uns stattdessen auf unsere intuitive Fähigkeit zwischenmenschlich zu Kommunizieren. Selbst wenn wir es vielleicht noch einmal von vorne lernen müssen. Dann fuchteln wir halt noch ein bisschen wild herum und geben Laute von uns, bis wir es wieder schaffen, Aufrichtigkeit, Gefühle und Emotionen in Worte zu fassen und sie auszusprechen.

21. Oktober 2020

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