Zwischen dem Kosovo und der Schweiz besteht eine besondere Verbindung – über 250’000 Kosovar:innen leben hier – die unbedingt gestärkt werden soll. Dafür bedarf es Aufklärung über historische und aktuelle Geschehnisse. Denn oft wissen Schweizer:innen zwar, dass viele in den Sommerferien nach Kosovo fahren. Über die dortige Kulturszene ist hierzulande jedoch wenig bekannt – selbst die Diaspora kommt mit einigen Lebenswelten im Kosovo nicht mehr in Berührung. «Kino Kosova» soll das ändern.
Das Filmfestival findet dieses Jahr bereits zum dritten Mal, vom 11.-14. Mai 2023, in Zürich im Kino Riffraff statt. Gezeigt werden Filme aus dem Kosovo und der Diaspora, die von den Anti-Kriegsprotesten in den 90er-Jahren, der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, feministischen und queeren Aktivist:innen von heute und den Geschichten derer, die Kosovo auf der Suche nach einer besseren Zukunft verlassen haben – auch in Richtung Schweiz – handeln.
Das fünftägige Festival erzählt Geschichten von den Herausforderungen und Hoffnungen unterschiedlichster Menschen und bietet Platz für Austausch. Die moderierten Q&A’s nach den Filmen geben tiefe Einblicke in das kulturelle Schaffen der Filmemacher:innen und die oft intimen und komplexen Inhalte der Filme.
Wir haben mit Sabahet Meta, dem Gründer und Direktor des «Kino Kosova» gesprochen.
Wieso hast du dich für das Medium Film entschieden, um der kosovarischen Diaspora eine Plattform zu bieten?
Sabahet: Für mich sind Filme besonders einzigartig, weil sie das Leben auf eine Art und Weise einfangen, wie es andere Kunstformen nie könnten. Die Filme, die wir zeigen, erreichen zudem was faktenbasierten, historischen Aufzeichnungen verwehrt bleibt: Sie widerspiegeln, wie es sich anfühlte, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu leben. Filme wecken Emotionen und ermöglichen dem Publikum, gesellschaftliche Normen in Frage zu stellen, Ungerechtigkeit anzufechten und zu kollektivem Handeln zu inspirieren.
Jedes Jahr kommen verschiedene Künstler:innen zu uns, um ihre Werke im «Kino Kosova» zu präsentieren. Die Diversität bietet dem Publikum die Gelegenheit, mit den Filmemacher:innen in Kontakt zu treten. An jedem «Kino Kosovo» Pannel spürt man das grosse Interesse an den Geschichten, unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen. Das schätzen wir enorm.
Zudem ist es in der Zeit der Globalisierung eine grosse Chance für kleine Länder wie den Kosovo, international durch Kunst und in diesem Fall durch Film wahrgenommen zu werden.
Die kosovarische Diaspora hat in der Vergangenheit viel Kritik erfahren müssen. Wie kann das «Kino Kosova» deiner Meinung nach einen Beitrag für mehr Verständnis für die Diaspora leisten?
In der Vergangenheit gab es mehr Herausforderungen als heute. Die ältere kosovarische Diaspora erinnert sich auch heute noch gut an die Zeit, als sie in den 70er-Jahren als Gastarbeiter:innen kamen und ihre Familien nicht mitbringen durften. Seitdem hat sich jedoch viel verändert. Vor meiner Generation haben sich bereits zahlreiche Aktivist:innen mit verschiedenen Mitteln für das gegenseitige Verständnis und die Akzeptanz zwischen den Gemeinschaften eingesetzt. Heute spielt die kosovarische Diaspora eine wichtige Rolle in der Schweiz und leistet ihren Beitrag zur Wirtschaft, zum Gesundheitswesen, zum Sport und zur Kultur.
Leider gibt es immer noch Stereotypen und Klischees über die kosovarische Diaspora beziehungsweise Schweizer:innen mit kosovarischen Wurzeln. Das «Kino Kosova» bietet ein differenziertes Bild des Kosovos und seiner Diaspora, indem es eine Plattform für Selbstreflexion ermöglicht, Raum zum Nachdenken schafft und neue Perspektiven fördert.
Viele der Filme sind schon ein paar Jahre alt, manche sogar ein paar Jahrzehnte. Was hat dich dazu bewogen, Filme zu zeigen, die nicht erst kürzlich produziert wurden?
Ich möchte kurz erwähnen, dass Ilir Hasanaj dieses Jahr für das Programm verantwortlich war und die Hauptkuration übernommen hat. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Der Hauptgrund ist, dass es grossartige Filme sind und wir uns in erster Linie auf das Thema des Festivals konzentrieren, nicht auf das Erscheinungsjahr. Ausserdem haben einige Filme in der Vergangenheit nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich verdient hätten.
Wir erleben eine «neue Welle» furchtloser kosovarischer Filmemacher:innen, vor allem Frauen, die den Mut haben, Themen anzusprechen, die bisher nicht behandelt wurden. Das inspiriert gleichzeitig eine nächste Generation, sich durch Filme auszudrücken.
Und wir müssen bedenken, dass das Jahresbudget für die Filmproduktion im Kosovo bis vor kurzem 600’000 Euro betrug, was kaum dem Budget für eine einzige Dokumentarfilmproduktion hier in der Schweiz entspricht. Dieser Betrag ist zwar etwas angestiegen, aber nicht genug, um nur Filme aus diesem Jahr zu zeigen.
Der Film «Dubina Dva» von Ognjen Glavonic wird auch gezeigt. Ein Film, der ein besonders geladenes Thema behandelt. Was hat euch dazu bewogen, diesen Film zu zeigen?
Das Thema ist vorbelastet und wird absichtlich von vielen Parteien totgeschwiegen, heutzutage gerät Geschehenes leicht in Vergessenheit. Die Vorführung ist ein Versuch, das Thema aufzudecken, zu beleuchten und ihm eine Stimme zu geben.
Was sind eure Ziele im Bezug auf das «Kino Kosova»?
Das Festival strebt eine aktivere Zusammenarbeit mit verschiedenen Gemeinschaften in der Region Zürich und der ganzen Schweiz an. Wir freuen uns, bei unserer kommenden Ausgabe in Zürich ein Konzert von Edona Vatoci als Nebenveranstaltung durchzuführen. Unsere Absicht ist es, mehr Raum für andere Künstler:innen zu schaffen, welche sich dennoch im Bereich der diskutierten Thematik des Festivals bewegen. Wir wollen weiterhin vermehrt Dialoge und Podiumsdiskussionen ermöglichen. Was uns auch interessieren würde, wären verschiedene Workshops anzubieten, sowie auch Gastländer einzuladen, um so die Vielfalt des Festivals stetig zu steigern.
Mehr zum Festival und das Programm gibt’s hier.
28. April 2023