Es liegt eine besondere Magie darin, mit Sprache Kunst zu erschaffen. Das zeigt sich nicht nur in Gedichten, Prosa und Dramen, sondern auch in Formen wie Rap. Die gebürtige Zürcherin ist im Tessin aufgewachsen und lebt heute in Basel. KimBo weiss, wie man aus Sprache Kunst macht. Seit sie 2018 ihre Debüt-EP auf den Markt gebracht hat, tritt die Rapperin schweizweit mit ihrer Musik auf. Die Kombination aus italienischen und schweizerdeutschen Lyrics ist nur eines ihrer Werkzeuge, um Melodie mit Worten auf eine ganz eigene Art und Weise zu kombinieren und etwas Einzigartiges zu kreieren. Im Herbst erscheint ihr neues Album «Weg gah». Ich habe die Musikerin auf einen Kaffee in Olten getroffen.
Dein neues Album, das am 28. November erscheint, trägt den Titel «Weg gah». Wir sind hier in Olten. Olten ist für mich als Verkehrsknotenpunkt der Schweiz geradezu der Inbegriff des Weggehens. Was bedeutet «Weg gah» für dich?
KimBo: Der Name ist ein Wortspiel zwischen «Weg gah» (weggehen) und «Weg gah» (Wege gehen). Ich habe Texte geschrieben, die Dinge wie meinen inneren Kompass und die Wege, die ich gehen will, thematisieren, aber andererseits auch Texte darüber, wovon ich am liebsten weggehen würde. Grundsätzlich ist das, was ich sage, eher dezidiert – man kann eigentlich jeden Song auf verschiedene Art und Weise hören.
Wie hat sich deine Musik über die Jahre entwickelt? Wie unterscheidet sich dieses Album von deinen bisherigen Werken?
Als ich mit der Musik anfing, habe ich viele Songs mit sehr politischen Inhalten geschrieben, beispielsweise den Song «F-Wort» gemeinsam mit SASA für den Women’s March. Ich hatte den Eindruck, dass politische Themen in der Popkultur und der breiten Gesellschaft viel zu wenig behandelt wurden. Heute sind wir da an einem ganz anderen Punkt. Die jungen Leute sind sehr politisiert, nicht zuletzt durch Social Media, wo viele Personen bemüht sind, komplexe Inhalte herunterzubrechen und zugänglich zu machen. Bei meiner letzten EP war ich noch eher in einem Hamsterrad gefangen, in dem ich alles schnell produzieren wollte. Dieses Album entstand in einer «künstlerischen Pause». Es wurde in einem zentrierten Zustand aufgenommen, und jeder Song entwickelte sich in seinem eigenen Tempo nach einer organischen Entwicklung.
Hat das Politische immer noch Platz in deiner Musik?
Total! Der Song «Hustle Culture» ist ganz klar eine Kritik am Turbokapitalismus. Auch bei «Sistahood» geht es um Freundschaft unter Frauen, um den Zusammenhalt, um gegenseitiges Empowerment. «Unter mim Niveau» kann ebenfalls politisch ausgelegt werden; es ist ein Diss an Arschlöcher, die Macht innehaben. Mittlerweile achte ich aber auch immer mehr darauf, dass ich in der Musik einen bestimmten Vibe rüberbringen kann und das Musikalische dabei auch nicht zu kurz kommt.
Was meinst du damit?
Ich glaube, es kann ein Risiko sein, wenn man sich zu sehr auf die Message konzentriert und zu sehr im politischen Denken drin ist, dass es dann nur um die Botschaft geht und das Musikalische dabei untergeht. Im Extremfall hat man ein sehr politisches Lied, so quasi einen Flyer-Text, und dann wieder ein total unpolitisches Lied – dann wirkt einiges zu angestrengt. Ich möchte mich irgendwo in der Mitte bewegen – mir ist wichtig, die Musik und die Stimmung zu beachten. Manchmal gehe ich mehr von einem Beat oder einem Vibe aus, ein anderes Mal von einem klar definierten Thema. Das sind dann jeweils unterschiedliche Ansätze, um Musik zu machen.
Was beeinflusst deine Musik sonst noch?
Manchmal ist da dieses Bedürfnis, etwas zu thematisieren und zu verarbeiten. Manchmal möchte ich aber auch einfach nur kreativ sein. Ich höre mir Songs an, die mich inspirieren. Habe Lust, etwas Neues auszuprobieren und mich weiterzuentwickeln. Musikalisch geht das neue Album sehr in Richtung Reggaeton, Afrobeat, Baile Funk – ich liebe diese Rhythmen, bei denen man nicht anders kann, als sich zu bewegen. Ich bin zutiefst dankbar, dass ich von klein auf Musik aus der «Black Culture» erleben durfte. Mit Radio- und Volksmusik kann ich wiederum wenig anfangen (lacht).
Du rappst auf Schweizerdeutsch und Italienisch, kombinierst die beiden Sprachen. Wie kann Sprache in Kunst gewandelt werden?
Da geht es stark um die Rhythmik der Silben und ihre Betonungen, aber auch darum, wie Vokale und Konsonanten klingen. Das habe ich mit der Zeit gelernt, gerade wenn nicht nur der Text eine Rolle spielen soll, sondern auch das Taktspiel und die Klänge und die Melodie. Man hört genau hin und überlegt sich intensiver, was gut zusammen klingt. Dann wird es zu einer spannenden Herausforderung, etwas Kreatives und Überraschendes mit einer Botschaft zu produzieren. Dabei kann man sich auch mit Kauderwelsch antasten – es muss übers Ohr gehen.
Wie haben deine Schweizer Herkunft und deine Mehrsprachigkeit – im Tessin aufgewachsen, in Zürich und Basel studiert – deine Musik geprägt?
Jede Sprache hat ihre eigene Kultur. Ich habe eine Nähe zum italienischen Rap und Reggaeton, ich verstehe es, ich fühle es. In der Deutschschweiz ist der gehörte Deutschrap sehr direkt, in your face. Diesen Teil habe ich auch in mir. Gerade der Song «Kei Eier» ist gnadenlos. Vom Italienischen hingegen habe ich das Flüssige, Poetische und Romantische übernommen. Der musikalische, klangvolle Teil hat mir sehr geholfen, mich und meine Musik weiterzuentwickeln. «Du hesch kei E-E-E-E-Eier» liest sich komisch, klingt im Refrain aber hammer. Dank der Sprachen beziehungsweise Kulturen hinter den Sprachen konnte ich aus einem reichen Topf schöpfen und eine eigene Mischung kreieren.
Was fühlst du, wenn du deine Songs machst, und was sollen die Leute dabei mitnehmen?
Ich merke immer wieder, dass es mir wichtig ist, mir treu zu bleiben, gerade zu stehen und dabei auch empowernd zu sein in meiner Musik – wie zum Beispiel in den Songs «Stahne Grad» und «Ich Blib Mir Treu». Ich schreibe diese Texte nicht nur für andere, sondern auch für mich. Ich merke, dass ich manchmal einen Boost für mein Selbstvertrauen brauche, und mit KimBo kann ich das angehen und umsetzen. Ich höre auch von anderen, dass sie durch meine Songs die Kraft bekommen, zu sich zu stehen oder ihre Grenzen zu ziehen. Und auf der Bühne ist mir wichtig, dass ich die Leute zum Tanzen bringe – das klappt auch immer, früher oder später (lacht).
Als du in dieser Branche angefangen hast, war Sexismus im Rap ein wiederkehrendes Thema. Wie hat sich das im Verlauf der Jahre geändert?
Der Umgang mit Frauen in der Branche ist immer noch problematisch. Angemacht werden, nicht ernst genommen werden, Mansplaining – das ist leider nach wie vor Realität. Aber ich bin beeindruckt, wie Rapperinnen immer tougher auftreten und auch nicht nur dem klassisch-weiblichen Bild einer Sängerin entsprechen. Gleichzeitig hat man gemerkt, dass es finanziell lukrativ sein kann, Frauen zu pushen – es ist ein Markt da. Männliche Rapper wollen mit Frauen Collabs starten, einfach auch, weil sie sehen: Das hat finanzielles Potenzial.
Wirst du dein Leben lang Musik machen wollen?
Ich weiss es nicht. Vor zwei Jahren war ich an einem Punkt, an dem ich dachte, es reicht. Aber ich brannte noch immer für die Musik und brauchte einfach eine Pause, um wieder Kreativität zu finden. Das Musikbusiness ist kein Zuckerschlecken – darauf bezieht sich auch der Song «Backstage». Ich denke, das geht vielen Künstler*innen so. Ich werde vermutlich mein Leben lang Kunst machen. Was genau, wird sich aber noch zeigen.
28. September 2025