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«Ich bin eifach en geile Siech» – Michèle Krüsi im Interview

Michèle Krüsi kann sehr viel mehr, als nur schöne Bilder machen. Sie arbeitet bereits seit Jahren knallhart und beständig an ihrer One-Woman-Show – und das zahlt sich aus. Wir waren bei einer der erfolgreichsten Jungunternhemerinnen der Schweiz zu Besuch.

Von Leila Alder

In den Schoss gefallen ist ihr nichts. Durchhaltevermögen, gutes Timing, harte Arbeit und Disziplin haben Michèle Krüsi an den Punkt gebracht, an dem sie heute steht. Neben ihrem erfolgreichen Instagram-Business führt sie, nicht weniger erfolgreich, ihren eigenen Lingerie-Brand «Leonessa». Die Füsse hat sie trotzdem fest auf dem Boden behalten. Michèle weiss wer sie ist, was sie will und wie sie es bekommt. Wir haben die Selfmade-Unternehmerin in ihrem Zuhause in Luzern besucht und geplaudert.

Michèle, du bist eine der fleissigsten und effizientesten Personen, die ich kenne. Du managst von A bis Z fast alles alleine. Wirst du oft unterschätzt?

Ich habe oft das Gefühl, dass ich mich beweisen muss, nicht nur weil ich unterschätzt, sondern auch einfach falsch eingeschätzt werde. Zum einen liegt das bestimmt daran, dass ich eine Frau bin und zum anderen an der Berufsgattung, die ich gewählt habe, die leider immer noch nicht wirklich ernst genommen wird. Als ich noch als Grafikerin tätig war, hatte ich selten Momente, an denen an meinem Können oder meinen Fähigkeiten gezweifelt wurde. Seit ich aber richtig Business mache und regelmässig aus meiner Komfortzone raussteppe, werde ich immer wieder mit solchen Situationen konfrontiert. Vor einer Weile war ich beispielsweise in Portugal bei einem Produzenten für mein Lingerie-Label «Leonessa». Mein Freund begleitete mich. Der Produzent sprach konsequent nur meinen Freund an, bis wir ihm klar machen mussten: «She’s the boss». Und sobald es um Finanzen geht, will sowieso niemand mehr mit Frauen sprechen – vielleicht haben sie auch einfach Angst (lacht).

Wie viel hat denn dein Instagramauftritt als «The Fashion Fraction» mit Michèle Krüsi zu tun?

Ich versuche die beiden zu trennen. Ich würde The Fashion Fraction nicht direkt als eine Rolle bezeichnen, aber ich entscheide sehr bewusst, was ich zeige und was nicht. Für mich ist Instagram ein visuell kuratiertes Tagebuch, das sich auf Fashion und Schönes fokussiert, nicht auf mich und meine Gefühle. Mittlerweile wurde die Plattform ein bisschen zur Reality Show – das ist gar nicht meins.

Die meisten Content Creators bauen sich mit einer eigenen Marke ein zweites Standbein auf. Was war bei dir der Auslöser «Leonessa Lingerie» zu lancieren?

Durch die bereits vorhandene Reichweite hat man natürlich viel grössere Chancen, dass eine Marke Anklang findet und erfolgreich werden kann. Wenn man sich auf diese Sicherheit stützen kann, überwindet man sich wohl schneller, als wenn man bei Null starten muss. Bei mir waren aber mehrere Gründe dafür verantwortlich. Ich langweile mich extrem schnell. Seit 2010 bloggte ich und seit 2015 bin ich auf Instagram präsent, ich brauchte eine neue Herausforderung. Aufgrund meiner Lehre als Grafikerin bin ich designtechnisch nicht ganz unbegabt und wollte in diesem Bereich wieder etwas aktiver werden. Ursprünglich hatte ich die Idee Schuhe zu kreiern. Aber irgendwie schien es keine Marktlücke zu geben – bei junger, hübscher Unterwäsche sah das jedoch anders aus. Ich habe schon immer Wert auf schöne Unterwäsche gelegt, weil sie einem einfach so ein gutes Gefühl geben kann und für mich viel mit Selbstliebe zu tun hat. Da es kaum Schweizer Marken gibt, die Lingerie für ein jüngeres Zielpublikum anbieten, entschied ich mich «Leonessa» zu gründen.

Smart! Nun aber weg vom Business. Was macht dich aus?

Ich bin in einem kleinen Kaff in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und typisch schweizerisch erzogen worden. Ich war da der Paradiesvogel und tanzte irgendwie immer ein bisschen aus der Reihe. Denn Bescheidenheit lag mir nicht so – ich wusste, was ich will und was ich dafür tun muss. Ich hasste es, mich unterfordert zu fühlen und mein Potenzial nicht ausschöpfen zu können. Dazu kommt noch mein grosser Ehrgeiz. Etwas nicht zu schaffen oder Ausreden zu suchen, warum etwas nicht klappen sollte, gibt es bei mir nicht. Wenn Zweifel hochkommen, schiebe ich sie weg und fokussiere mich auf Lösungen statt Probleme.

Du scheinst extrem auf dich und das, was du machst fokussiert zu sein. Ist dir egal, was Menschen von dir halten?

Jein. Es ist mir egaler als auch schon, es war mir aber auch schon mehr egal. Mir ist es wichtig, was mein nächstes Umfeld von mir hält. Was fremde Personen, die mir nicht am Herzen liegen, von mir halten, ist mir nicht so wichtig – und das ist, ganz ehrlich, auch essentiell für meinen Job.

Wie schaffst du es soviel unter einen Hut zu kriegen?

To-do-Liste! Ich liebe total durchstrukturierte To-do-Listen. Anfangs Woche schreibe ich mir alles auf, was ich zu tun habe oder tun möchte – also auch Dinge, die nichts mit Business zu tun haben. Es hilft mir, wenn ich Dinge abhaken kann. Und es ist auch einfach ein geiles Gefühl, wenn man sieht, was man alles geschafft hat. Abgesehen von den Listen, liebe ich auch einfach, was ich mache – wenn man seinen Job nicht gerne macht, macht man irgendetwas falsch und kriegt auch nicht alles unter einen Hut.

Und wie läufts mit der Work-Life-Balance?

Manchmal top, manchmal ganz schlecht. Mit dem Balancieren der verschiedenen Jobs, ist es schon schwer, dass sie immer optimal ist. Ich teile aber meine Arbeitszeit sehr spontan ein. Das gibt mir mehr Spielraum und somit mehr Gelassenheit. Für mich stimmt das so ganz gut.

Warum hast du so Erfolg?

Ich bin eifach en geile Siech (lacht). Nein, Spass. Ich hatte zu Beginn ein gutes Timing bei Instagram. Damals war es viel einfacher erfolgreich zu wachsen. Zudem habe ich ein gutes Auge für Visuelles und war immer sehr fleissig. Sobald ich bemerkt habe, dass man mehr daraus machen kann, begann ich strategisch und diszipliniert zu arbeiten. Man muss sich immer weiterentwickeln und analysieren – stehenbleiben und sich auf seinen Lorbeeren ausruhen ist eine ganz schlechte Idee. Und mit «Leonessa» profitierte ich, wie bereits erwähnt, von meiner Bekanntheit auf Instagram. Damit es aber auch nachhaltig funktioniert, ist es wichtig immer dran zu bleiben: Eine Jahresplanung zu machen, konkrete Ziele zu setzen und Lösungen zu suchen, wie man diese Ziele erreichen kann – und den Plan B über Bord werfen.

Bist du stolz auf dich, Michèle?

Meistens schon. Ich habe aber auch Tage, an denen ich mich frage, was ich eigentlich genau mache. Tage, an denen ich das Gefühl habe, stehen zu bleiben. Wir leben in einer Vergleichsgesellschaft, gerade auf Instagram siehst du so viele Menschen, die irgendwie noch tausend andere Dinge mit links handlen – so scheint es zumindest. Aber wenn ich dann die Persepektive wechsle, bin ich doch ganz zufrieden mit mir.

Was machst du, wenn es dir wieder langweilig wird?

Entweder muss ich dann etwas aufgeben oder mir ein Team zu tun. Noch mehr wäre definitiv auch für mich und meine To-do-Liste too much. Ich denke aber, dass ich eher auf dem aufbauen möchte, was ich bereits habe. Und eine Family wär dann auch bald mal schön (zwinkert).

28. Januar 2022

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