Der Ursprung der Rollenbilder der Hure und der Heiligen liegt weit zurück und ist tief in der Struktur des Partiarchats verankert. Die primäre Bestimmung einer anständigen Frau ist demnach, die der Ehefrau und Mutter und beinhaltet eine Gehorsamspflicht gegenüber dem Mann. Im 19. Jahrhundert galt die zentrale Verknüpfung von Ehe, Liebe und Sexualität. Die Eheleute waren zum Geschlechtsverkehr verpflichtet, sollte sich eine Frau dagegen wehren, war dies ein Scheidungsgrund und dem Mann stand es frei sie zu vergewaltigen.
Parallel zu diesem Gesetz, liefen strenge Prozesse gegen die Prostitution. Anders als im Mittelalter, wo Prostituierte durchaus als Bürgerinnen am sozialen Leben teilnehmen konnten, wurden sie nun als Gefährdung der rein ehelichen Sexualität und als Verführerinnen, gegen die Mann angeblich chancenlos war, verfolgt, bestraft oder gar umgebracht. So führte es auch dazu, dass unverheiratete Frauen unter Generalverdacht standen. Die Heilige jedoch hatte nebst der sexuellen Verpflichtung auch die drei K-Aufgaben zu erfüllen: «Kinder, Küche, Kirche».
Heilige hatten nach der Vorstellung der Männer also keine sexuellen Bedürfnisse. Dennoch sperrte Mann seine (heilige) Frau ein, wenn sie ihre Tage hatte. Da sie sonst ja unbemerkt ihren, nicht vorhandenen(?) sexuellen Trieben hätte nachgehen können. Sinn machte diese Theorie also noch nie.
Obschon das Patriarchat langsam aber sicher wackelt, scheint das Hure und Heilige-Bild noch immer präsent zu sein. Ganz nach dem Motto: «Was sich bange laht, chamer nöd hürate». Heisst übersetzt: Als Frau darfst du keine sexuellen Bedürfnisse haben, sonst bist du eine Hure und wirst niemals geliebt werden können. Nicht selten hörte ich von Freunden, dass es ihnen schwer fällt mit der Frau Sex zu haben, für die sie Gefühle haben. «Man möchte seine Freundin einfach nicht wie eine Nutte behandeln», kriege ich als Antwort auf die Frage, wo denn das Problem liegt.
Jede Freundin und auch jede «Nutte» ist aber am Ende des Tages Mensch und Frau, die denselben Respekt vor ihrer Person verdient, egal wie ihr Sexleben aussieht und egal wie stark oder schwach ihr sexuelles Bedürfnis ausgeprägt ist.
Könnte es nun aber sein, dass das ganze Thema tatsächlich eher auf der Unsicherheit der Männer basiert, als auf dem sexuellen Verhalten einer Frau?
Was wenn Mann es bei der Auserwählten nicht bringt? Wenn er genau sie nicht befriediegen kann? Oder was, wenn beim Verschmelzen mit einer geliebten Person die Penetration vor lauter Emotionen in den Hintergrund gerät, und Mann von Gefühlen überflutet wird? Ganz gefährlich. Andere Theorien besagen, dass oft ein Mutterkomplex sowie Verlustängste eine grosse Rolle spielen bei der Partnerinnenwahl. In diesem Fall geht es dann in erster Linie um Sicherheit und Geborgenheit – wilder Sex bleibt also auf der Strecke.
Nun stellt sich die Frage, warum eine Frau die ihre Sexualität aktiv auslebt nicht eine genauso gute Heilige, also ein Mami, eine Ehefrau oder eine treue Partnerin sein kann. Warum soll das sexuelle Bedürfnis eine Frau, nicht aber einen Mann definieren? Warum sollen Frauen in zwei Gruppen aufgeteilt werden und sich zwischen zwei Rollen entscheiden müssen?
Es ist kein Geheimnis, dass sich Mann nicht wirklich mit der weiblichen Sexualität und allem drum herum beschäftigt – can we blame them? Ein Stück weit. Andernseits beschäftigt sich auch Frau selbst nach wie vor nicht so intensiv mit ihrer eigenen Sexualität, ihrem Geschlechtsteil und allem was damit geschieht, wie Mann es mit der seinen und dem seinen tut. Das Bild der Huren und der Heiligen scheint also nicht nur in den Köpfen der Männer sondern ebenso in dem einiger Frauen verankert zu sein.
Wenn du als Frau ein sexuelles Bedürfnis hast, Vorlieben hast oder dich selbstbefriedigst, musst du dich schuldig fühlen und bist versaut.
Das Problem sitzt also tiefer und ist präsenter als es auf den ersten Blick scheint. Doch wie können wir uns von einem langexistierenden und manipulativem Rollenbild wie das der Heiligen und der Huren verabschieden?
Der stetige Kampf gegen das Patriarchat und eine offene Kommunikation ist bestimmt ein Schritt in die richtige Richtung. Ebenfalls wichtig; das Wissen darum, dass Sexualität für viele Menschen, egal ob Mann oder Frau, Teil der Grundbedürfnisse, also vergleichbar mit Schlafen, Essen und Trinken ist.
14. Dezember 2020
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