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Hopp Švic – immer!

Die langersehnte EM 2020, die nun im 2021 stattfindet, hatte ihren Anpfiff Anfang Juni. Bisher war diese enorm ereignisreich. Die Schweizer Nati wurde in den nationalen Medien zum Hauptthema. Jetzt liegt die Annahme nah, dass Ihre Verteidigung oder Team-Dynamik kritisiert wurden. Leider falsch, denn mit Sport hatte die Kritik sichtlich wenig zu tun, viel mehr mit gebleichten Haaren und Autos. Wieso Politik im Sport jetzt besonders wichtig ist, und was so schief geht.

Von Sina Schmid

Die Freude ist gross, entgegen allen Erwartungen an die Schweizer Nati haben sie den Fussball Weltmeister Frankreich in die Knie gezwungen. Am 28.06.2021 gewinnt unsere Nationalmannschaft nach Verlängerung und Penalty schiessen und schreibt damit Geschichte. Stolz feiert das Schweizer Volk den Sieg. Bis spät in die Nacht hupt es in der ganzen Schweiz vor Euphorie. Für viele ist es schwierig sich von dieser Freude nicht mitreissen zu lassen, verständlicherweise. Für andere hat dieser Gewinn und besonders das Feiern einen bitteren Nebengeschmack.

Es geht hier auch nicht darum, einen Dämpfer auf die Freude über den Sieg zu setzen. Es geht lediglich darum aufzuklären, wie die Realität vieler Schweizer:innen aussieht.

Wenn wir uns die Artikel der letzten Wochen ansehen, kommt die Schweizer Nati nicht gut weg. Ob Trainer, Spieler oder ihre Angehörigen; sie werden in verschiedenen Medien zerrissen. Die Frisur von Granit Xhaka polarisiert. Xherdan Shaqiri, sein Name selten richtig ausgesprochen, hat anscheinend ein Auto, das den meisten nicht passt. Besonders die Diskussion über den Migrationshintergrund der Spieler ist omnipräsent. Wenn die Jungs nicht gewinnen, sind sie Schweizer mit Migrationshintergrund, Papierlischwizer, eigentlich Ausländer mit Spielrecht. Wenn sie dann aber gewinnen, gehören sie dazu. Dann ist das Schweizer Volk so richtig stolz. Das heisst, nur wenn man abliefert, hat man einen Wert.

Diese Devise erleben enorm viele Schweizer:innen deren Namen nicht «schwizerisch» genug klingen, deren Hautfarbe nicht weiss ist und deren Herz nicht nur für ein Land schlägt. Sie wissen, was es heisst, sich doppelt beweisen zu müssen, um nicht als kriminell, Taugenichts oder dumm abgestempelt zu werden. Was ist denn eigentlich ein/eine Schweizer:in? Wie sieht ein Mensch aus der Schweiz aus? Wer hat das Recht sich als Schweizer:in zu betiteln? Schweizer:innen mit Migrationshintergrund sind nicht weniger Schweizer:innen als Christoph Blocher. Viele haben es sich abverdienen müssen, diesen roten Pass zu haben.  

Es ist verständlich, dass es für gewisse Schweizer:innen ohne Migrationshintergrund schwierig nachzuvollziehen ist, dass diese Doppelmoral verletzend und beschämend ist. Wer das nicht erleben muss ist privilegiert, es geht jedoch nicht darum, dass diese Menschen dann dieselben Ungerechtigkeiten erleben sollen. Das Ziel ist auch nicht, diesen Schmerz durch die Diskrimination in Hass umzuwandeln, so bewegen wir uns im Kreis.

Es geht um mehr Aufmerksamkeit, mehr gegenseitigen Respekt und mehr Toleranz.

Viele Stimmen äussern sich auch, dass Politik im Sport nichts verloren hat. Aber Sport ist Politik. Laut Duden hat das Wort Politik zwei Bedeutungen. 1. auf die Durchsetzung bestimmter Ziele besonders im staatlichen Bereich und auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens gerichtetes Handeln von Regierungen, Parlamenten, Parteien, Organisationen oder Ähnliches. 2. taktierendes Verhalten, zielgerichtetes Vorgehen. Beides trifft auf Fussball zu.

Die UEFA ist eine Organisation, welche in Vergangenheit oft in Verruf geraten ist. Zu Recht. Rassismus, Homophobie und Xenophobie haben im Sport zwar nichts verloren, sind trotzdem omnipräsent. Es liegt aber nicht nur an Sportvereinen dagegen zu kämpfen, sondern an unserer gesamten Gesellschaft.

Genau deshalb sollten wir trotz der Freude achtsam bleiben, was wir für das Ganze in Kauf nehmen. Wie gesagt, es geht nicht darum, die Freude einzudämmen. So wie jetzt gefeiert und angegeben wird mit unserer Nati sollte es eigentlich immer sein, nicht nur wenn sie ihre Gegner vom Platz fegen, als hätten sie noch nie was anderes getan.

Schweizer:innen mit Migrationshintergrund sind auch ohne Überfliegergeschichten Teil unseres Landes und gehören dazu, komme was wolle.

Übrigens ein schönes Beispiel für eine gute Umsetzung dafür wäre Kroatien im Jahre 2018: Im Finale der Weltmeisterschaften verlor das kleine Land gegen Frankreich. Nach der Niederlage war die Enttäuschung verständlicherweise gross. Nach kurzer Trauer kippte es jedoch zu einer grossen Dankbarkeit und Freude. Trotz fehlendem Titel wurde die Mannschaft in Kroatien mit Stolz und Liebe empfangen. Dafür, dass sie so gekämpft und abgeliefert haben. Bei uns darf es gern auch so werden, dass wir einfach grundlos stolz sind und lieben, unsere Nati mit frechen Sprüchen, blonden Haaren und schnellen Autos.

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