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Heiss, heisser, Sommer 2022

Der diesjährige Sommer war besonders heiss: Hitzewellen hier, Waldbrände dort und neue Rekorde gefühlt überall. Jetzt werden die Tage wieder kürzer und die ersten Blätter tanzen im «red dress» von den Bäumen. Bevor wir nun in die ersten Laubhäufen springen, wollen wir dem Rekordsommer seine letzte Ehre erweisen. Stephan Bader von MeteoSchweiz erzählt uns in einem Gespräch mehr zum diesjährigen Hitzesommer.

Von Michelle Müller

Im Sommer 2022 gab es viele Gründe zum Feiern. Alle Festivalliebhaber:innen durften wieder von einem Festival ins nächste tanzen und die Urlaubspläne vom Sommer 2020 konnten endlich aus der Planungsphase im realen Leben umgesetzt werden. Doch nebst den wiedergewonnenen Freiheiten war dieser Sommer auch aus anderen Gründen besonders: Der Hitze!  

Der Sommer 2022 ist nämlich der heisseste, den Europäer:innen jemals* erlebt haben. Damit stösst er den letztjährigen Sommer vom Hitzerekord-Thron und erhält sogar eine eigene Seite auf Wikipedia. Neben der hohen Anzahl an Hitzetagen*** gehen die diesjährigen Sommermonate in Europa aufgrund der zahlreichen Waldbrände in Erinnerung. Den Waldbränden fielen in diesem Jahr mehr als drei Mal so viel Land zum Opfer, wie der Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2021. Das entspricht über 750’000 Hektar Land.

Auch hier in der Schweiz führte der Sommer zu vielen Rekorden. Zur Freude vieler Badegäste war es gebietsweise der sonnigste und gesamtschweizerisch der zweitwärmste** Sommer. Getoppt wird die diesjährige Hitze nur noch vom Jahrhundertsommer 2003, der erste Sommer nach meiner Geburt. Ich bin noch nicht einmal 20 Jahre alt und habe bereits mehrere der heissesten Sommer der Schweiz erlebt.

Vom Klimatologen Stephan Bader habe ich in einem Gespräch mehr dazu erfahren, was in diesem Jahr wirklich so besonders war und er hat einen Blick in die Zukunft geworfen. Stephan Bader arbeitet beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz. Dort beobachtet, dokumentiert und publiziert er in seiner täglichen Arbeit den monatlichen, saisonalen und jährlichen Gang des Klimas in der Schweiz. 

*Die genannten Rekorde in Europa beziehen sich auf die zeitliche Periode seit Messbeginn 1880 (laut Berichterstattung von Copernicus Klimawandeldienst).

** Die genannten Rekorde in der Schweiz beziehen sich auf die zeitliche Periode seit Messbeginn 1864. 

*** Hitzetage sind Tage, wo die Tageshöchsttemperatur 30°C erreicht oder übersteigt wird.

Sie arbeiten bereits seit über 30 Jahren als Klimatologe, was sind die grössten klimatischen Veränderungen, die Sie in dieser Zeit beobachten konnten (v.a in Bezug auf die Hitze)? 

Stephan Bader: Ich bin 1991 bei MeteoSchweiz in der Abteilung Klima als Teilprogrammleiter eines nationalen Klima-Forschungsprogramms eingetreten, gerade zu der Zeit, als sich die Temperatur in der Schweiz sprungartig nach oben zu bewegen begann. Ein zweiter ähnlicher Temperatursprung setzte vor rund zehn Jahren ein. Mit der massiven Temperaturzunahme ging in der Schweiz eine deutliche Zunahme von Hitzewellen einher. Die Häufung von Hitzewellen ist neben der massiven Temperaturzunahme wohl eines der klarsten Signale der laufenden Klimaänderung in der Schweiz. 

Dieser Sommer gilt als der zweitwärmste der Schweiz **. War dies im Vorhinein zu erwarten? 

Nein, derartige extreme Ereignisse lassen sich nicht Monate im Voraus prognostizieren. Warme und sehr warme Sommer sind in den letzten Jahrzehnten zwar immer häufiger geworden und gehören heute fast zum Standard. Eine extreme Situation ist aber auch immer von der momentanen regionalen Wetter-Konstellation abhängig. Ein gutes Beispiel hierfür war der Jahrhundertsommer 2003 in der Schweiz und in Zentraleuropa. Zur gleichen Zeit erlebte Osteuropa einen kühlen und ausgesprochen nassen Sommer. Wäre die damalige Wetterkonstellation nur um wenige 100km verschoben gewesen, hätte der Sommer 2003 in beiden Gebieten anders ausgesehen.

Welche Ereignisse oder Rekorde haben Sie in diesem Sommer (in der Schweiz) besonders überrascht? 

Sehr eigentümlich war die anhaltende hartnäckige Regenarmut in der Westschweiz. Die östliche Landeshälfte hat immer wieder von kräftigen Gewitterregen profitiert, während die Gewittertätigkeit in der Westschweiz stark reduziert war und nur wenig Regen brachte. Gleichzeitig war es in der Westschweiz, wie gewohnt in solchen Situationen, heisser als in der Ostschweiz. Die Regenarmut führte zusammen mit der hitzebedingten hohen Verdunstung zu einer massiven Trockenheit.

Gibt es langfristige Auswirkungen auf unser Klima (etc.), die dieser Sommer mit sich gebracht hat? 

Die Karten werden immer wieder neu gemischt. Denken Sie an den verregneten Sommer vor einem Jahr. Trotz immer häufigeren Hitzewellen gehören auch kühlere und nasse Sommer zu unserem Klimaregime. Ein Hitzesommer bedeutet also nicht, dass die kommenden Sommer alle ähnlich aussehen müssen. Wie aber bereits angesprochen, wurden sehr warme Sommer in den letzten Jahrzehnten immer häufiger. Mit der weiter fortschreitenden Klimaerwärmung ist also zu erwarten, dass anhaltende Hitze zu einem prägenden Sommerelement wird.

Der diesjährige Sommer war europaweit sogar der heisseste Sommer seit Messbeginn, wie denken Sie über die Zukunft, was müssen wir erwarten?

Hitzewellen sowie heisse Tage und Nächte werden häufiger und extremer. Die ans Mittelmeer angrenzenden Grossregionen Europas, und damit auch die Schweiz, sind weltweit von einer der stärksten Zunahmen von Hitzeextremen betroffen. Dieser Trend lässt sich bereits in den vergangenen Jahrzehnten beobachten und wird sich mit der fortschreitenden Klimaerwärmung auch in Zukunft fortsetzen. Mit jedem zusätzlichen Grad Celsius der mittleren Erwärmung in der Schweiz verdoppelt sich ungefähr die Anzahl der sehr heissen Tage. Damit werden auch Hitzewellen in den kommenden Jahrzehnten deutlich häufiger auftreten.

In diesem Sommer war auch die Rede von mehr Menschen, die gestorben sind aufgrund der Hitze. Haben die hohen Temperaturen tatsächlich zu einem Anstieg der Sterblichkeitsrate geführt? 

Im Jahrhundertsommer 2003 und auch im Hitzesommer 2015 war die erhöhte Sterblichkeitsrate in Europa ein grosses Thema. Ob das Bundesamt für Gesundheit BAG bereits Analysen zum aktuellen heissen Sommer hat, ist mir nicht bekannt.

Hitze ist ein anerkanntes gesundheitliches Problem. In stark überbauten Gebieten liegen die Temperaturen insbesondere nachts noch einige Grad Celsius höher als im Umland. Der grosse Teil der Bevölkerung in den Ballungsräumen ist daher noch stärker von der zunehmenden Hitze betroffen. Für besonders hitzeempfindliche Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel ältere Personen und kleine Kinder, wird sich die Hitzeproblematik im Sommer weiter zuspitzen.

Was möchten Sie unseren Leser:innen gerne noch mitgeben, bevor sie sich komplett in den Herbst stürzen? 

Ich habe keine Mission. Das Wetter und das Klima nehmen ihren Lauf. Seit rund 30 Jahren wird die Klimaproblematik verbreitet kommuniziert. Das Thema Umwelt und Klima gehört bei uns schon längere Zeit auch zum Schulstoff. Nutzen wir also unser grosses Wissen, um unserer Erde Sorge zu tragen.

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