Es braucht immer zwei. Genau wie es immer zwei Seiten einer Wahrheit gibt. Uns wird von klein auf eingetrichtert, dass es richtig und falsch gibt. Gut und Böse. Wahr und unwahr. Erst später, oft zu spät, lernen wir, dass es eben nicht so «ganz oder garnöd» ist im Leben.
Ich bin eine gute Person. Das weiss ich, weil meine Intentionen nie böse sind. Aber trotzdem bin ich manchmal ein Fiesling und die Böse. Das war lange schwierig für mich zu akzeptieren, dass gute Menschen auch schlecht sein können.
Diese Epiphanie musste ich vor kurzem nach meiner ersten und bisher letzten Beziehung feststellen. Auch wenn ich teils aus Egoismus handelte, drehte ich gewisse Taten so, als wären sie legitimiert. Auch meine Freundinnen bestärkten mich oft, so wie es Freundinnen halt meistens tun. Nur manche konnten mir die Stirn bieten und sagen: «Hm, Sina, ich liebe dich, aber da warst du einfach ein Arsch zu ihm.»
Trotzdem sah ich mich nach der Trennung, die ich wollte, lange als das Opfer seiner Taten. Klar, auch er war nicht immer ein Engel, aber meistens schon. Ich war einfach nicht ready für alles was er bereit war, mir zu geben. Es hat auch lange gedauert der Wahrheit ins Auge blicken zu können: ich bin schuld und es waren meine Fehler die zu einem riesigen Schlamassel geführt haben.
Ich weiss heute zum Glück, wie ich damit umzugehen habe. Aber auch das musste ich auf dieser Irrfahrt namens Leben lernen. Denn gute Menschen machen schlechte Dinge.
Zudem ist es übrigens okay, zu seinen Fehlern zu stehen. Ich würde sie jetzt (hoffentlich) nicht nochmal machen. Und ich kann jetzt besser akzeptieren, was ich alles falsch gemacht habe, und die Verantwortung dafür tragen. Nicht, dass ich nicht weiterhin verletzt sein darf. Für Taten muss man sich entschuldigen, nicht für Gefühle.
Bei meinen «bösen» Taten habe ich übrigens trotzdem mit vermeintlich guten Intentionen gehandelt, weil ich sie mir auch so zurechtgelegt habe. Aber die Wahrheit ist: ich hatte Angst und konnte nicht über meine Gefühle sprechen. Gezahlt habe ich zwar jetzt genug, aber genauso musste ein Mensch darunter leiden, der mir sehr am Herzen liegt. In seinen Augen bin ich (zurecht) der Bösewicht, auch weil er meine Seite nicht verstehen konnte, weil ich sie nie kommuniziert habe.
Ein Spruch der mir seit der ganzen Sache oft durch den Kopf geht ist: «the heartbreaker can be heartbroken too.» Ich habe dank meinen selbstdestruktiven Taten nicht nur sein, sondern auch mein Herz gebrochen. Das geht auf meine Kappe. Wie schliesst man mit einem Herzschmerz ab, den man selbst herbeigeführt hat?
Es ist immer einfach auf andere wütend zu sein. Keine Verantwortung heisst keine Schuld, heisst Opfer, heisst weniger denken müssen, heisst alle Liebeslieder sind auf deiner Seite, heisst du darfst traurig und wütend sein, weil es gesellschaftlich eben nur so Sinn macht. Aber so einfach ist es eben doch nicht.
Nochmal: Es ist okay Fehler zu machen und zu ihnen zu stehen. Es ist okay genug selbstreflektiert zu sein um auch mal zu merken, dass man wirklich keine zweite Chance verdient, auch wenn man sie gerne gehabt hätte.
Und genau so, wie wir unseren Mitmenschen (meistens) verzeihen und weitermachen, ist es auch, wenn wir selbst für unseren Schmerz verantwortlich sind. Es heisst nicht, dass wir einfach vergessen dürfen, was passiert ist, oder es verdrängen, es heisst lediglich, dass wir es realisieren, akzeptieren, eingestehen und verarbeiten müssen. Der letzte Schritt ist dann die Verzeihung.