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Geht so LSD?

Der Stoff Lysergsäurediethylamid – kurz LSD oder umgangssprachlich gerne Acid genannt – ist eines der stärksten bekannten Halluzinogene. Ich habe mich gefragt, wie er tatsächlich wirkt. Eine Annäherung an andere Welten.

Von Lothar J. Lechner Bazzanella

Wer sein Hirn und seinen Geist auf eine psychodelische Achterbahn schickt, der tut gut daran, sein Setting – das Umfeld, in welchem sich die halluzinogenen Teilchen zu Traumbildern und grandiosen, serotoningeschwängerten Gefühlen emporschwingen – sorgfältig zu planen.

Mir schwebt da ein warmer Platz in der Natur vor. Vielleicht ein Strand im italienischen Süden, nichts Aufregendes, am besten fernab der Hochsaison, damit keine lauten Touri-Brigaden in schwitzigen Adiletten und mit noch schwitzigerem Bierbauch den Ausflug in die kurzfristige Erleuchtung verderben. Kein nerviges Geschrei, kein Meckern an der Strandbar darf da ertönen. Sie würden den so zarten, fliegenden Teppich, auf dem der Geist in fremde, eigene Welten fliegt, zu schwer belasten und mit Karacho und von der Chipstüte fettigen Fingern nach unten reissen.

Ein paar Menschen sollten da aber schon sein, man weiss ja nie. Aber dann doch bitte ruhige, weisere Seelen. Wie wäre es mit einer Gruppe Rentner:innen, vereint vor ihren wenigen Wohnmobilen und im Geiste? Alte 68er, kurze Rast suchend auf ihrem Weg in noch wärmere Gefilde. Nach Apulien, Sizilien, vielleicht mit der Fähre sogar nach Griechenland sind sie unterwegs. Im Decathlon-Universal-Outfit sitzen sie – umringt von mächtigsten, federweichen Campingstühlen – vor ihren Gefährt:innen, spielen Scrabble und teilen sich eine Dose Bier und Mozzarella mit Tomate und Basilikum. Flüstern: «Magst noch von der Caprese, Schatz?»

Für einen solchen Trip braucht es dann eigentlich nicht viel mehr. Genug kühles Wasser – das ist wichtig. Ein Badetuch auf warmem Sand und ein paar Snacks, falls einen der Heisshunger übermannt. Dann kann man getrost den Blick über die ewigen Wellen richten, dabei die Augen schliessen, spüren, wie das Wasser auf das Land trifft, den Wind auf der Haut. Den Gesprächen der wenigen, einheimischen Badegäst:innen lauschen, die wild fuchtelnd über Fussball reden. Ein Vater, der seinem Sohn vor einem grandiosen Sonnenuntergang geduldig das Angeln beibringt. 

«Bobs Rücken fühlte sich an wie etwas Bitteres mit Zucker. Sein Stöhnen war Purpur auf Gold. Sie ritt auf einer rubinroten Welle, bis die chromgelbe Schaumkrone sie verschlang und in die Strudel der schwarzen Brandung sog», heisst es bei Martin Suters «Der Teufel von Mailand». Die Hauptperson wird nach einem Acid-Trip zur Synästhetikerin. Kann Farben schmecken, Geschmäcker werden zu Formen: Neue Wirklichkeiten tun sich auf. Am Rand des Regenbogens sieht sie sogar «die Farbe, die es nicht gibt.» Beraten wurde Suter beim Schreiben von Dr. h.c. mult. Albert Hofmann, dem Entdecker des LSDs. Der Stoff, sagte Hofmann, mache für «andere Dimensionen der Wirklichkeit empfänglicher.» 

Und wenn es dann dunkel und umso ruhiger wird am Meere, am Rand der anderen Wirklichkeit, geht mein Blick über Pappeln und Weiden hinweg, hoch in die Sterne. Der Campingplatz ist nur leicht erhellt vom flackernden Neonlicht drüben bei den Duschen (auch die kann man – wer mutig ist – sich im Rausche gönnen) und dem Strahlen, das aus den einzelnen Wohnmobilen leuchtet. Ansonsten ist da nichts. Nur das Rauschen des Wassers, eine Welle nach der anderen und das stimmige Innehalten der Welt. «It isn’t by getting out of the world that we become enlightened, but by getting into the world … by getting so tuned in that we can ride the waves of our existence and never get tossed because we become the waves,» schreibt Ken Kesey. Ein schöner Satz. Eine schöne Erinnerung.

18. Juni 2024

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