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Gegen das Vergessen

Der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist zwei Jahre her. An der Friedensdemo in Zürich erinnerten die Menschen daran, dass der Krieg noch immer nicht vorbei ist. Ganz im Gegenteil.

Von akutmag

Text von Cindy Ziegler

Seit zwei Jahren herrscht Krieg. Seit zwei Jahren tägliche Schreckensmeldungen aus der Heimat. Seit zwei Jahren Ausnahmezustand. Der Ukrainer Iurii lebt schon fast zehn Jahren in der Schweiz. Seit dem Krieg in der Ukraine aber ist er hin und her gerissen zwischen hier und dort. Am Freitag bevor sich der Beginn des russischen Angriffskriegs zum zweiten Mal jährt, marschiert Iurii mit vielen anderen durch Zürich. Es ist ein Friedensmarsch, der gegen das Vergessen helfen soll. Denn die Ukrainer:innen kämpfen noch immer. Für ihr Land, ihr Zuhause, ihre Freiheit. 

Auf dem Helvetiaplatz dominieren an jenem Freitagabend das Gelb und Blau der ukrainischen Flagge. Aus grossen und kleinen Boxen schallen Volkslieder aus der fernen Heimat. Es wird sich umarmt, sich beigestanden. Viele der anwesenden Ukrainer:innen kennen sich. Sie sind Leidensgenoss:innen eines Krieges, den niemand von ihnen wollte. Und gegen den sie sich wehren. Kurz nach sechs Uhr abends setzt sich die Menge in Bewegung. Aus Megafonen klingen Sprechgesänge. «Stand with Ukraine. Act for Ukraine. Punish Russia.» Vor uns geht eine Mutter mit ihren Kindern. Sie halten stolz kleine Fähnchen in die Höhe. Auf ihren roten Wangen ist die Flagge ebenfalls aufgezeichnet. Es ist ein friedlicher Gang durch die Stadt. Ein Gang für den Frieden in der Heimat.

Stand with Ukraine. Act for Ukraine. Punish Russia.

Verschiedene der Redner:innen, die am Bürkliplatz ans Mikrofon treten, erinnern daran, dass die Vergehen gegen die Demokratie, die Freiheit und die Menschenrechte nicht vergessen werden dürfen. «Stand with Ukraine. Act for Ukraine. Punish Russia.» Auch hier. All das tut die Schweiz zu Beginn des Krieges. Viele Schweizer:innen öffneten ihre Häuser und nahmen Menschen aus der Ukraine bei sich auf. Sie spendeten, unterstützten. Für die Ukrainer:innen wurde der Schutzstatus S einberufen. Heute, rund zwei Jahre später, leben noch gut 65’000 Personen mit jenem Schutzstatus in der Schweiz. Die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder. Und auch wenn es daran immer wieder Kritik gab, hat der Bundesrat den Schutzstatus verlängert. Und er will, dass bis Ende 2024 40% der erwerbsfähigen Personen mit Status S (heute sind es rund 22%) eine Arbeitsstelle in der Schweiz haben. Dies soll auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken. 

In der Ukraine sieht die Situation dramatisch anders aus. An der Front fehlen Rekruten, im Land fehlt es an allem anderen. Viele Ukrainer:innen sind müde. Aber sie können und wollen nicht aufgeben. So auch Yevheniia Zelenska, eine der Mitorganisator:innen der Solidaritätsaktion in Zürich. Sie steht im gelben Licht des in den ukrainischen Nationalfarben getauchten Pavillon auf dem Bürkliplatz. Eigentlich wollte sie nie Aktivistin sein. Und sie wollte auch diese Kundgebung nicht organisieren. «Aber wie könnte ich anders. Ich muss meiner Familie beistehen, die in der Ukraine geblieben ist. Meine Freunde unterstützen, die an der Front sterben.» Ob sie noch Hoffnung hat? Sie ist sich nicht sicher. Aber sie weiss, dass sie daran glauben muss, dass dieser Krieg irgendwann enden wird. Und dass eine freie Ukraine als Siegerin daraus hervorgeht. «Vor einem Jahr sagten meine Freund:innen und ich, dass wir eine Party schmeissen werden, wenn der Krieg vorbei ist. Was ich jetzt tun würde? Ich würde nach Hause zurückkehren und mithelfen, mein Land wieder aufzubauen», sagt sie. Dann verabschiedet sie sich und stellt sich für ein Foto vor der grossen Ukrainefahne auf. Das Fotolächeln erreicht ihre Augen nicht.

Iurii sieht ihr zu und nickt resigniert (ein ausführliches Porträt über Iurii lest ihr hier). Er versteht sie. Yevheniias Gefühle und die Müdigkeit des Krieges. Noch vor einem Jahr war er permanent informiert, erhielt Push-Nachricht um Push-Nachricht. Heute hat er seinen Medienkonsum drastisch reduziert. Er habe es nicht mehr ausgehalten, sagt er. Und trotzdem. «Es ist so wichtig, dass wir darüber sprechen, was in der Ukraine passiert. Dass die Schlagzeilen auch in der Schweiz nicht zur Normalität werden.» Die Gefahr, dass das geschieht, ist gross. Am Montag werden die ukrainischen Flaggen in der Stadt abgehangen. Eine längere Beflaggung sei nicht vorgesehen, so die Begründung.

Forderungen des überparteilichen Bündnisses 

Anlässlich der Solidaritätsbekundungen, die rund um den 24. Februar in verschiedenen Städten der Schweiz stattfanden, verlangt ein überparteiliches Bündnis eine anhaltende Unterstützung der Ukraine und ruft zum aktiven Handeln auf, um den dauerhaften Frieden sicherzustellen. Die Anliegen sind insbesondere:

  • Unterstützung der Ukraine, um die humanitäre Situation während des Krieges menschenwürdig zu halten.
  • Unterstützung der Ukraine bei der Durchführung von Reformen sowie beim Wiederaufbau.
  • Aktiver Beitrag der Schweiz zur Friedensformel der Ukraine, unter anderem durch Mitwirkung bei der Errichtung eines Sondertribunals zur Untersuchung der begangenen Kriegsverbrechen sowie bei der Rückkehr deportierter ukrainischer Kinder, ziviler Geiseln und Kriegsgefangener.
  • Russische Kriegsfinanzierung über die Schweiz mittels Umsetzung der Sanktionen und weiterer Massnahmen konsequent stoppen.
  • Historisch belegte russische Kriegsverbrechen gegen die Ukraine mittels Anerkennung des Holodomor klar verurteilen.

25. Februar 2024

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