Missstände sollten nicht nur aufgezeigt, sondern auch beseitigt werden. Wie das geht, zeigt die junge Journalistin Simona Boscardin mit ihrer Bachelorarbeit: Mit «On Fire» hat sie ein Satireformat ins Leben gerufen, das von einer Frau moderiert wird, und bei dem ein Grossteil des Produktions- und Redaktionsteam weiblich besetzt ist. Wir wollten mehr über die Thematik und die Idee hinter dem neuen Format erfahren.
Warum sind die Schweizer Comedyformate noch immer so männlich geprägt?
Simona: Ich habe das Gefühl, das SRF hat ein krasses Comedymonopol darauf, welche Personen man in der breiten Schweizer Bevölkerung kennt. Vielleicht sitzen im Hintergrund Frauen, aber die Gesichter vor dem Kamera sind fast ausschliesslich Männer. Woran das genau liegt, weiss ich nicht. Kriegen sie keine Bewerbungen? Ist das Bewusstsein nicht vorhanden? Die grossen Player müssen proaktiv werden; gezielt nach Frauen suchen. Es gibt schliesslich genügend talentierte Frauen, die man anfragen könnte. Bis dato ist sich das Publikum nicht an Frauen in Comedy- oder Satireformaten gewöhnt, das muss dringend geändert werden.
Muss Comedy geschlechtsspezifisch sein, damit sie ankommt?
Meiner Meinung nach nicht. Humor entsteht dann, wenn wir uns in Situationen hineinversetzen können. Da kann Geschlechtsspezifisches zwar helfen, es gibt aber auch sehr viele Vergleiche oder Szenarien, mit denen sich alle identifizieren können. Gleichzeitig müssen nicht immer alle deine Witze verstehen oder sie lustig finden. Ich wollte bewusst keine geschlechtsspezifische Comedy machen, damit es nachher nicht heisst: «Oh, wieder eine Frau die feministische Witze reisst». Spannend ist aber, dass der Frauenanteil der Zuschauer:innen von «On Fire» trotzdem sehr hoch ist. Und zwar, weil da jemand sitzt, mit der sie sich identifizieren können. Frauen möchten einer Frau zuhören.
Erzähl mir etwas mehr über den Inhalt von «on fire».
Ich habe versucht ein Format zu kreieren, um junge Leute auf eine nicht trockene Art abzuholen und sie über politische und gesellschaftliche Themen zu informieren. Viele junge Menschen informieren sich zu wenig über gesellschaftlich relevante Themen, was gefährlich werden kann. Da wollte ich Hilfe bieten. Das Ziel des Formats ist es, ein System aufzuzeigen, den Stein ins Rollen zu bringen und den Menschen Infos zu liefern, die für Gesprächsstoff sorgen. Dazu kam, dass ich zeigen wollte, dass Frauen auch Satire können – gleich gut, wenn nicht sogar besser.
Fernsehsatireshows fokussieren selten auf die jungen Zielgruppe. Mir fehlen bei vielen Comedyformaten, dass sie nicht inkludierend sind. Man muss die Witze verstehen und die Hintergrundinformationen bereits innehaben. Ich habe versucht die Jokes so zu gestalten, dass man sie versteht auch wenn man nicht topinformiert ist. Da spielt auch die Wortwahl eine grosse Rolle. Gewisse Fremdwörter habe ich gestrichen und versucht mich in einfacher Sprache auszudrücken. Humor baut Brücken, dass du Informationen verstehen und aufnehmen kannst. «On Fire» soll auch als Bildungsprodukt funktionieren.
Was ist für dich das Besondere an Satire?
Die Gesellschaftskritik. Da kommt die Journalistin in mir hervor! Ich kann Satire so nutzen, dass ich etwas kritisieren und gleichzeitig relevante Informationen vermitteln kann. Satire ist nicht nur humorvoll, sondern auch verdammt smart. Zudem darfst du bei Satire niemals nach unten kicken, nur nach oben – das sollte eigentlich in der ganzen Comedyszene so sein. Du musst dir gut überlegen, gegen wen oder was du schiesst und das gut begründen können.
Was muss passieren, damit mehr Frauen Comedy machen?
Comedy hat viel mit Extrovertiertheit zu tun und ist laut. Das braucht Mut. Du musst damit umgehen können, dass dich nicht alle mögen werden, weil die Vorstellung davon, was lustig ist so unterschiedlich ist. Zudem ist das Publikum einfach daran gewöhnt, dass da ein Mann sitzt und Witze reisst. Als Frau hast du es also definitiv schwieriger in dieser Szene. Aber je mehr Frauen sich trauen, desto mehr kann ein Umdenken stattfinden. Es braucht Präsenz. Die kann durch eine aktive Suche nach Frauen erreicht werden. Zudem müssen Räume geschaffen werden, die nicht männlich dominiert sind – Safespaces für Austausch. Und dann muss man die Frauen einfach machen lassen, sie nicht nur als Sidekick nutzen. Gebt irgendeiner Frau eine geile Show – lasst sie den Laden schmeissen! Das geht an alle grossen Players in der Medienbranche.
Mehr zu «On Fire» gibt’s hier.
10. Juni 2023