Ruby Okoro ist ein Autodidakt, der seine Liebe zu leuchtenden Farben und grossartigen Kompositionen zunächst in der Malerei entdeckte. Seine Werke zeigen ausgeklügelte Arrangements wie einsame Figuren vor einem riesigen sonnenbeschienenen Himmel, tiefschwarze Ölmeere oder auch Landschaften mit übernatürlich anmutenden Texturen. Elemente aus der Welt von Science-Fiction treffen hier auf sinnliche Spiritualität.
Der Künstler ist fasziniert von den Menschen, die er in den Strassen von Lagos sieht und transferiert diese Protagonist:innen in hyperreale Szenografien. Ebenso geprägt von Kindheitserinnerungen in Rom, kombiniert Okoro einen feinfühligen Blick für das vermeintlich Gewöhnliche mit ikonischen Bildern von spannenden Persönlichkeiten. Teils zugänglich und teils aber dermassen verfremdet, dass eine Nahbarkeit schwerfällt. Um die mythischen Bildwelten des Künstlers besser verstehen zu können, haben wir uns mit ihm über künstlerische Visionen, Kollaborationsprozesse und die nicht greifbare Zukunft ausgetauscht.
Ruby Okoro, du hast gerade eine neue stimmige Fotoserie für den nigerianischen Afrobeat-Sänger und Songschreiber Boy Spyce veröffentlicht. Woher kam die Idee für dieses gelungene Shooting?
Ruby Okoro: Vielen Dank! Mir wurde eine Idee von ihm vorgelegt, aber wie immer musste ich meine eigene persönliche Note miteinbringen, mit vielen Drehs und Wendungen.
Eine eigene künstlerische Vision für ein Projekt zu haben, ist die eine Sache, aber sie in der realen Welt umzusetzen, ist meist etwas ganz anderes. Wie gehst du normalerweise an kreative Ideen heran, wenn sie dir zum ersten Mal in den Sinn kommen?
Ich neige dazu, das Endergebnis schon vor der eigentlichen Ausführung zu sehen oder zumindest zu 80 Prozent eine Idee zu haben. Aus diesem Grund sind das Brainstorming, die Recherche und das Skizzieren, sobald eine spezifische Idee auftaucht, sehr wichtig für meinen Prozess.
All das hilft mir, die Punkte miteinander zu verbinden, und während ich auf dem Set herumspiele, lasse ich mich von dem Moment und dem Thema inspirieren – all dies spielt am Tag des Shootings eine Rolle.
Neben deiner persönlichen Arbeit nutzt du auch oft die Zusammenarbeit mit verschiedenen Musiker:innen und Kreativschaffenden als bereicherndes Werkzeug. Wo liegt in deinen Augen die Kraft der Kollaboration?
Wahrnehmung, Liebe und Einheit zwischen beiden Welten. Ein grösseres Verständnis zu haben, das über beide Parteien hinausgeht.
In deinen Arbeiten finden sich oft leuchtende Farben und grossartige Kompositionen – würdest du sagen, dass auch die Malerei deine Arbeit beeinflusst hat?
Ja, aber ich habe das Skizzieren immer dem Malen vorgezogen, vielleicht weil der Prozess nicht so anstrengend war. Komposition ist alles für mich, denn visuell muss es ein Gleichgewicht der Proportionen geben. Das ist eine Konstante, sie zu finden, ist die Aufgabe. Die Farben entstehen aus dem Bedürfnis heraus, dem Werk Leben einzuhauchen. Generell hat die bildende Kunst einen grossen Einfluss auf meine Arbeit.
In vielen deiner Fotografien scheinen Realität und Fiktion auf hyperrealistische Weise zu verschmelzen. Was interessiert dich an diesen verschiedenen Realitätsebenen und ihrem Aufeinandertreffen?
Im Grunde genommen wird die Realität gesehen und erlebt, aber die Fiktion in all dem steht für Bewusstsein und Ausdruck, für diese Energie, die wir nicht zu verstehen scheinen, aber wir erleben sie trotzdem. Ich würde sagen, meine Fotografie ist ein Kanal für beide Welten.
Worauf freust du dich dieses Jahr?
Globale und mehr bewusste Projekte.
19. Februar 2023