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Es war März und; 

Ich spazierte mit einem Freund auf der Zürcher Langstrasse bei 15 Grad und strahlendem Sonnenschein. Der Frühling hat begonnen.

Von Lino Kalt

Dieser äussert sich an der Langstrasse nicht durch die blühende Pracht der, auf allen Instagram-Stories vertretenen, weiss-pinken Kirschblüten. Wir beobachten.

Die Mülltonnen hinter den unzähligen Schnellimbissen beginnen langsam aber sicher wieder nach verwesenden Haustierkadavern zu stinken. Die meterlangen Klubschlangen existieren nun auch noch in der Morgenfrühe und auf der Piazza Cella verkehren wieder Menschen mit ausserkantonalen Wohnsitzen. Erkennt man an unterschiedlichen Dialekten.

Was die wohl an der Langstrasse suchen? Leben? Liebe? Ablenkung, von den langen Alleen, an denen die Einfamilienhäuser standardisiert und die SUV’s auf den Einfahrten davor unzählig sind?

Die Raben suchen nicht mehr, sie feiern gemeinsam die grosse, alljährliche, saisonal bedingte Buffet-Eröffnung. Runtergefallene Essensreste auf den geöffneten Terrassen häufen sich. Nur hoffen, dass man noch nicht mit den gefrässigen Ghettotauben konkurrieren muss.

Nebst den Terrassen hat, dank der länger anhaltenden Helligkeit, auch der Balkontourismus frischen Aufwind bekommen. In der Startschusseuphorie des Frühlings stellen leicht bekleidete Student:innen Liegestühle auf und räkeln sich auf wenigen Quadratmetern bei Apéro (Rosé und Oliven?) in der Abendsonne. Die Rechnungen lassen sich schliesslich auch Morgen noch bezahlen, die Sommerbräune hingegen, kann auf keinen Fall auf sich warten lassen.

Der Frühling soll ja doch noch ein Weilchen anhalten. Sagt man sich so.

Selbst die Polizei scheint bei scheinender Sonne entspannter drauf zu sein: Dem jungen Mann vor uns, der sein leicht lädiertes Mountainbike in gemächlichem Tempo auf dem Gehsteig fährt, verpassen sie heute keinen Strafzettel. An seinem Lenker baumelt ein Plastiksack, prall gefüllt mit Dosenbier. Er hält dem Gewicht nur knapp stand. Hopfentee am seidenen Faden, so.

Analog zu allen depressionsanfälligen Menschen. Den Winter habt ihr überstanden! Der heutige Tag soll euch gewidmet sein. Geht raus, feiert!

Auch in meinem Leben äussert sich die Frische, eine neue Fruchtbarkeit. Tatendrang; es hagelt Jobanfragen. Mein Januarloch wird amortisiert. Mit etwas Glück lässt sich sogar auf den Sommer hin sparen.

Zudem wird in der kleinen, schlecht isolierten Wohnung an der Hohlstrasse nicht mehr gefroren. Die Sonnenstrahlen erhitzen sie durch die Fenster, die nun dringend geputzt werden sollten, ganz von allein.

Weniger erfreut nehmen wir die Zunahme an E-Scooter zur Kenntnis. Doch was solls. Fahrt doch weiter zu den Kirschblüten am Idaplatz. Oder zu dem kalten Cüpli im Grand Café. Ohne weitere Gedanken (…) schreibe ich bei Pastis, Zigarette, Kindergeschrei und Vogelgezwitscher, meine Frühlingsimpressionen auf.

30. März 2023

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