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Erst denken, dann reden

Gewisse Menschen überlegen einfach nicht, bevor sie etwas sagen. Auch wenn sie es nicht böse meinen; das Gesagte ist absolut daneben. Besonders wenn es um Liebeleien geht, ist das Nachdenken vor dem Aussprechen von hoher Relevanz. Wieso werden Frauen aber öfter mit Unbedachtheit konfrontiert, und was können Männer dagegen tun?

Von Sina Schmid

Wer mir auf Instagram folgt (kleine Selbstpromo an dieser Stelle @sinaschmidic) weiss, dass ich oft Umfragen mache. Die Themen variieren, handeln aber meistens von etwas Soziologischem. Jedenfalls habe ich vor Kurzem eine Umfrage mit der Frage gepostet, was das Abgefuckteste war, dass meinen Followern je gesagt oder geschrieben wurde. Ich selbst habe dann mein Fallbeispiel hinzugefügt: «Du kannst froh sein, dass ich es nicht ausgenutzt habe, als du so betrunken warst.» 

Dieser Satz stammt von einem Typen der gewiss kein schlechter Junge ist. Eigentlich ist er recht cool, gut erzogen, hilfsbereit, respektvoll in anderen Hinsichten – habe ich zumindest gedacht. Meine Meinung zu ihm hat sich trotz der Aussage nicht komplett geändert – nennen wir es Stockholm-Syndrom. Nein, «Spass» beiseite, ich denke wirklich nicht, dass er eine Frau ausnützen würde, die Aussage ist trotzdem einfach total daneben.

Soll ich mich jetzt bedanken, weil du mich nicht belästigt hast? Weil du einfach basic human decency vorgewiesen hast? Dazu aber später mehr, ich habe nämlich gemerkt, dass meine Messlatte für das Verhalten von Männern zurzeit noch viel zu tief ist. 

Auf die Instagram-Umfrage haben sich 29 Menschen gemeldet. Sie haben mit mir ihre Erfahrungen und Erlebnisse geteilt.

Bei den Antworten ist mir so einiges aufgefallen: 

  1. Viele Männer finden das abgefuckt, was sie selbst abfuckt, weil es ihr Ego verletzt.
  2. Bei einigen Männern war das Abgefuckte einfach kinky. Möchte die Aussagen nicht gutheissen, war aber nicht das, worauf ich hinaus wollte.
  3. Zu viele Frauen sind schon mit unbedachten, vermeintlich harmlosen Aussagen konfrontiert worden, die schlicht und einfach nicht angebracht sind. Diese haben die Frauen dann so verunsichert, dass sie sich selber die Schuld am Gesagten geben.

Ein Beispiel für den ersten Punkt war: «Ich habe körperliche Bedürfnisse, möchte diese aber nicht mit dir stillen», das hat eine junge Frau einem jungen Mann gesagt. Zwar ist das brutal ehrlich, aber bei weitem nicht unangemessen.

Beispiel für den zweiten Punkt: «Ich möchte, dass du mir dein Snowboard reinsteckst» Klingt schmerzhaft, und vielleicht nicht sehr romantisch, wird aber wahrscheinlich keine Selbstzweifel auslösen.

Und jetzt zu dem (meiner Meinung nach) krassen Beispiel für den dritten Punkt: «Du hattest Glück, dass du an dem Tag ein Höschen darunter getragen hast!»

Was heisst das jetzt genau? Ja, es ist ein dummer Spruch, vielleicht hätte der Junge das Mädchen nicht physisch sexuell belästigt, dennoch hat sich die junge Frau danach gefragt, ob sie vielleicht wirklich etwas zu Knappes anhatte und ob sie diese Aussage provoziert hätte. Zudem war es jemand aus ihrem Bekanntenkreis, was das Ganze noch ekelhafter macht. 

Wahrscheinlich sind sich viele Männer gar nicht bewusst, was sich Frauen alles anhören müssen. Was Worte auslösen können. Wie man sich danach fühlt. Ja, jede*r hat eine andere Schmerzgrenze, nicht alle Frauen sind schon sexuell belästigt worden, dem bin ich mir bewusst. Trotzdem kommen dumme Sprüche noch viel zu oft vor. Vielleicht begreifen viele Herren auch den Unterschied zwischen Flirten und Belästigen nicht, weil sie nicht wollen. 

Es braucht nicht viel, um zu realisieren, ob das Gegenüber genauso into it ist oder nicht. Ist dies nicht der Fall: Geh weg. Mit dem Kopf durch die Wand, dumme Aussagen in den Raum stellen ist definitiv nicht der richtige Weg.

Nach meiner ersten Umfrage habe ich dann auch noch gefragt, ob mein Fallbeispiel wirklich abgefuckt ist oder ich vielleicht übertreibe. 7 Männer und 7 Frauen fanden die Aussage nicht so schlimm, 206 fanden sie auch daneben. 

Einige haben mir auch auf dieses Resultat hin geschrieben: «14 Menschen zu viel», «Die Messlatte dieser Frauen ist vielleicht so tief, dass das absolute Minimum an Korrektheit schon reicht» usw. Ich persönlich sehe es auch so, weiss aber, dass es Menschen gibt, die gewisse Dinge einfach nicht so eng sehen. Auch das ist okay, wenn sie ihre Meinung anderen nicht aufzwingen möchten. 

Besonders junge Frauen wissen teilweise (noch) nicht was okay ist und was nicht. Sie werden weder richtig aufgeklärt, noch diskutiert man gesunde Kommunikation und Beziehungen. Entweder sie wird vorgelebt, oder halt nicht. Ein schlechter Partner in einer Beziehung kann Mensch für den Rest des Lebens zeichnen, wenn also beide Partner (Mann oder Frau, homo- oder hetero Pärchen) nicht wirklich wissen was sich gehört, wird es schwierig.

Wenn dann zudem einer der Parteien mit dem Scheissverhalten in Vergangenheit nicht zur Rechenschaft gezogen wurde, wird er es immer wieder tun. Das fängt bei dummen Sprüchen an, hört dort aber meistens nicht auf.

An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass mir sehr viele Männer geschrieben haben, wie schockiert aber nicht überrascht sie über die geteilten Beispiele waren. Sie selbst haben nie gemerkt, dass jemand in ihrem Umfeld solche Sprüche klopfen würde, oder sie trauen es ihren Freunden schlicht nicht zu.

Das soll heissen, dass kein Mann sich auch nur denken kann, dass jemand in seiner Nähe sowas macht? Wenn das der Fall wäre, würde ich diesen Artikel nicht schreiben. Was will ich damit sagen? Vielleicht hört man mit anderen Ohren hin, wenn man nicht betroffen ist. Vielleicht haben auch diese Männer schon dumme Sprüche mitbekommen, diese aber nicht als das erkannt was sie sind: gefährlich.

Es reicht nicht, wenn Frauen sich nur verteidigen und selbst schützen müssen. Gewisse Probleme sind direkt an der Quelle zu stoppen; nämlich im eigenen Freundeskreis. Ist ganz einfach: Falls man es noch nicht gemacht hat – in Zukunft genauer hinhören, was die Freunde und Freundinnen da von sich geben und sie zurechtweisen wenn was nicht okay ist. 

Und nun bedanke ich mich bei allen Jungs, die es richtig machen. Zwar ist es schade, dass ihr (noch) nicht die Norm seid, aber ihr erleichtert uns Frauen das Leben. 

Und ich möchte mich bei jeder Frau bedanken, die sich traut, nicht still zu bleiben. Geteilte Geschichten helfen anderen sich verstanden zu fühlen, und der ganzen Gesellschaft ein Bewusstsein für viele Problematiken zu schaffen. 

08. Mai 2021

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